Der leider 1990 verstorbene Autor, Filmhistoriker und Aktivist Vito Russo konnte sich noch Jahre später an jenen Moment erinnern, als er den Film Infam zum ersten Mal sah. Da war er noch ein Kind, aber er sah das, was nur eine der beiden weiblichen Hauptcharaktere offen gestehen wollte: Dass es Liebe war zwischen Karen (Audrey Hepburn) und Martha (Shirley MacLaine), jenen zwei Freundinnen seit College-Tagen, die Seite an Seite in Neuengland eine Privatschule für Mädchen aufgebaut hatten. Russo inspirierte unter anderem dieser Film zu seinem Buch "The Celluloid Closet", das 1981 erschien und sich der Darstellung von Homosexualität im Hollywood-Kino widmete. Denn natürlich erkannte Russo Infam als Film über Homosexualität, den ersten, den Hollywood ins Kino brachte – und er war hin- und hergerissen zwischen der Tatsache, dass sich die zwei weiblichen Hauptrollen augenscheinlich liebten (und ein traumhaftes Paar gewesen wären), Homosexualität im ganzen Film aber nie offen benannt, sondern permanent mit dramatischen Adjektiven wie "unnatürlich" und "schändlich" beworfen wird.
Seitdem ist in weiten Teilen der Gesellschaft zum Glück viel passiert – und das queere Kino der letzten Jahrzehnte ist nicht ganz unschuldig daran. In unserem ARTHAUS-Katalog gibt es neben Infam viele Filme, die das queere Lieben und Leben in all seiner Pracht und/oder Dramatik abbilden. Sei es in den Filmen von des spanischen Regisseurs Pedro Almodóvar La mala educación – Schlechte Erziehung oder Das Kloster zum Heiligen Wahnsinn, in Biopics über das homosexuelle Genie Oscar Wilde, im faszinierenden Thriller The Crying Game, der einem Mainstream-Publikum die Liebe zu einer trans Person zeigt, oder aber im Subkultur-Meisterwerk Oi! Warning, wo ein Punk und ein Skinhead im Schlamm eine der schönsten und wildesten Kussszenen der deutschen Kinogeschichte zeigen.
Diese Filme und viele weitere finden Sie hier auf unserer Themenseite "Queere Geschichten".
DK