Geplant war es eigentlich nicht, einen Großteil der Menschen, die 2002 in einer WG in Barcelona aufeinander trafen, über mehrere Jahre im Blick zu behalten. Das gibt Cédric Klapisch ganz offen zu, zum Beispiel in einem Interview mit filmreporter.de im Jahr 2014. Da sagte er: "Das ist einfach passiert. Nachdem wir Barcelona für ein Jahr gedreht hatten, fragte mich jeder, ob es eine Fortsetzung geben würde. Zwei Jahre lang habe ich das verneint. Aber dann bemerkte ich, dass auch ich wissen will, wie die Geschichte weitergeht. Und ich wollte auch gerne wieder mit den Schauspielern zusammenarbeiten."
Wenn man dieser Tage noch einmal den ersten Film der Trilogie schaut, weiß man sofort, was Klapisch damit meint. Xavier (Romain Duris), Martine (Audrey Tautou), Isabelle (Cécile de France), Wendy (Kelly Reilly) und all die anderen versprühen eine Energie und eine Spielfreude, die das Herz dieser Filme ausmacht. Und das, obwohl oder gerade weil sie alles andere als perfekt sind. Sie brechen Herzen, sind unschlüssig, sind schusselig, verletzend – aber auch charmant, emphatisch, verknallt, charismatisch. Wer sich einmal, bildlich gesprochen, zu ihnen an den WG-Tisch in Barcelona setzt, will sie immer wieder sehen. Aber auch das ist ein Geheimnis des großen Erfolgs: Wenn ich eine Filmlänge mit Xaviers Eskapaden und Fehltritten verbrachte, hatte ich zwar für eine Weile die Zeit meines Lebens – freute mich aber auch auf ein paar Jahre Ruhe. Bis ich mich dann in der nächsten Stadt wieder voll mit ihm und dem Rest der Clique ins Leben werfen wollte.
Überhaupt: Das Leben! Im dritten Teil der Trilogie, in der es Xavier und Wendy frisch getrennt mitsamt ihren Kindern nach New York verschlägt, sieht man ganz am Anfang, wie Xavier am Laptop sinniert, dass das Leben bei anderen als gerade Linie von Punkt A nach B verliefe. Und er das auch immer wolle. Aber nie hinbekomme. Man möchte ihn in diesem Moment, wie so oft, schütteln und ihm zurufen: "Zum Glück, Xavier! Zum Glück!"
Dieser Gedanke spielt eigentlich in allen drei Filmen eine Rolle – also in Barcelona, in St. Petersburg und auch in New York. Klapisch erklärte in einem Interview dazu: "Im ersten Teil, wird Xavier beim WG-Casting gefragt, wie er sich sein Leben in fünf Jahren vorstellt. Und in allen drei Filmen geht es darum, dass es unsinnig ist, diese Frage überhaupt zu stellen und unmöglich, sie zu beantworten. Dazu ist das Leben einfach zu unvorhersehbar. Die Filme zeigen, dass sich Xaviers Leben komplett anders entwickelt, als er es sich vorgestellt hat. Es ist ein sehr menschliches Bedürfnis, Dinge zu planen, aber man muss sich darauf einstellen, dass zwischen den Plänen und dem, was dann wirklich geschieht, oft eine Lücke klafft."
Für viele – unter anderem für den Autoren dieser Zeilen – war die Trilogie eine gute Ablenkung in der tristen Lockdown-Zeit im vergangenen Jahr. Weil diese Filme das Leben zeigten, wie es gerade nicht möglich war. Weil sie mir das Gefühl gaben, ein Teil der Clique zu sein. Der stille Kumpel, der mit ihnen um die Häuser zieht und sich bei Bier und Wein anhört, warum Martine sich abwendet und Wendy so gute Gesellschaft beim Feiern ist. Oder warum Xaviers fahriger Egoismus so nervtötend sein kann. Für dieses Gefühl werde ich ihnen auf ewig dankbar sein.
Und darauf hoffen, dass man sie noch einmal wieder trifft. Was auch Klapisch nicht ausschließt. Er sagte zum Start von Beziehungsweise New York 2014, er könne sich "theoretisch" einen vierten Teil vorstellen. "Aber es würde wieder einige Zeit vergehen. Xaviers Sohn ist jetzt neun Jahre alt. Also wäre es doch gut, wenn die Geschichte in zehn Jahren weiter geht und er auch bei Erasmus mitmacht." Das wäre dann ja 2024. Auf die Frage, in welcher Stadt das spielen könne, sagte er damals: "Vielleicht in Berlin. Momentan ist Berlin die für mich spannendste Stadt in Europa, hier passiert unheimlich viel und ich würde die Stadt gerne besser kennenlernen."
Also, Monsieur Klapisch, Xavier, Wendy, Martine, Isabelle – das passt doch alles einfach zu gut. Immerhin wohne ich dort. Kommt doch einfach nach Neukölln und wir drehen die erste Szene bei mir am Tisch.
DK