"Do you remember the first time?", fragte schon Jarvis Cocker in einem frühen Hit seiner Band Pulp – und meinte damit ganz sicher die Erfahrung, zum ersten Mal als Regisseur*in einen Film zu verantworten. Aber Spaß beiseite: Das Debüt hat in der Filmgeschichte seit jeher einen besonderen Platz. Gerade bei den "großen" Namen ist es spannend, mit wachem Blick auf das erste abendfüllende Werk und die Reaktionen darauf zu schauen. Würde der namhafte Kritiker, der Eraserhead von David Lynch eine "unerträglich geschmacklose Erfahrung" nannte, das heute noch mal so unterschreiben? Wäre Amores Perros so ein blutiges, ungezähmtes, romantisches, um sich schlagendes Tier geworden, wenn Iñárritu schon ein paar Jahre in der Hollywood-Mühle gesessen hätte? Und steckt nicht schon im ersten Film der Coen-Brüder die Essenz ihres gesamten Werkes? Aber Fragen wie diese, die man mit dem Wissen um spätere Großtaten stellt, sind nur ein Weg, sich einem Filmdebüt zu nähern. Wer es nicht so theoretisch und abgeklärt mag, findet in diesen Filmen oft eine Kraft, die noch völlig ungebremst losprescht, eine wilde Neugier, die sich nicht um Branchenzwänge und Kritiker*innen-Meinungen schert, eine Bildsprache, die auf der Suche nach dem richtigen Mittel bisweilen mutige Experimente eingeht.
Man weiß ja gar nicht, wo man anfangen soll bei Lnychs erstem Aufschlag im Jahr 1977. Bei der verstörenden Gesamterfahrung? Beim alptraumhaften Dröhnen des Scores? Dem Schreien des Kindes, das man nie wieder aus dem Kopf bekommt? Der "Lady in the Radiator"? Oder bei den eher praktischen Fragen: Wie zum Henker hat Lynch das Geld für dieses Projekt zusammenbekommen? Und was hat Mel Brooks geritten, als er nicht zuletzt wegen dieses Films Lynch als Regisseur für seine Produktion Der Elefantenmensch auswählte – bekanntlich nicht gerade zur Freude von Anthony Hopkins? Wie auch immer man diese Fragen beantwortet: Eraserhead wird man so schnell nicht vergessen.
Einige Filmdebüts wirken nur auf den ersten Blick wie ein erstes impulsives Aufbäumen und sind bei genauerer Betrachtung logische nächste Schritte in einer Laufbahn, die entschlossen auf einen ersten Kinofilm zusteuerte. Alejandro González Iñárritu war zum Beispiel alles andere als unbekannt, als er Amores Perros (2000) anging. In den 80ern als Radio-DJ und Moderator in Mexico bekannt geworden, komponierte Iñárritu Filmmusik, hatte Werbefilme produziert, eine eigene Produktionsfirma namens "Z Films" – und sein erster Kurzfilm Hinter dem Geld lief bereits im mexikanischen Fernsehen. Da war ein erster richtiger Spielfilm nur folgerichtig – dass der auch gleich so ein Kracher wurde, ist dabei natürlich besonders erfreulich.
Ein Debüt aus der Reihe: "Warum macht die das eigentlich nicht öfter?" Wer den stillen, einfühlsamen Film Das Wunderkind Tate (1991) von und mit Jodie Foster gesehen hat, weiß, dass sie ihr Handwerk auch hinter der Kamera beherrscht. Auch weitere Regieausflüge wie zum Beispiel Money Monster (2016) belegen das – ok, "Der Biber" vielleicht nicht unbedingt. Warum uns Tate dieser Tage mal wieder in den Sinn kam? Weil Jodie Foster zuletzt das Staffelfinale der tollen, meditativen Serie Tales from the Loop zu verantworten hatte – und übrigens auch bei der Folge "Arkangel" der Black Mirror-Reihe im Regiestuhl saß. Eine Geschichte, die ähnlich präzise auf eine Mutter-Kind-Beziehung schaut, aber ungleich abgründiger endet.
Kein schlechter Start: Der chinesische Regisseur gewann mit seinem ersten Spielfilm Rotes Kornfeld im Jahr 1988 den goldenen Bären der Berlinale. Während viele Zhang Yimou vor allem mit den berauschenden Kampfszenen im House of Flying Daggers verbinden, erzählt er hier die legendenhafte, tragische, bisweilen herrlich räudige Liebesgeschichte zwischen Jiu’er (gespielt von Zhang Yimous damaliger Lebensgefährtin Gong Li) und Yu (Jiang Wen), die in der Provinz Shandong spielt und einem Novellenzyklus des Schriftstellers Mo Yan entnommen ist. Was Rotes Kornfeld dabei so besonders macht, sind die ungewöhnlich farbenreiche Inszenierung und einige Szenen, die gängige Konventionen Chinas sprengen, zum Beispiel als Yu in Krüge voller frisch gebranntem Schnaps pinkelt. Der Film wurde deshalb von offiziellen Stellen in China scharf kritisiert, fand aber aus den gleichen Gründen ein großes Publikum und wurde als "politischer" Film und "Symbol der Freiheit" gewertet – was Zhang Yimou damals öffentlich immer dementiert hat.
Heiser geknurrte Weisheiten, Eskalation in Zeitlupe, Humor: "trocken", eine fantastische Frances McDormand und blutig-poetische Gewaltdarstellungen – alle diese Trademarks eines typischen Films von Joel und Ethan Coen findet man schon in ihrem Erstling Blood Simple – Eine mörderische Nacht aus dem Jahr 1984. Die Geschichte um die Risiken und Nebenwirkungen eines Auftragsmordes hat bis heute nix von ihrer grimmigen Wucht verloren und ist wie fast alle Coen-Filme verdammt gut gealtert.