Die Kriminalgeschichten Agatha Christies führen bei aller heißblütigen Leidenschaft, die in blutigen Verbrechen mündet, meist zu einem berechenbaren Ende. Meisterdetektiv*innen wie Miss Marple oder Hercule Poirot versammeln im Finale die Verdächtigen um sich, während sie einen komplexen Fall penibel aufrollen und die Täter entlarven. Kenneth Branagh zeigte zuletzt in seiner Neuverfilmung des Klassikers Tod auf dem Nil, wieviel Selbstzweifel dabei einem Charakter wie Hercule Poirot heute noch anzudichten beziehungsweise abzuringen ist. Der wurde da plötzlich von den Verdächtigen als Freak tituliert und seine Vita mit einer tragischen Liebesgeschichte samt traumatischen Erlebnissen im Ersten Weltkrieg versehen.
Hitzige Gespräche bringen die Wahrheit ans Licht © Studiocanal
In der Romanadaption des Regisseurs Guy Hamilton, der schon 1980 mit Mord im Spiegel einen Fall Miss Marples auf höchst stilvolle Weise verfilmt hatte, erscheint das Menschliche der überschlauen belgischen Spürnase noch einzig und allein in dessen Allüren … und bei aller gewitzten geistigen Frische natürlich auch in den alltäglichen Schwächen. So ist der von Peter Ustinov im Jahre 1982 mit Leib und Seele verkörperte Poirot (für die deutsche Fassung synchronisierte sich Ustinov übrigens selbst samt französelndem Akzent) nicht gerade hitzebeständig. Er hat schwer unter den Wetterbedingungen auf jener fleißig von der Sonne beschienenen Mittelmeerinsel zu leiden, die ihn auf der Suche nach einem verloren gegangenen Diamanten ganz nebenbei zur Aufklärung eines genial eingefädelten Mordes verdammt.
Immer cool, egal in welcher Rolle: Diana Rigg © Studiocanal
Das Böse unter der Sonne wurde an diversen realen Schauplätzen auf Mallorca gedreht. Und das Wissen darum macht den Art-Deco-Stil der Kostüme in Kombination mit den 1980er-Jahre-Frisuren der Figuren, dem gewohnt aufs herrlichste herbei konstruierten Plot des Mordgeschehens sowie der listigen Überführung der Mörder zu einem wahrhaft zeitgemäßen Vergnügen – zu einem Urlaub von der Wirklichkeit, bei dem man weder auf Strand noch Sonne verzichten muss und schon gar nicht auf ein so wundervolles und geradezu nostalgisch stimmenden Ensemble mit Stars wie Jane Birkin, Maggie Smith oder Diana Rigg. Das alles, während man es sich im Schatten des Heimkinos bequem macht und die reale Hitze draußen bleibt.
Die Gelassenheit in Person: Maggie Smith © Studiocanal
Auch darf man sich getrost ein Vorbild nehmen an Monsieur Poirot, der wie kein Zweiter Arbeit und Vergnügen miteinander vereint und angesichts des sengenden Sommers stets kühlen Kopf bewahrt. Anders als jüngst bei Kenneth Branagh nutzt er dafür nur seinen Verstand als Waffe. Mit der hinzu gekommenen biografischen Note und der geradezu unheimlichen Wendung in Poirots Leben, die wir Branaghs Interpretation verdanken, schaut sich zwar auch dieser Klassiker noch mal neu. Doch selbst ohne dieses Wissen fühlt sich man sich am Ende verblüffend und abenteuerlich erfrischt, als habe man zwei Stunden lang in einem Haifischbecken geschnorchelt.
Für jedes Wetter gibt es die passenden Klamotten © Studiocanal
WF