Wenn man sich am Weltfrauentag einen Film anschaut, sollte man ihn vorher oder nachher nicht allein aus diesem Anlass einmal dem Bechdel-Text unterziehen? Einem Test, den die Comic-Zeichnerin und Autorin Alison Bechdel Mitte der 1980er Jahre in einem ihrer Bücher unterbrachte? Er befragt einen Film darauf, ob es in ihm mindestens zwei Frauenrollen gibt; ob diese beiden Figuren miteinander sprechen; und ob sie sich über etwas anderes als einen Mann unterhalten.
Der Bechdel-Test ist sicher nicht die Lösung für das Sexismus-Problem der Gesellschaft. Aber er ist ein guter Indikator dafür, wie sich soziale Ungleichheit in einer Kunstform abbildet, die letztlich die Massen unterhalten darf und soll – und deren Unterhaltungswert sich mitunter daraus ableitet, wie nah sie dran ist an den wahren gesellschaftlichen Verhältnissen.
Frauen im Kino, Frauen in der Filmproduktion – über die Jahrzehnte betrachtet ist das ein ebenso schwieriges und komplexes Thema wie Frauenrechte im Alltag. Vielleicht hilft schon ein eigener kleiner Test, um sich das vor Augen zu führen. Wie viele große Kino-Erfolge von damals bis heute kennt man so, in denen nur (in der Regel weiße) Männer die Hauptrollen spielen. Wie viele bekannte weibliche Regisseurinnen aus dem 20. Jahrhundert fallen einem spontan ein?
Bria Vinaite und Brooklynn Kimberly Prince in "The Florida Project" © Studiocanal
Und was fällt einem auf, wenn man ein Meisterwerk der Filmgeschichte wie Lawrence von Arabien betrachtet, außer der erzählerischen und fotografischen Virtuosität des siebenfachen Oscar-Gewinners von vor 60 Jahren? Genau, in dem knapp vierstündigen Kino-Epos taucht so gut wie keine einzige Frau auf, schon gar nicht in einer sprechenden Rolle, und die Rollen der Frauen in der Produktion hinter den Kulissen wären noch mal ein Thema für sich. Kann man sich eine ähnlich opulente Arbeit mit ausnahmslos weiblichen Darstellerinnen und Charakteren vorstellen, zumal aus den 1960er Jahren? Eher nicht.
Der Film ist damit ein Beispiel für die Quadratur des sozialen Teufelskreises auf der Leinwand, orientiert er sich doch an einer historisch verbrieften Realität, in der eben Männer das handelnde Personal stellen – in politischen und militärischen Auseinandersetzungen –, und schreibt diese Geschichte fort. Öffentlich zur Diskussion stand das damals kaum. Dass Lawrence von Arabien dadurch in der Nachbetrachtung nicht automatisch zu einem schlechteren Film wird, versteht sich eigentlich von selbst, diese Behauptung der Behauptung wird ja eigentlich nur von denen angeführt, die den Kampf um Gleichberechtigung als überflüssig betrachten.
Solche Tatsachen kann man sich ruhig mal vergegenwärtigen, wenn es heute um das Gendern im Sprachgebrauch oder die erhöhte Sensibilität für diskriminierende Wirklichkeit geht, ob es sich um Geschlecht, Staatsbürgerschaft, Hautfarbe oder andere Ausschlusskriterien handelt. Diese Debatten haben einen Rattenschwanz, der lange zurück in die Vergangenheit reicht, und der nicht damit vom Tisch ist, dass es hier und da leise Verbesserungen zu verzeichnen gibt.
Naomi Watts und Laura Harring in "Mulholland Drive" © Studiocanal
Somit ist und bleibt der Weltfrauentag, der seit über einhundert Jahren zelebriert wird, ein wichtiges Datum, um an die Rechte der Menschen zu erinnern, die sich als Frauen identifizieren oder von Geburt an solche identifiziert werden und mit dieser Konsequenz leben – in einer Welt, die hauptsächlich von Männern beherrscht und für Männer gemacht ist. Es ist der Tag, an dem traditionell die Fortschritte der Gleichberechtigung aus den vergangenen Jahrhunderten gefeiert und die kommenden Errungenschaften in diesem andauernden Kampf eingefordert werden – genau wie es an den übrigen Tagen des Jahres der Fall sein sollte. Der Bechdel-Test für Filme ist nur eine der vielen Nuancen dieser Geschichte, die man sich am Weltfrauentag einen Tick bewusster machen könnte als sonst.
Wer sich heute im Heimkino mit ARTHAUS-Filmen wie Leon – Der Profi, Million Dollar Baby, Grüne Tomaten, The Florida Project oder Mulholland Drive amüsiert, kann den Bechdel-Test getrost anwenden, ohne dass er negativ ausfällt. Das heißt nicht, dass nicht auch das ARTHAUS-Programm eine gesellschaftliche Ungleichheit spiegelt, die wiederum in der Filmgeschichte durch mangelnde Repräsentanz oder stereotype Geschlechterklischees verstärkt beziehungsweise reproduziert wurde. Der Bechdel-Test hilft uns, Filme im Kontext ihrer Zeit zu verorten und anhand des jetzigen Status quo zu diskutieren. Allein, dass er aus dem Jahr 1985 stammt und heute noch relevant ist, sollte zu denken geben – und das nicht nur am 8. März.
WF