Der Dokumentarfilm Jean Paul Gaultier: Freak & Chic ermöglicht mehr als einen Blick hinter die Kulissen. Schließlich geht es darin um den Entstehungsprozess von Gaultiers spektakulärer Modeschau-meets-Musical-Revue "Fashion Freak Show". Die war und ist wiederum stark von den eigenen Lebenserfahrungen geprägt. Autobiografisch gefärbt sagt man – und die Farben bleiben einem natürlich im Gedächtnis, wenn es um Kleidung geht, die einer der schillerndsten Modedesigner der Welt auf Grundlage seiner Vita entworfen hat.
Gaultiers Matrosenlook, Jean Genet lässt grüßen © Studiocanal
Regisseur Yann L’ Hénoret, der auch die Erfolgsgeschichte des französischen Präsidenten Emmanuel Macron dokumentierte, sich also bestens auskennt mit charismatischen Persönlichkeiten, ihren Stärken und Schwächen, den sympathischen und weniger liebenswerten Seiten, musste hier wie schon beim Porträt des Machtpolitikers auf Zack sein. Die kreativen Momente Gaultiers reihen sich aneinander wie Perlen auf einer Schnur, und sobald ein Kreis sich schließt, zerreißt er alles, die tollen Einfälle prasseln zu Boden, springen in die Luft und ergeben eine neue Assoziationskette. Bildlich gesprochen. Und bewegte Bilder, das sind ja auch seine modischen Kreationen, noch bevor die oft extravaganten Models ihnen Beine machen. Jedes Kleid von Gaultier, vor allem aus den Haute-Couture Kollektionen, ist eine romantische Liebes-, dramatische Abschieds- und spektakuläre Actionszene in einem.
Phantastisch, skurril und in jedem Augenblick glamourös © Studiocanal
Jean-Paul Gaultier hat schon viel Erfahrung mit der Filmwelt gesammelt, erschuf Kostüme für Luc Bessons Das fünfte Element, Pedro Almodóvars Kika, Peter Greenaways Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber und Jean-Pierre Jeunets Stadt der verlorenen Kinder. Im Rahmen seiner jeden Rahmen sprengenden "Fashion Freak Show" ist er nicht nur Designer ausgefallener Klamotten, Laufsteg-Dirigent und Regisseur einer Geschichte, die er selbst schrieb, damit das Leben sie ihm nicht einfach so diktiert (und für die Disco-Legende Nile Rodgers den Soundtrack beisteuerte). Nein, Gaultier ist auch der Hauptdarsteller – und L’ Hénoret kitzelt für seinen eigenen Absichten und zum Gelingen von Jean Paul Gaultier: Freak & Chic viele Ecken und Kanten aber auch Soft Spots aus ihm heraus.
Smalltalk der Megastars Gaultier und Madonna © Studiocanal
Und so bleibt es jede Filmsekunde prickelnd wie Champagner, sich auf die Inszenierungskünste des Enfant terrible der Modewelt einzulassen und gleichsam nach den authentischen Momenten in diesem Reigen überkandidelter Performance zu suchen. Wenn im Kino das Licht erlischt, fällt das Spotlight auf den wahren Jean Paul Gaultier.
WF