Würde man den Y2K-Kultklassiker Ginger Snaps und den schwedischen Indie-Hit So finster die Nacht kreuzen, käme dabei ziemlich genau so ein Film heraus wie When Animals Dream: eine traurige Teenie-Werwolfgeschichte, festgehalten in kühlen Scandi-Noir-Tönen. Coming of Age trifft hier auf Feminismus, Horror auf Melancholie, das Alltägliche auf das Übernatürliche.
Bereits seit einiger Zeit werden Psycho- und Body-Horror-Welten durch die feministische Linse neu erschlossen. Vor allem die Verwandlung der Frau in ein Biest, Tier oder Monster steht dabei im Vordergrund und erlaubt viele Deutungsformen: Besonders präsent war das Thema natürlich durch den Hype um The Substance, in dem der gesellschaftliche Jugendwahn Demi Moore in eine Albtraum-Kreatur verwandelt. In Ginger Snaps, dem mindestens genauso kultigen Jennifer’s Body oder auch Perpetrator steht die animalische Transformation im Zeichen des Erwachsenwerdens und sexuellen Erwachens seiner pubertären Hauptfiguren. In Nightbitch wird Amy Adams durch ihre Mutterschaft zum Tier, Booger inszeniert die Verwandlung als Ausdruck unterdrückter Trauer und Wut.
When Animals Dream stimmte bereits 2014 in diesen Kanon des feministischen Horrors ein und porträtiert Frauen als inhumane, bestialische Geschöpfe – und zwar solche, die unterdrückt, kontrolliert und gebrochen werden müssen. Das atmosphärische Regiedebüt des Dänen Jonas Alexander Arnby (Suicide Tourist) spielt in einem grauen kleinen Fischerörtchen, dessen karge, triste und monotone Szenerie ein Spiegel seines gesellschaftlichen und zwischenmenschlichen Klimas ist. Die 16-jährige Marie lebt hier mit ihrem Vater, gespielt von Lars Mikkelsen (Sherlock, Die Wege des Herrn), und ihrer katatonischen Mutter. Als die schüchterne Einzelgängerin Änderungen an ihrem Körper bemerkt, entpuppt sich der vermeintliche Frieden ihrer Gemeinde als ein gefährliches Gefängnis.
© 2014 Alphaville Pictures Copenhagen ApS.
Schon die unerwünschten Symptome ihrer Transformation – verstärkte Körperbehaarung, erhöhte Reizbarkeit und ein Unwille, sich patriarchaler Gewalt zu beugen – zeichnen ein deutliches Bild davon, welche Art von Weiblichkeit im Mikrokosmos ihres dänischen Dörfchens toleriert und erwünscht ist. Die Message ist klar: Freie, mündige und selbstbewusste Frauen sind gefährlich. Das muss auch Maries Mutter am eigenen Leib erfahren. Doch die Jugendliche setzt sich zur Wehr und kämpft um ihr Leben – im wahrsten Sinne des Wortes.
When Animals Dream ist eine minimalistische, ebenso fantastische wie brutale Slow-Burn-Metapher, in ihrem Zentrum der Kampf um Selbstbestimmtheit sowie der Konflikt zwischen Sicherheit und Freiheit in einer inhärent frauenfeindlichen Gesellschaft. Und damit wirkt dieses Monster-Drama doch nur zu realistisch.
Christina Wenig