Am 16. September feierte Mickey Rourke seinen 67. Geburtstag. Eine gute Gelegenheit, um noch einmal mit Harry Angel auf Reisen zu gehen: jenem charismatischen, abgründigen und ja, auch etwas abgerissenen Privatdetektiv, den Mickey Rourke 1987 in Alan Parkers Angel Heart spielte. Auch wenn man Rourke dieser Tag oft in der Klatschpresse sieht, wenn er mal wieder einen skurrilen Auftritt hat, oder "nicht wiederzuerkennen" sei (Quelle: promiflash.de), oder als Gaststar in der vermeintlich fürchterlichen Episoden-Rom-Com Berlin, I Love You auftaucht, erinnert Angel Heart – wie viele andere Filme mit ihm – an seine großen Stärken.
Alan Parker schrieb das Drehbuch zu seinem Mystery-Horror-Detektiv-Thriller nach dem Roman von William Hjortsberg und hatte eigentlich Jack Nicholson für die Hauptrolle im Sinn. Der lehnte jedoch dankend ab. Parker erinnerte sich später, Rourke habe beim ersten Treffen ausgesehen, wie "ein arbeitsloser Tankstellenwärter, also eigentlich so wie immer, wenn er nicht vor der Kamera stand." Aber Rourke überzeugte den Regisseur, den spätestes nach Mississippi Burning – Die Wurzel des Hasses im Folgejahr jeder auf dem Schirm haben sollte. Aber schon Angel Heart wurde ein Publikums-Hit, auch und gerade in Deutschland, wo am Ende 1,3 Millionen Kinobesucher*innen dem dunklen Charme der Geschichte erlagen.
Dauerraucher Harry Angel
Das hat viele Faktoren. Und einer ist eben Mickey Rourke als Harry Angel. Der an Film-Noir-Motiven ausgerichtete Privatdetektiv begibt sich im Auftrag des mysteriösen Louis Cyphre (Robert DeNiro) auf die Suche nach dem Sänger Johnny Favorite, der vor zwölf Jahren aus einer Klinik verschwand und Cyphre noch etwas schuldet. Die Spuren führen Angel zunächst von Brooklyn nach Harlem, immer wieder vorbei an seltsam anmutenden religiösen Szenen, bis er schließlich im Süden New Orleans in okkulte Voodoo-Kreise und die von Lisa Bonet wundervoll gespielte Priesterin Epiphany Proudfoot gerät. Mit der Zeit verstrickt sich Angel immer tiefer in ein wirres Netz aus Zeichen, Spuren und Leichen, die immer wieder in seinem Umfeld auftauchen. Rourke spielt Angel dabei als charmanten, knurrigen Jedermann, mal hard-boiled, mal melancholisch, mal auf verwirrende Weise aggressiv zupackend. Rourkes permanent verschwitztes oder verregnetes Gesicht, die faserigen Haare und der Vier-Tage-Bart wirken in Kombination mit seinen offensichtlichen "good looks" verstörend betörend – was zur Folge hat, dass Männlein wie Weiblein ihm gleichermaßen trauen.
Voodoopriesterin Epiphany Proudfoot (die 19jährige Lisa Bonet) bei der Arbeit
Ob das ein Fehler ist? Das muss jede und jeder für sich rausfinden. Angel Heart hat jedenfalls einen Rourke in Topform, in einer visuell und erzählerisch perfekt umgesetzten Geschichte. Das ist zum einen Parkers Verdienst, dessen Drehbuch kaum Fragen offenlässt. Aber es liegt auch an dem Team, das Alan Parker um sich versammelt hat. Die Kamera und die Bildkompositionen von Michael Seresin verstärken das mysteriöse Flirren der Geschichte ungemein. Und dann ist da noch die Musik von Trevor Jones, die im Blues und Jazz der Zeit verwurzelt ist und manchmal nur ein paar Piano-Anschläge braucht, um das Bild eines rauchenden Harry Angel vor Augen zu haben.
Parker selbst sagt in der Einleitung zur bald erscheinenden restaurierten Version: "Ich war selbst überrascht, wie gut der Film geworden ist, als ich ihn mir kürzlich wieder angeschaut habe." Das mag Understatement sein, aber irgendwie weiß man, wie er das meinen könnte, denn auf dem Papier sieht Angel Heart wie ein seltsamen Genre-Mash-up aus, das eigentlich nicht funktionieren dürfte. Aber: Mit guten Leuten macht man gute Filme. Und Mickey Rourke ist immer noch einer der besten – da ist es dann auch völlig egal, wenn zum Beispiel seine Lippen vielleicht jetzt doch nicht wie der Rest seines Körpers 67 Jahre alt geworden sind ...
DK