Die erste Szene mit Romy Schneider ist in jedem ihrer Filme ein Spektakel. Selbst in den kommerziell weniger erfolgreichen wie Die Hölle oder Halb Elf in einer Sommernacht ist es immer wie ein schöner Schock, wenn sie die Handlung betritt. In Claude Sautets César und Rosalie begegnen wir Romy Schneider, als sie vor einem Schminkspiegel sitzt. Eine Szene, die im Rückblick wie die Essenz dieses freien Charakters Rosalie wirkt. Denn obwohl sie sich ganz offensichtlich schön macht für "ihren" César, in dessen Haus sie sich befindet, und der Beutel mit den bunten Wattebäuschen auf dem Schminktisch geradezu grotesk groß anmutet, stellt sie schon mit ihrer ersten Zeile klar, dass sie hier den Ton angibt: "Bist du verrückt? Kannst du nicht klopfen?", fährt sie César an, als dieser in ihr Zimmer platzt. Ein Alltagssituation, klar, aber jener César – gespielt von Yves Montand – ist an dieser Stelle schon derb gezeichnet als zwar sympathischer aber gockeliger "Macher", der sich in seiner eigenen, höchst erfolgreichen Firma von niemanden rumkommandieren lässt. Es ist ein kleiner Vorgeschmack auf die Machtverhältnisse dieser Ménage-à-trois, zu der sich später noch der junge Ex von Rosalie, David (Sami Frey), gesellen wird. Diese Szene, Romys Erscheinung und ihr Spiel lassen zudem an ein Zitat von Sautet über Romy Schneider denken. Er sagte einmal: "Ihr Gesichtsausdruck kann sich abrupt verändern, von männlich-aggressiv in sanft-subtil." Genau das lässt sich in jener Szene besonders gut beobachten.
Romy-Schneider-Biograf Günter Krenn bezeichnete César und Rosalie sehr treffend als "eine Art burleskes Jules und Jim an dessen Ende der Beginn einer großen Männerfreundschaft steht." Und befindet: "Konsequenterweise entzieht sich Rosalie daher immer wieder äußerlichen Erwartungen und kehrt erst nach eigenem Entschluss wieder in die jeweilige Partnerschaft zurück. Sautet spricht bei dieser Arbeit von einer ‚Autopsie der Gefühle‘ und achtet sehr darauf, dass das Fundament seiner verstrickten Liebesgeschichte zwischen drei Menschen die unverkennbare Freude am Leben ist."
Tatsächlich ist genau diese Freude nicht nur Fundament sondern auch Antriebskraft der Story und der Grund, warum die von den Produzenten aus Frankreich, Italien und Deutschland gewählte Einschätzung, es handele sich bei César und Rosalie um ein "Liebesdrama" die Sache irgendwie nicht so recht trifft. Sicher, es werden Herzen gebrochen, aber vor allem das hier oft erstaunlich gelöste Spiel Romy Schneiders und das überzeichnete Buhlen Césars und des fast zu schönen David sorgen für diese eher leichte Stimmung, die den Film vor allem in Frankreich in seinem Erscheinungsjahr 1972 zum Kassenschlager machte. Die Klatsch- und Society-Blätter verliebten sich wieder einmal neu in Romy Schneider. So befand zum Beispiel die viel gelesene Boulevard-Zeitung France Soir hymnisch: "Romy ist eine begnadete Rosalie, schön, bewegend, fröhlich. Die Rolle ist ihr auf den Leib geschrieben. Ein Leckerbissen!"
Das versammelte Dreieck: David, Rosalie und César © 1972 STUDIOCANAL - Mega Films (Italie) - Paramount Orion Film Production (Allemagne). All rights reserved.
Erstaunlicherweise irrt France Soir genau an diesem Punkt: Sautet - der vor seiner Regiekarriere selbst lange Drehbuchautor war und angeblich von François Truffaut einst als "Drehbuch-Besohler" bezeichnet wurde – schrieb die Rolle nicht Romy Schneider auf den Leib. Seine Wunschkandidatin war anfangs Catherine Deneuve, gefolgt von Marlene Jobert und Annie Girardot – die allesamt nicht zur Verfügung standen. Als er das Drehbuch dann aber an seine gute Freundin Romy Schneider schickte, schrieb sie Sautet ein Telegramm, in dem sie sehr deutlich machte, dass sie die Rolle wolle: "Schon zweimal gelesen. Was für eine wunderschöne, wundervolle, rührende, schöne, schöne, schöne Geschichte. Ich lache, ich weine. Ich will es."
