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In der Rache-Trilogie steckt viel mehr als bloß Rache

Die Rache-Trilogie des koreanischen Regisseurs Park Chan-woo gibt es ab sofort bei ARTHAUS+. Obwohl der Kultfilm Oldboy naturgemäß die anderen Filme ein wenig überstahlt, sollte man auch Sympathy for Mr. Vengeance und Lady Vengeance (Foto) gesehen haben.

21. Oktober 2024

"Wenn der Schock einmal abgeklungen ist, werden andere Emotionen in den Vordergrund treten." Das sagte Regisseur Park Chan-wook einmal über die Wirkung von Oldboy – aber es passt auch zu der Erfahrung, die komplette Rache-Trilogie noch einmal am Stück gesehen zu haben. Natürlich muss man sich eine Weile erholen von all diesen tückischen Plot-Twists, von den meistens eher verzweifelten als nur bösen Menschen, den unfairen Schicksalsschlägen, der expliziten Gewalt – aber trotzdem: Auf verquere Weise findet man in allen drei Filmen ebenfalls Liebe, Witz, Wärme und so etwas wie Genugtuung. Und, was natürlich am meisten beunruhigt: Man empfindet manchmal auch Sympathie für Mörder*innen.

Sympathy for Mr. Vengeance

Dieser Film eröffnete 2002 die thematische Trilogie. Im Zentrum der Geschichte steht der taubstumme Ryu, der sich den Rücken buckelig arbeitet, um seiner schwerkranken Schwester eines Tages eine Spenderniere samt Operation bezahlen zu können. Leider gerät er dabei an zwielichtige Organhändler, die ihm nicht nur das Geld klauen, sondern auch eine seiner Nieren. Kurz darauf erfährt Ryu, dass es nun auch eine offizielle Spenderniere gäbe – er müsste nur das Geld bezahlen, das ja jetzt aber die Organhändler haben. Außerdem hat Ryu seinen Job gekündigt und sich auszahlen lassen – er verdient also nicht mal mehr seinen Lebensunterhalt. Seine anarchistische Freundin Yeong-mi schlägt nun vor, die Tochter des Firmenchefs zu entführen, bei dem Ryu zuvor angestellt war. Dieser Chef, Park Dong-jin, ist alles andere als ein fürsorgender Familienvater, was er selbst erst so richtig merkt, als seine Tochter Yu-sun verschwunden ist. Ryu und Yeong-mi bringen die kleine Yu-sun bei Ryus kranker Schwester unter, die glaubt, sie sei bloß die Babysitterin. Auch Yu-sun blüht regelrecht auf während er "Entführung", weil sie hier mehr Wärme und Freiraum bekommt, als zuhause. Als Ryus Schwester aber rausfindet, was er da treibt, bringt sie sich kurzerhand um, weil sie ihm niemals eine Last sein wollte. Bis hier ist das alles schon dramatisch genug, aber es kommt natürlich noch schlimmer: Als Ryu seine Schwester an ihrem Lieblingsort an einem Fluss beerdigt, ertrinkt Yu-sun und Ryu merkt es nicht, weil er sie nicht im Blick hat und ihre Schreie nicht hört. Park Dong-jin, der gescheiterte Vater und Firmendirektor, rächt sich daraufhin stoisch und freudlos – wohlwissend, dass er niemals ein liebender Vater war.

Was hier so bleak und hart klingt, ist dank Park Chan-wook an vielen Stellen ein erstaunlich warmer Film. Die "Gespräche" zwischen Ryu und seiner Freundin Yeong-mi, die extra einen Standspiegel vor das Bett gestellt hat, damit sie nebeneinander liegen, rauchen und mit Gebärdensprache reden können, sind bisweilen wunderschön. Ebenso die Szenen der verzweifelte Liebe von Ryu zu seiner Schwester. Und auch wenn ein großer Teil der hier gezeigten Rachefeld-Züge eher verzweifelt sind, freut man sich auf makabre Weise, wenn die Organhändler ihre gerechte Strafe bekommen – von einem Ryu, dem sie das niemals zugetraut hätten. Und trotzdem denkt man am Ende kurz: Die armen Schweine!

