Unter den französischen Filmikonen, die im Olymp der Kinogeschichte thronen, nimmt Alain Delon eine herausragende Stellung ein. Wie kaum eine zweite Person des kulturellen Establishments, wurde er in Frankreich zu einer Figur des öffentlichen Interesses. Ein Lebemann der besonderen Art. Sein großer Erfolg als Schauspieler begann 1960 ausgerechnet mit der Ripley-Verfilmung Nur die Sonne war Zeuge – und mit dem angesichts einiger folgender Interpretationen geradezu visionären Kompliment der Autorin Patricia Highsmith, Delon gelinge die perfekte Verkörperung des faszinierenden, bauernschlauen und rücksichtslosen Hochstaplers. Im selben Jahr trat Delon in Luchino Viscontis Sozialdrama Rocco und seine Brüder auf. Neben der unwahrscheinlichen Ausstrahlung, die ihm die Natur samt seinem außerirdischen Aussehen mit auf den Weg nach oben gegeben hatte, sorgte Delons eigenwillige Art abseits der Leinwand früh dafür, dass man ihm in einer solchen Rolle, ja überhaupt als jegliche Type auf der Leinwand alles Mögliche zutraute. So konnte Delon Spannung selbst in die Drehbücher und Geschichten einbringen, die nicht mit ebensoviel Spannung gesegnet waren, wie der Darsteller selbst an Aura verfügte. Allerdings durfte Delon nach den brillanten Kritiken und dem guten Publikumszuspruch zu Beginn der Karriere nachher eh in so manchem Meisterwerk der Filmgeschichte glänzen – sein Können war in diesem Fall mehr das Sahnehäubchen. Derweil lechzte die Öffentlichkeit nach neuestem Klatsch aus seinem Privatleben, das jahrelang von einer Beziehung zur Kollegin Romy Schneider geprägt war. Die Gerüchteküche um Delon brodelte auch nach dem Split fleißig weiter, und als konservativer Mensch, den seine schwierige Kindheit in einer Pflegefamilie und sicher auch die Zeit als junger Soldat im französischen „Indochina-Krieg“ prägte, trat er in so manches Fettnäpfen, das aus heutiger Perspektive, da man es nun zum Glück etwas genauer nimmt, umso größer erscheint. Allerdings erwarb er sich zugleich durch seine Eskapaden, genauso wie dank vieler Rollen von gebrochenen Helden und veritablen Anti-Helden, den Ruf als ewiger Rebell.
Aus "Eiskalt wie das Schweigen" © Studiocanal
Alain Delon führt längst das aus der Zeit gefallene Dasein einer zurückgezogenen Filmdiva – angeblich nur mit ein paar Haustieren lebt Delon in der Schweiz und meidet das Rampenlicht. Seinen letzten großen Filmauftritt bis dato hatte er vor knapp 15 Jahren in Asterix bei den Olympischen Spielen, als er Julius Caesar spielte. Künstlerisch kann Delon zweifellos auf eine phantastische, Jahrzehnte lange Karriere zurückblicken, im Verlaufe derer er bei aller Konzentration auf den harten Gaunertypen große Vielseitigkeit unter Beweis stellen konnte. Unvergessen sind so unterschiedliche Filme wie Der Chef - Un Flic, Monsieur Klein, Liebe 1962, Vier im roten Kreis oder die Proust-Adaption Eine Liebe von Swann von Volker Schlöndorff. Daneben gibt es zahllose Perlen mit einem überragenden Alain Delon, die im Schatten dieser monstermäßigen Superklassiker stehen aber eine (Wieder-)Entdeckung wert sind und die nun neben bereits genannten Hits im ARTHAUS-Programm zum Einstieg oder zur Weiterbildung in Sachen Alain Delon einladen. Dazu gehören zwei exzellente Thriller unter Alain Jessua: In Der Schocker aus dem Jahr 1973 gibt Delon einen zwielichtig schillernden Arzt, dessen Luxus-Klinik ein furchtbarer Verdacht umweht. 1977 führt er als cooler Polizist in Jessuas Die letzte Warnung – der Erpresser ein spannendes Duell mit dem mediengeilen Psychopathen Armaguedon. Typisch Delons Performance in Der Sträfling und die Witwe, weil man ihm eine Romanze auch dann abnimmt, wenn sie etwas rauerer Gestalt ist. Die Romanvorlage stammt übrigens von Georges Simenon, was stets ein Merkmal für die besondere Qualität des Stoffes ist.
Aus "Der Schocker" © Studiocanal
Eiskalt wie das Schweigen von 1974 wiederum zeigt Delon als gewieften Anwalt, der es mit einer wahren Femme Fatale zu tun hat. Gespielt wird sie von Mireille Darc, mit der Delon im wahren Leben eine lange Freundschaft verband. Als sie 2017 verstarb, dürfte es um Alain Delon, den Schwarm so vieler Kinoliebhaber*innen, in dessen Vita sich Ambivalenz seit jeher ungeniert auf Eleganz reimt, noch etwas einsamer geworden sein.
WF