Die Wurzeln der dänischen Regisseurin Susanne Bier liegen teilweise in Deutschland. Jene Stränge wurden ausgerissen, als ihr jüdischer Vater mit seiner Familie vor den Nazis nach Dänemark floh. Vielleicht liegt es auch an diesem persönlichen Hintergrund, dass Bier eine Künstlerin ist, deren Filme formal immer wieder neues Terrain erforschen, während sie inhaltlich auf denselben Fluchtpunkt hinauslaufen – die Enge der Verhältnisse, an denen sich die Tiefe der menschlichen Seelenlandschaft nun mal am deutlichsten bemessen lässt, wenn man gute Geschichten erzählt. So drehte Susanne Bier zwei Dogma-Filme, streckte ihre Fühler allerdings schon früh bis nach Hollywood aus. Widersprüchlichkeiten scheinen sie sowieso nicht abzuschrecken, Biers Kinoverständnis dürfte eher von ihnen genährt werden. Der große Durchbruch gelang Susanne Bier vor genau zehn Jahren mit einem Drama über äußerst komplizierte Vater-Mutter-Sohn-Beziehungen, die sich im Lauf der Handlung als hochexplosiv erweisen sollten. In einer besseren Welt wurde 2011 mit dem Oscar für den besten fremdsprachigen Film ausgezeichnet. Auch in der darauffolgenden Tragikomödie Love Is All You Need kommt die Bedrohung für eine der Hauptfiguren von innen wie von außen. Die erzwungene Verwandlung durch Krebserkrankung und Chemotherapie steht für Friseurin Ida dem Festhalten an einer kaputten Ehe gegenüber. Im Moment des Triumphs über den Tumor fällt dieses für die Ewigkeit gedachte Kartenhaus komplett in sich zusammen, Ida erwischt ihren Ehemann mit einer Jüngeren auf dem heimischen Sofa. In einer Mischung aus würdevollem Trotz und der tief verinnerlichten Mentalität der grauen Maus trägt sie Schicksal und Perücke – hervorragend gespielt von Trine Dyrholm. Bis ein Mann in ihr Leben tritt, der alles auf den Kopf stellt.
Während der turbulenten Hochzeit ihrer Kinder in Italien, knistert es ordentlich zwischen dem verwitweten Geschäftsmann und der an Leib und Seele versehrten Rekonvaleszentin. Pierce Brosnan als Philip ist geradezu die Idealbesetzung für den Part des Herzensbrechers, der erst mal sein eigenes Herz wieder schlagen hören muss, um mehr als Bitterkeit ausstrahlen zu können. Dabei wechseln sich die Szenen, von denen man meint, es könne sie nur im Film geben, mit jenen Situationen ab, die von der guten Beobachtungsgabe der Regisseurin zeugen, da sie dem Leben bis ins letzte Detail abgeschaut sind. Solche kleinsten Kleinigkeiten vermag Susanne Bier in die größten Dramen zu transformieren – 2014 kam Serena mit Jennifer Lawrence und Bradley Cooper in den Hauptrollen heraus – und abgründige menschliche Tragödien zu überführen – wie Zweite Chance aus demselben Jahr. Zuletzt führte sie Regie bei einer HBO-Serie mit Nicole Kidman und Hugh Grant. Auch vor TV-Formaten schreckt die vielseitige Filmemacherin also nicht zurück. Biers humanistischer Ansatz ist derweil immer zu erkennen – auch im trockenen Humor. Am 15. April wird Susanne Bier 61 Jahre alt. Wir gratulieren und freuen uns auf weitere Dramen, die mitunter federleicht von der Schwierigkeit des Seins erzählen, dann wieder schwungvoll in sprichwörtliche Mördergruben abtauchen. Lassen wir uns überraschen, wohin es sie beim nächsten Mal verschlägt!
WF