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Oldboy

Muss man diesen Film hier noch groß vorstellen? Eigentlich nicht. Wer irgendwann beim Arthaus Magazin landet, hat todsicher auch die oft in der Jugend vollzogene Mutprobe bestanden, Oldboy gesehen zu haben. Die hirnsprengenden und schockierenden Twists, die kreative Darstellung von Gewalt, die Verspeisung eines lebendigen Tintenfisches, der Inzest, das irre Schicksal von Geschäftsmann Oh Dae-su, der 15 Jahre eingesperrt wird und dann fünf Tage Zeit bekommt, um vermeintlich Rache zu nehmen – all das gehört schon fast zum allgemeinen Filmwissen. Trotzdem lohnt es sich, Oldboy (2003) wieder und wieder zu schauen, denn die moralischen Fragen, die man sich zwangsweise stellt, wenn die visuellen Schocks ein wenig leichter hitten, sind fast noch angsteinflößender als der Film. Park Chan-wook erklärte in einem Interview zum Re-Release in 4K: "Es stimmt, dass ich Filme machen wollte, die das Publikum schockieren, fast so, als ob man selbst von einem Hammer getroffen wird, wenn man aus dem Kino geht. Ich wollte den Zuschauer*innen den gleichen Schock vermitteln, den Oh Dae-su im Film empfunden hat, und es dauert eine Weile, bis man das nach dem Film verdaut hat." Auch der Regisseur empfiehlt es übrigens, diesen Film mehrmals zu sehen. Er berichtete im gleichen Interview von dieser Erkenntnis: "Ich erinnere mich, dass ich vor zehn Jahren - also zehn Jahre nach der Erstveröffentlichung des Films - die Gelegenheit hatte, Oldboy noch einmal zu sehen, und der Bösewicht, Lee Woo-jin, fiel mir dieses Mal viel mehr auf als der Protagonist. Ich erinnere mich, dass ich dachte: ‚Wow, ich habe wirklich den richtigen Schauspieler für diese Rolle gecastet.‘ Als ich den Film vor zehn Jahren gesehen habe, konnte ich mich viel besser in den Bösewicht hineinversetzen."

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Lady Vengeance

Etwas böse könnte man behaupten, Oldboy habe ein ähnliches Schicksal erlitten wie zum Beispiel Fight Club oder Joker: All diese Filme haben sich ein großes, toxisch-männliches Publikum eingespielt, das darin nur sieht, was es sehen will und diese Filme aus den falschen Motiven feiert. Park Chan-wook sagte im Interview zum Oldboy-4K-Release dazu: "Viele furchterregende Männer kamen nach Oldboy auf mich zu und sagten mir, dass sie Fans meiner Filme seien. Einige wollten gar, dass ich ihnen einen Hammer signiere, wie ihn Oh Dae-su benutzt. Der Grund, warum ich meinen nächsten Film, Lady Vengeance, gedreht habe, war eigentlich genau dieser Grund." Er haben danach mehr Frauen in den Vordergrund stellen wollen – was er bis heute beibehalten habe.

Lady Vengeance aus dem Jahr 2005 ist der dritte und letzte Teil dieser Thementrilogie. Hier sind es 13 und nicht 15 Jahre, die die junge Lee Geum-ja wegen eines Mordes, den sie nie begangen hat, im Gefängnis absitzen muss. Als sie entlassen wird, will sie nur noch eins: Rache an all jenen nehmen, die ihr Leben zerstört haben. Zusammen mit einer Gruppe von Frauen, mit denen sie sich hinter Gittern angefreundet hat, beginnt Geum-jas langer Weg der Vergeltung. Zugleich macht sie sich auf die Suche nach ihrer Tochter, die sie einst hat zurücklassen müssen.

Hauptdarstellerin Lee Young-ae schaut man wirklich herzlich gerne beim Morden zu – und auch, wenn sie schon früh, nämlich im Gefängnis, damit beginnt, scheint ihr moralischer Kompass intakter zu sein als bei manch anderem Protagonisten in der Rache-Trilogie. Vor allem die Sisterhood mit ihren Knastgefährtinnen ist geradezu rührend, ebenso die langsame Annäherung mit ihrer Tochter. Im Kontrast dazu steht ihr durchdachter Einsatz von Gewalt, den sie oft mit einem abgründigen Humor ausführt. Überhaupt ist der Humor von Park Chan-wooks Rache-Trilogie bisher noch nicht genug gehighlightet worden. In Lady Vengeance ist er etwas freier und spielerischer – was aber nicht bedeutet, dass es hier zimperlicher zugeht. Das Finale des Films ist dann wieder so eine moralische Frage, bei der man ganz froh ist, dass man sie nicht im Real Life beantworten muss: Würden Sie den Mörder Ihres Kinders umbringen, wenn er gefesselt vor ihnen säße? Diese Frage ist schon abgründig genug. Und nun stellen Sie sich vor, Sie müssten sich dabei mit weiteren Elternpaaren arrangieren – und eine Reihenfolge auslosen …

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Sympathy for Mr. Vengeance, Oldboy und Lady Vengeance gibt es gerade bei ARTHAUS+ zu sehen. Alle Infos über unsere App und die Streamingkanäle finden Sie hier.

DK

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