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Diana Rigg: Sie konnte mehr als Karate

Die britische Schauspielerin Diana Rigg ist im Alter von 82 Jahren verstorben. Berühmt wurde sie als Emma Peel in der Serie Mit Schirm, Charme und Melone

Persönliches/Aus gegebenem AnlassFilmgeschichten

11. September 2020

Es ist erstaunlich, wie viele Bands, die man heute gemeinhin mit "Punk" assoziiert und die gegen Mitte der 1970er Jahre in England und den USA aus dem Boden schossen, von der Fernsehwelt fasziniert waren. Zugleich damit aufgewachsen und davon abgestoßen, erkannten die neuen Wilden dieses Medium mit scharfem Blick als futuristischstes Charakteristikum ihrer Gegenwart. Wer vor der Glotze hockte, wirkte einerseits wie ferngesteuert oder ausgeschaltet – und wurde andererseits in die Möglichkeitswelten teils absurd wundervoller TV-Shows gebeamt. Noch dazu im eigenen Wohnzimmer, durch einen einzigen Knopfdruck. Ein phantastischer technologischer Sprung, beinahe wie auf der Enterprise. So waren auch die Mitglieder der in gewissen Kreisen legendären britischen Television Personalities sicherlich mit Sendungen wie Star Trek oder The Avengers vertraut. Die Agentenserie lief in Deutschland erst ab der vierten Staffel, und zwar als Mit Schirm, Charme und Melone.

Ohne Partnerin war John Steed nur die Hälfte wert © Studiocanal

Ohne Partnerin war John Steed nur die Hälfte wert © Studiocanal

Natürlich spielt der Titel auf die feine englische Art des Agenten John Steed an, und wurde in der Bundesrepublik zum geflügelten Wort. Ebenso wie Steeds Kommando "Mrs. Peel, wir werden gebraucht!" Gemeint war seine Partnerin seit besagter Staffel vier, Emma Peel, deren Figur die Schauspielerin Diana Rigg weltberühmt machte. Und mit der sie trotz großer Theater-Engagements (etwa in ihrer Paraderolle als Lady Macbeth), vieler Leinwand-Auftritte (wie in James Bond 007 – Im Geheimdienst ihrer Majestät), und trotz der herausragenden Erscheinung als Olenna Tyrell in der Erfolgsserie Game Of Thrones, über ihren Tod am 10. September 2020 hinaus identifiziert werden wird.

Emma Peel erledigt einen Schurken mit links (und rechts) © Studiocanal

Emma Peel erledigt einen Schurken mit links (und rechts) © Studiocanal

Auf dem Cover des Television Personalities-Debüt aus dem Jahr 1977 ist Riggs Co-Star Patrick Macnee, also John Steed, abgebildet, allerdings nicht an der Seite von Emma Peel sondern gemeinsam mit Lesley Lawson. Die war in den 1960er-Jahren als Twiggy berühmt geworden, jenes Foto- und Laufsteg-Model mit dem androgynen Look. Eine zunächst verwirrende Bildcollage, die jedoch brillant auf die Swinging Sixties anspielt und auf Macnees wechselnde Serien-Partnerinnen, außerdem Parallelen zwischen Twiggy und Rigg andeutet. Rigg, die als Emma Peel zwischen 1965 und 68 ebenfalls einen anderen Typ Frau verkörperte als bis dato bekannt. Mindestens gleichberechtigt mit dem schnöseligen Steed, löste Peel in der Serie die irrsten Fälle und stellte sich den übersinnlichsten Phänomenen in den engsten Klamotten – nicht auf den Mund gefallen und mit unerbittlichen Nahkampf-Talenten ausgestattet. Ähnlich wie Twiggy geriet die Peel und damit ihre Darstellerin Diana Rigg schnell zu einem der großen weiblichen Sexsymbole ihrer Zeit. Daran änderte weder die eigene feministische Grundhaltung noch die nachträgliche These aus der Popkritik etwas, sie habe die klassische Männerfigur, Steed den weiblichen Charakter dargestellt. Eine gewisse Unzufriedenheit führte jedoch im Kombination mit höheren künstlerischen Ambitionen dazu, dass Diana Rigg den Part als John Steeds Sidekick nach gut zwei Jahren und knapp über 50 Folgen aufgab.

Sexsymbol wider Willen: Diana Rigg © Studiocanal

Sexsymbol wider Willen: Diana Rigg © Studiocanal

Wie viele Männer und Frauen, für die sie mal Mittelpunkt (post-)pubertärer Vorstellungen in Sachen Libido und Emanzipation war, heute um Emma Peel statt um Diana Rigg trauern, lässt sich schwer sagen. Es zeigt nur, wie viel Rigg in ihren Verehrer*innen schon immer als Role Model bedeutet hat. Doch sei hier betont, dass die 1938 geborene Schauspielerin nicht nur über immenses schauspielerisches Können verfügte, sondern auch durch ihre eigenwillige Persönlichkeit stets herausragte. Als TV-Ikone war sie selbst ein Punk avant la lettre, leidenschaftliche Kettenraucherin und offensive Widersacherin sämtlicher Kritiker*innen, die oft wenig zimperlich mit ihr umgingen. Sie konnte eben mehr als Karate. Trotzdem schön, dass man noch heute mit einem Knopfdruck in die Welt von Mit Schirm, Charme und Melone eintauchen und Fan sein kann. Ja, Mrs. Rigg, sie werden weiterhin gebraucht – und bis in alle Ewigkeit bewundert werden.

WF

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