Welchen Film hast du bei deinem ersten Kinobesuch gesehen?
Ich kann leider nicht mehr sagen, was mein erster Film war, den ich als Kind oder Jugendlicher gesehen habe. Aber mein erster prägender Kinofilm in etwas fortgeschrittenerem Alter war Nell mit Jodie Foster. Von dem war ich ziemlich fasziniert. Gleichzeitig davon, was ein Kinosaal so mit dir macht, wie man als Zuschauer im Kino sitzt und einen solchen Film erfährt im wahrsten Sinne des Wortes.
Woher rührt deine persönliche Faszination fürs Kino?
Dieser Kinobesuch und die Vorführung von Nell – das war definitiv eine Art Schlüsselerlebnis. Ich dachte: Das ist ein Umfeld, in dem ich gerne arbeiten würde. Für mich besteht die Faszination Kino neben dem, was uns alle fasziniert, das filmische Schaffen und die Entdeckung neuer Welten durch unterschiedlichste Genres und Filme, im Kino als Ort. Ich mag die Menschen, die ins Kino kommen und diejenigen, die da arbeiten. Ich mag die Tätigkeit: Filme zeigen und Leute zusammenbringen.
Große Harmonie
Du bist Geschäftsführer mehrerer Kinos, unter anderem des Casino Aschaffenburg. Was steckt hinter den Arthouse Kinos Frankfurt und wie bist du in diese Rolle hereingewachsen?
Das Casino in Aschaffenburg haben wir 2004 eröffnet. Als Team haben wir viel experimentiert und ausprobiert und sind zusammen daran gewachsen. 2016 sind die beiden Frankfurter Kinos Harmonie und Cinéma dazugekommen, die wir vom Vorgänger übernommen haben. Das war ein großer Schritt: jetzt gab es schon zwei Teams und dazu den Unterschied zwischen dem bayrischen, eher ländlich geprägten Aschaffenburg und der hessischen Großstadt Frankfurt. Während der Pandemie kam das Frankfurter Eldorado noch dazu – das war eine Entscheidung, die wir als Team getroffen haben. Wir sind bestimmt in dem Prozess bestimmt ein paar Mal gefallen oder gestolpert und haben Fehler gemacht. Aber insgesamt haben wir uns gut durchgeschlagen und wir stehen von unserer Struktur her gerade ganz gut dar.
Wie ist die Geschichte der Harmonie und ihrer Räumlichkeiten?
Die Harmonie ist schon immer als Programmkino bekannt. Früher war die Harmonie auch mal ein Tanzsaal, ein Café war auch eine Zeitlang dabei. Die Harmonie ging durch verschiedenste Hände. Irgendwann wurde aus dem Café ein zweiter Saal gemacht, wir haben dann das Foyer aufgebrochen. Es ist zwar immer noch nicht groß, aber größer als früher, außerdem wurden Treppen verlegt und andere Umbauten vorgenommen mit der Absicht, neben den Kinosälen Orte zu schaffen, wo sich Leute treffen und zum Beispiel über Filme austauschen können.
Name: Harmonie – Arthouse Kino Frankfurt
Stadt: Frankfurt
Aktuelles Programm: https://www.arthouse-kinos.de/die-kinos/harmonie/
Eröffnet: 1920
Kapazität: 2 Säle, 186 und 84 Sitze
Betreiber*in: Arthouse Kinos Frankfurt/ Geschäftsführer: Christopher Bausch
Besondere Merkmale: Bar-Atmosphäre
Wie würdest du die Ausrichtung des Harmonie-Filmprogramms beschreiben?
In Frankfurt haben wir die Möglichkeit, jedem Haus ein eigenes Profil zu geben – und die Harmonie biete in dem Konstrukt das jüngste Programm. Dort laufen viele Filme im Original mit Untertiteln, es gibt zahlreiche Sonderveranstaltungen und Filmreihen – von "Schamlos Harmlos", unserer subkulturell-queeren Filmreihe über die Arthouse-Sneak "Spotlight", bis zu "Audiophil", der Musikfilmreihe. Seit dem Ende der Pandemie kommt ein sehr junges und diverses Publikum. Ich vermute, dass die viel gestreamt haben während Corona und jetzt froh sind, vor Ort auf Gleichgesinnte zu treffen.
Wie ist es insgesamt um die Kinolandschaft in Frankfurt bestellt (und wie sehr hat sich diese in den letzten Jahren und Jahrzehnten aus deiner Sicht verändert?)