Es ist erstaunlich, dass die Freundschaft und enge Arbeitsbeziehung der beiden einen so wichtigen Status in der Kinogeschichte haben. Romy Schneider sei Sautets Muse hieß es, er nannte sie später oft zärtlich "Rominette". Umgekehrt interpretierte man Sautet als eine Art Vaterersatz für Romy Schneider, deren Vater die Familie früh verlassen hatte und der im Jahr 1967, kurz bevor Schneider und Sautet sich zum ersten Mal begegneten, schließlich verstorben war. Gleichzeitig waren gemeinsame Dreharbeiten stets von einer besonders intensiven Stimmung geprägt. Romy Schneider war oft nervös am Set von Sautet-Filmen, einerseits getrieben vom Wunsch, es ihm recht zu machen und das Maximum aus ihrem Spiel herauszuholen, anderseits hatten die beiden eine Gefühlsbeziehung, die weit über ein reines Zusammenarbeiten hinausging und die durch zahlreiche Telegramme und Briefe belegt ist.
Rosalie in der Atelier-Wohnung des Comiczeichners David © 1972 STUDIOCANAL - Mega Films (Italie) - Paramount Orion Film Production (Allemagne). All rights reserved.
Sautets Umgang mit Romy Schneider war dabei ein Zusammenspiel aus Freundschaft, Respekt aber auch Manipulation und Anweisung. Stundenlang feilte er mit Romy an ihrer Aussprache des Französischen, weil er die perfekte Balance zwischen geschliffener deutscher Härte und dem weichen Klang seiner Muttersprache erreichen wollte. Und Sautet achtete stets darauf, dass Romy Schneider ihr schönes Gesicht ungeschützt der Welt präsentierte, ohne dass sie sich unter ihrer Haarpracht verstecken konnte, wie sie es privat gerne tat. Sautet sagte einmal, er sei einer der wenigen, die ihre Schüchternheit erkannt hatten – und Romy Schneider deshalkb immer wieder in Situationen zwang, in denen sie diese überwinden musste.
Dass noch immer viel über die Freundschaft der beiden gesprochen wird, liegt aber vor allem an den Früchten ihrer Zusammenarbeit und deren Auswirkungen auf ihre Karrieren. Fünf Filme drehten die beiden gemeinsam: Die Dinge des Lebens (1970), Das Mädchen und der Kommissar (1971), César und Rosalie (1972), Mado (1976) und Eine einfache Geschichte (1978). Sautet etablierte sich vor allem durch diese Filme als erfolgreicher Regisseur und fand mit Die Dinge des Lebens endlich zu seiner Form, während Romy Schneider dank Sautets Filmen zum Publikumsliebling ihrer Wahlheimat Frankreich wurde. Der namhafte französische Filmjournalist Jean-Pierre Lavoignat, der sich oft und intensiv mit Romy Schneiders Leben und Kunst beschäftigt hat, befand über ihren Einfluss auf Sautet: "Ohne sie wäre seine Arbeit nicht so warm gewesen, so inkarniert, so sinnlich, so leuchtend."
Rosalie im Kreise ihrer Familie, ihrer Liebhaber und ihrer Freunde © 1972 STUDIOCANAL - Mega Films (Italie) - Paramount Orion Film Production (Allemagne). All rights reserved.
Als die beiden sich 1969 zum ersten Mal trafen, lag bei Claude Sautet wie bei Romy Schneider gerade ein Hauch von Neuanfang in der Luft. Schneider hatte einige wenige erfolgreiche Jahre hinter sich, mit dem Dreh von Der Swimming Pool von Jaques Deray aber zurück zu altem Glanz gefunden. Ihre Darstellung der Marianne, an der Seite ihrer ehemaligen Liebe Alain Delon und der jungen Jane Birkin als Penelope, gilt heute als legendär, damals mussten jedoch Deray und Delon die Produzenten mit großer Vehemenz überzeugen, an Schneider als Hauptdarstellerin festzuhalten. Claude Sautet traf Schneider in den Filmstudios in Boulogne-Billancourt, wo Romy gerade ihre Rolle für das Deutsche und das Englische synchronisierte, wie sie es immer tat. "Ich habe sie zum ersten Mal in einem schlecht beleuchteten Gang in Billancourt getroffen", erzählte Sautet später. „Ich habe sie nicht angesprochen. Ich spürte vage ihre Intelligenz, aber auch, dass sie noch viel mehr Gaben besitzt. Ich kannte sie nicht, hatte sie in keinem Film gesehen, nicht einmal in ‚Sissi’.“ Und trotzdem spürte er, dass sie jene Darstellerin war, die ihm noch für die Romanverfilmung Die Dinge des Lebens von Paul Guimard fehlte.
Sautets Karriere war damals ein wenig ins Stocken geraten. Fünf Jahre lang hatte er keinen Film mehr gedreht, wirkte nach dem eher übersichtlichen Erfolg seiner frühen Filme wie Die tolle Residenz mit Louis de Funès (1955), Der Panther wird gehetzt (1960) und Schieß, solange du kannst (1965) fast ein wenig zaghaft, war jedoch nicht bereit, seine Regie-Ambitionen schon aufzugeben. Die Arbeit mit Romy war deshalb für ihn wie ein "kreativer Donnerkeil", der in seine Karriere fuhr. So bezeichnete er das Erlebnis später. "Gleich zu Beginn der Dreharbeiten zu Die Dinge des Lebens begriff ich, dass ich das Glück gehabt hatte, eine Frau und Schauspielerin in einem tragischen Augenblick zu treffen", erinnerte er sich später in einem Interview. "Denn Romy ist eine strahlende und zugleich gequälte Frau; eine Schauspielerin, die schon alles wusste, es aber noch nie hatte ausdrücken können. Romy hat eine unglaubliche Lebendigkeit, die geradezu animalisch ist."
