Es gibt diese Filme, bei denen man sich fragt: Habe ich so was eigentlich gebraucht? Muss es die Kombination aus The Rocky Horror Picture Show, Braindead, Nip/Tuck, Tanz der Vampire und Robocop in dieser Welt geben? Zumindest die zahlreichen Fans von Repo! The Genetic Opera werden das unbedingt bejahen. Zwar hat dieser Film von Horror-Regisseur Darren Lynn Bousman (Saw II, Saw III, Saw IV und Saw: Spiral) nicht den gleichen Status wie Frank-N-Furters Kult-Musical, aber trotzdem gibt es auf der ganzen Welt hin und wieder Kinovorführungen, bei denen man als echter Fan im passenden Outfit kommt. Und das ist bei Repo! The Genetic Opera gar nicht so weit von denen der Rocky Horror Picture Show entfernt: Goth-meets-Cyperpunk-meets-Chirurgen-Fetisch könnte man den Repo!-Style nennen.
Wer diesem Mann eine Leber oder sein Herz schuldet, sollte besser aufpassen. © Kinowelt GmbH
Die Anfänge dieser wilden Geschichte liegen zugleich im Jahr 1996 und im Jahr 2056. Ursprünglich kam der Autor, Komponist und Schauspieler Darren Smith auf die Idee einer dystopischen Welt im Jahr 2056, in dem Menschen auch ihre Organen verpfänden können. Smith hatte einen guten Kumpel, der so verschuldet war, dass ein "Repo-Man" dessen Wertgegenstände abholte. Smith fand das herzlos und ersann diese zynische Dystopie. Mit seinem Kreativpartner Terrance Zdunich entwickelte er den Vorläufer von Repo!, The Necromerchant's Debt. Das Musical, das 2002 Premiere feierte, erzählt die Geschichte eines Grabräubers, der Organ-Schulden bei einem Repo-Man hat. Im gleichen Jahr füllten sie ihre dunkle Zukunft mit weiteren Charakteren, Handlungssträngen und Liedern – und brachten Ende 2002 Repo! The Genetic Opera an den Start. Wenig später kam Darren Lynn Bousman an Bord: Er finanzierte und drehte einen zehnminütigen Kurzfilm, mit dem er das Thema bei den großen Filmstudios pitchen wollte. Lionsgate biss schließlich an und dürfte es später bereut haben – der Film sammelte eher negative bis schlechte Kritiken, floppte an den Kinokassen und brachte eher Awards ein, die nicht für den Film sprachen. So gewann Paris Hilton für ihre Nebenrolle als Carmela Largo bzw. Amber Sweet einen Golden Raspberry Award als "Worst Supporting Actress".
Aber worum geht es überhaupt? Repo! The Genetic Opera greift immer wieder auf moody gezeichnete Comic-Einspielungen zurück, die uns mit der Backstory versorgen. Im Jahr 2056 hat eine mysteriöse Epidemie 99 Prozent der Menschheit ausgelöscht. Todesursache: Organversagen. Die mächtige Firma GeneCo, geleitet von Bösewicht Rotti Largo, hat das Heilmittel dazu, verbindet die lebensrettenden Shots aber mit fiesen Zahlungsplänen. Wer nicht mit Geld bezahlen kann, zahlt mit seinen noch intakten Organen, denn die braucht es um die rettende Medizin zu produzieren. Diese "Schulden" werden von den "Repo-Men" eingetrieben: maskierte Schlächter, die ein wenig aussehen, als hätte man Chirurgen in OP-Montur einen SS-Mantel über die Schultern gehängt. Sie nehmen wenig Rücksicht drauf, ob ein säumiger Kunde nach der "Organ-Bezahlung" noch lebt. Rotti Largo ist natürlich der reichste Mann der Welt – aber er ist ebenfalls sterbenskrank. Da seine eigenen Kinder eine arrogante, verrückte, verwöhnte, sadistische Freak-Truppe sind, will er sein Vermögen lieber der Tochter seiner Ex-Verlobten vererben. Die 17jährige Shilo Wallace hat auch eine seltene Blutkrankheit, die sie meistens ans Bett fesselt. Ihr Vater Nathan, der zugleich Largos bester Repo-Man ist, lässt sie jedoch so gut wie nie aus dem Haus.
Der Style des Films ist sicher nicht ganz unschuldig daran, dass es zahlreiche Fans gibt, die gerne verkleidet zu den Kinovorführungen kommen. © Kinowelt GmbH
Wie sich die Handlung mit dieser Figuren-Konstellation immer mehr ins Absurde dreht, verraten wir an dieser Stelle erst einmal nicht. Aber man kann es ungefähr an den Titeln der insgesamt 56 Songs ablesen. Die tragen Namen wie "No Organs? No Problemo!", "Lungs and Livers", "Legal Assassin", "Night Surgeon", "What Chance Has a 17 Year Old Girl", "Happiness Is Not a Warm Scalpel" oder auch "We Started This Op'ra Shit!". Damit dürfte auch klar sein, dass man es bei Repo! The Genetic Opera nicht mit einer ernst gemeinten Dystopie, sondern mit einem Freudenfest des schlechten Geschmacks zu tun hat. So richtig gut singen kann eigentlich niemand im Cast, die Musik klingt oft wie mittelguter aber völlig verwaschen produzierter Hardrock, der Plot trieft vor unnötiger Gewalt und Slapstick-artigen Organschlachten. Die Frauen sind durch und durch aufgesext und werden einmal zu oft Opfer von blutigen Attacken – eine Krankheit, die im Horror-Film ja nun wirklich nicht neu ist. Immerhin kann Repo! The Genetic Musical mit einigen starken Frauenrollen aufwarten, die nicht ganz so lächerlich geraten sind wie die geifernden, mordenden Typen im Film.
Und trotzdem: Bei all der berechtigen Kritik kann man leider nicht verhehlen, dass Repo! The Genetic Musical eben auch ein großer Spaß ist. Wer ein Herz für Trash hat, auch gerne mal schief in der Dusche singt und sich vor Chirurgen gruselt, sollte sich diesen außergewöhnlichen Musical-Film mal geben – auch auf die Gefahr hin, dass man danach sein Hirn verpfänden will.
DK