Frankfurt hat insgesamt schon eine gute Kinolandschaft. Von der Astor Lounge, die sich als Premiumkino definiert bis hin zu einem großen Cinestar Multiplex, auch in der Peripherie gibt es verschiedene Multiplexe. Es gibt mit uns die großen Arthouse Kinos, wir haben dann noch das Mal Seh‘n-Kino und das Filmforum Höchst, die mit jeweils einem Saal wirklich Filmkunst spielen. Das Kino im Deutschen Filminstitut & Filmmuseum DFF hat noch mal einen ganz anderen Auftrag, restrospektiv und thematisch Sachen aufzuarbeiten. Von daher ist in Frankfurt alles vertreten. Nichtsdestotrotz ist es schade, dass während der Pandemie das Berger-Kino zugemacht hat in einem Stadtteil, in dem es gerade kein Kino gibt. Auch das Orfeo zeigt zwar wieder mehr Filme, aber nicht sieben Tage die Woche. Für mich gilt: Je mehr Kino, desto mehr Kinobegeisterte in der Stadt.
Christopher Bausch
Sollte das Kino ein politischer Ort sein – und gibt es eine spezielle Bindung der Harmonie ans Stadtviertel?
Kinos sind per se politische Orte, weil wir programmatisch so viel abdecken und auch in der Harmonie Filme zeigen, die zum Diskurs und zum Austausch anregen. Als Programmmacher*innen sollten wir generell auf möglichst breite Vielfalt im Filmangebot achten – und uns im Zweifel auch nicht scheuen, mal etwas nicht zu zeigen, wenn es nicht unserer eigenen Gesinnung entspricht. Grundsätzlich soll das Publikum urteilen. So gesehen sind wir politisch, nehmen aber als Kino keinen Einfluss auf politische Geschehnisse. Die Harmonie und das Stadtviertel – das ist ganz witzig. Sachsenhausen ist jetzt nicht so das Studentenviertel, Alt-Sachsenhausen eher klassisch hessisch, Äppler, viel Gastronomie. Aber das Haus steht eben für so ein Programm. Leute fahren extra zu uns. Es ist nicht so, dass wir mitten im Studentenviertel sitzen.
Welche Bedeutung hat die Auszeichnung mit dem Spitzenpreis des BKM für das Harmonie-Jahresprogramm 2022?
Wir haben uns sehr darüber gefreut, haben auch sehr viel Lob, Zuspruch und Glückwünsche von unseren Gästen, den Kolleg*innen der Frankfurter und der hessischen Filmbubble bekommen.. Wir hatten gar nicht damit gerechnet, hatten uns aber tatsächlich nach uns nach der Pandemie sehr viel Mühe gegeben. Wir haben damals sofort gesagt: Wir bieten die Oper wieder an im Cinéma. Wir bieten die Filmreihen wieder an, auch wenn noch nicht so viele Leute kommen. Wir holen unsere Kooperationspartner wieder ins Boot. Wir schreiben die Schulen an. Wir spielen wieder Matinée-Vorstellungen, obwohl wir eigentlich nicht genug Personal haben. Das war am Anfang sehr hart und manchmal auch frustrierend. Umso schöner zu sehen, dass das gewürdigt wird. Neben dem programmatischen Aspekt hat die Jury sicher auch bedacht, dass wir nach Corona gleich wieder Vollgas gegeben haben.
Harmonische Gemütlichkeit
Wo liegt in deinen Augen die Zukunft des Kinos?
Ich kann das natürlich nur aus der Perspektive des Kinobetreibers beurteilen. Wir merken, dass uns gewisse Entwicklungen, die wir auch während der Pandemie hatten – Streaming und Co – kurzzeitig wehtun. Aber der Trend geht ganz klar zum Kino. Wir merken das selbst in Monaten mit weniger Startterminen: Die Leute sind da, sie wollen ins Kino. Jedes Kino für sich an seinem jeweiligen Ort muss sich vielleicht ein bisschen mehr Gedanken machen als früher, als die Leute primär wegen dem Film gekommen sind. Damit die Leute kommen, müssen sie gerne an den Ort kommen. Sie müssen ihren Film dort gucken wollen. Das reicht vom gut ausgestatteten, gemütlichen, warmen, gut vertonten Bestes-Bild-Qualitätssaal bis zu den passenden gastronomischen Angeboten. Dazu Filmgespräche, Filmreihen für die unterschiedlichsten Zielgruppen, Angebote für Kinder und Jugendliche. Auch wenn Kino oft totgesagt wurde, bleibt es ein sozialer Raum, an dem Menschen zusammen kommen, um für zwei Stunden gemeinsam ein Erlebnis zu haben. Ich habe da wirklich keine Sorge.
Welchen Film möchtest du unbedingt noch mal (oder zum ersten Mal) im eigenen Kino sehen?
Wer früher stirbt ist länger tot. Das war damals unser erster großer Erfolg im Casino in Aschaffenburg und ich weiß, dass ich den immer mal in Ruhe gucken wollte, weil das Publikum damals so angetan war, ich aber wegen des Trubels nie dazu kam, ihn auf der großen Leinwand zu sehen…
WF