Zugleich sah Sautet die Arbeit mit einer Frau wie ihr als Herausforderung an die eigenen Ansprüche und Fähigkeiten, denn: "Romy ist keine gewöhnliche Schauspielerin, sie steht sehr hoch am Firmament. Sie hat diese Vielschichtigkeit, die nur die ganz großen Stars haben. Ich habe sie hinter der Kamera gesehen, konzentriert, nervös, mit einer Vornehmheit und Impulsivität, einer inneren Haltung, von der Männer sich bedrängt und gestört fühlen. Romy erträgt weder die Mittelmäßigkeit noch den Verfall von Gefühlen."
Rosalie mit ihrer Schwester und ihrer Tochter © 1972 STUDIOCANAL - Mega Films (Italie) - Paramount Orion Film Production (Allemagne). All rights reserved.
Diese tiefe, ehrliche Bewunderung des Anderen findet sich auch in Romy Schneiders Aussagen über Claude Sautet. Im Jahr der Dreharbeiten zu César und Rosalie sagte sie über ihn: "Er ist mein Lieblingsregisseur, weil er ein Freund der Schauspieler ist." Später betonte sie oft, dass er nicht nur Freund sondern auch Mentor gewesen sei: "Ich habe mit sehr berühmten Regisseuren gedreht, doch am tiefsten empfand ich das Vertrauen zu ihm. Er hat mich Die Dinge des Lebens gelehrt – er hat mir etwas über mich selbst beigebracht." Vielleicht muss man diese Aussagen von Romy Schneider kennen, damit jene von Claude Sautet, in denen er sagt, dass er in ihr Dinge sah, die noch nie jemand anderes in ihr gesehen hatte, weniger anmaßend erscheinen zu lassen.
Die Rolle der Rosalie verdeutlicht eine weitere Qualität, die Romy Schneider an Sautet schätzte: "Er hat mir Vertrauen entgegengebracht, wo so viele andere mich für eine schöne, aber dumme Frau hielten. Er hat für mich Rollen geschaffen, Menschen mit verschiedenen Facetten, komplexe Persönlichkeiten, perfekte Porträts der modernen Frau. Frauen, die für ihre Emanzipation kämpfen und heute noch fürchterliche, riesige Vorurteile aufgrund ihres Frauseins erdulden müssen."
Rosalie und David treffen sich auf einer Hochzeit wieder © 1972 STUDIOCANAL - Mega Films (Italie) - Paramount Orion Film Production (Allemagne). All rights reserved.
César und Rosalie ist schon ein guter Beleg für Romy Schneiders Aussage, dennoch sieht man diesem Film deutlich an, dass Sautets Haupt-Sujet zu dieser Zeit eher die Midlife Crisis des Mannes ist, dessen Leben zwar hier von einer sehr modernen Frau durcheinandergewirbelt wird, der aber immer im Mittelpunkt der Geschichte steht. Das änderte sich erst bei der letzten Zusammenarbeit der beiden für Eine einfache Geschichte aus dem Jahr 1978 – zwei Jahre, bevor sich Romy Schneider und Claude Sautet 1980 nach einem Streit aus den Augen verlieren sollten. Der letzte gemeinsame Film ist vielleicht die perfekte Annäherung der beiden. Es war schließlich der erste, in dem Sautet ihr zum 40. Geburtstag eine Rolle auf den Leib schreiben wollte, nachdem sie ihm kurz zuvor gesagt hatte: "Ich hätte gerne, dass du eine Frauengeschichte schreibst, denn ich habe die Nase voll von den ewigen Männergeschichten." Und so kam es, dass ausgerechnet der Regisseur und Autor, der – zwar nicht ohne Selbstironie aber schon mit deutlichem Fokus auf die Leiden der Männer – zuvor auf diese "Männergeschichten" abonniert war, einen Film schrieb, in dem er sich "eindeutig auf die Seite der Frauen gestellt und die Männer nur als zweitrangige Figuren in die Handlung eingebracht" hätte, so Sautet.
Claude Sautet starb im Jahr 2000 in Paris, Romy Schneider bekanntlich am 29. Mai 1982, ebenfalls in Paris. Kurz vor ihrem Tod stellte die stets selbstkritische Romy Schneider noch eine Liste auf, in der sie auf all ihre Filme blickte und zehn davon als "gut" kennzeichnete. Neben Arbeiten mit Luchino Visconti und Orson Welles sind unter jenen zehn Filmen alle fünf, die sie in den elf Jahren ihrer Freundschaft mit Claude Sautet gedreht hatte. Der wohl letzte und schönste Beweis, dass Romy und Claude etwas ganz Besonderes verband.