Detailsuche

Bild zu Weinprobe für Anfänger: Von der Liebe beschwipst

Weinprobe für Anfänger: Von der Liebe beschwipst

Ivan Calbéracs romantische Komödie mit bittersüßer Note darf man sich ab heute im Kino genehmigen.

29. September 2022

Die Wahrheit liegt bekanntlich im Geist des Weines. Die bittere Wahrheit für Weinliebhaber und -händler Jacques lautet, dass sein täglicher Weinkonsum ihn bald ins Grab bringen könnte. Das Herz! Aber keine Angst, es handelt sich hier nicht um ein veritables Drama. Ihren tiefen Feinsinn offenbart die romantisch-komische Weinprobe für Anfänger von Regisseur Ivan Calbérac, der die Adaption seines erfolgreichen Theaterstücks selbst inszenierte, bei Jacques‘ Auftritt in einer Selbsthilfegruppe von Alkoholikern. Er trinke nur Wein, erklärt er dort, also keine harten Sachen, auch bloß ein paar Gläschen am Tag, naja, es könne auch mal ein Fläschchen sein oder mehr… Wofür er eine Menge wissender Blicke der anderen erntet. Jacques muss aufhören zu trinken, und das fällt ihm alles andere als leicht.

Jacques erkläre Hortense die Unterschiede zwischen Rotwein, Weißwein und Rosé © Bertrand Vacarisas Mandarin & Compagnie/Studiocanal GmbH

Jacques erkläre Hortense die Unterschiede zwischen Rotwein, Weißwein und Rosé © Bertrand Vacarisas Mandarin & Compagnie/Studiocanal GmbH

Damit nicht genug der selbst kreierten Problemchen. Jacques sucht sich neben ärztlichem Beistand auch finanzielle Unterstützung, indem er einen Praktikanten aus einem Heim für jugendliche Kriminelle engagiert. Das bringt ihm zwar steuerliche Erleichterungen, doch in Sachen Arbeitsverweigerung kann Steve es mit Melvilles Bartleby aufnehmen. Er hat die Neigung, sich nicht an die Regeln zu halten. Noch dazu verkehrt Steve in einem Milieu, das Ärger verspricht. Für das Publikum ist seine Art charmant, bei Jacques muss man sich verstärkt Sorgen um die Gesundheit machen angesichts dieser Dreistigkeit. Und dann kommt noch die Liebe ins Spiel …

Video kann aufgrund der gewählten Cookie-Einstellungen nicht gezeigt werden.

Amors Pfeil trifft Jacques in Gestalt von Hortense, die keine Ahnung von Wein hat, aber nach dem Genuss eines edlen Tropfens während des Gottesdiensts die Idee kommt, doch mal in Jacques Laden vorbeizuschauen. Ihre offene Naivität und subtile Anzüglichkeit führen dazu, dass Jacques sich um den Finger wickeln lässt. Dass sie irgendwann als Paar zusammenkommen scheint ausgemachte Sache, aber in solchen Fällen ist der Weg das Ziel.

Schwierigkeiten mit dem Praktikanten? In der Liebe? Der Geist aus der Flasche hilft weiter. © Bertrand Vacarisas Mandarin & Compagnie/Studiocanal GmbH

Schwierigkeiten mit dem Praktikanten? In der Liebe? Der Geist aus der Flasche hilft weiter. © Bertrand Vacarisas Mandarin & Compagnie/Studiocanal GmbH

So bietet Jacques auf Hortenses Bestreben zunächst für eine Gruppe von Obdachlosen und auch für Hortense, Steve sowie einen alten (Chauvi-)Kumpel jeweils eine Weinprobe an. Zum Glück spuckt man bei derartigen Verköstigungen des Traubensafts die Pröbchen wieder aus. Filmisch betrachtet, kommt bei diesen Gelegenheiten alles zusammen, was eine gute französische Komödie der Gegenwart so ausmachen kann. Brillante Darsteller*innen wie Bernard Campan, Isabelle Carré und Mounir Amamra. Dazu mit Toyes in der Champagne eine reizvolle Kulisse. Nicht zu vergessen Dialoge mit blumigem Bouquet und Anspielungen auf gesellschaftliche Verwerfungen, die alles in allem in den außergewöhnlichen Turbulenzen das alltägliche Frankreich aufscheinen lassen. Abgerundet wird das alles von einen gut gereiften Vers Baudelaires: "Um nicht die gequälten Sklaven der Zeit zu sein, berauschet euch; mit Wein, mit Poesie oder mit Tugend." Intelligente Unterhaltung mit dem Prädikat "Vollmundiger Geschmack".

WF

Dazu in unserem Magazin

Arthaus Stores

Social Media