Der 11. November 1925 markiert ein Datum der Filmgeschichte, das auf den zweiten Blick wichtiger erscheint als auf den ersten. Dabei handelt es sich um den Geburtstag eines Filmemachers, der in seinem Werk den ersten und den zweiten Blick gleichberechtigt behandelte. Der Wiedererkennunsgwert der Stars, die er für die Hauptrollen gewinnen konnte, war ebenso hoch wie die Nachhaltigkeit der Szenen, in denen sie brillieren durften. Man denke nur an Steve McQueen und Paul Newman in Flammendes Inferno.
Doch unter den Oberflächen ließ Guillermin stets etwas mitlaufen, das schwerer zu beschreiben ist als das, was sich gleich benennen lässt. So schaffte der Brite es, in seiner waghalsigen Adaption von King Kong aus dem Jahr 1976 Assoziationen an die damals herrschende US-Barbie-Kultur, für die damaligen Verhältnisse recht offene Ansichten zur kolonialen Praxis, Kritik an kapitalistisch motivierter Umweltverschmutzung und spannende Unterhaltung zu vereinen. Möglich wurde das auch, weil diese King Kong-Variation nicht wie zunächst geplant originalgetreu in den 1930er Jahren spielte.
Geben dem Affen Zucker: Jessica Lange und Jeff Bridges © Studiocanal
Der Film strahlt heute etwas Visionäres aus, nicht nur weil der Showdown auf den Türmen des World Trade Centers stattfindet. Das Kino-Spektakel, das die Geschichte einer Öl-Expedition zu einer Insel im Südpazifik zeigt, auf der King Kong lebt und wo er sich bald in die von einer havarierten Jacht zur Petrox-Truppe gestoßenen Dwan verlieben wird, beschwört aus jetziger Perspektive so einige Zukunftsszenarios. Ja, der Kong der Siebziger scheint geradezu schamanistischen Geist zu besitzen.
Die Karriere einer Jessica Lange nahm mit ihm ebenso ihren Anfang wie die Laufbahn eines gewissen Jeff Bridges – bestens bekannt als der Dude aus The Big Lebowski. Bridges spielt in Guillermins King Kong den Mahner und Mann der Tat. Eine Figur, die frühere Filmcharaktere aus anderen Action-Fantasy-Katastrophen-Film-Amalgamen – nehmen wir den von Richard Dreyfuss verkörperten Meeresbiologen Matt Hooper aus Der weiße Hai (1975)– wesentlich vorweggenommen haben dürften. Dennoch ist Guillermin als Vorbild (!) eines Steven Spielberg im Rückblick nicht zu unterschätzen – überhaupt hat er zur Entstehung des gerade genannten Genre-Mischmaschs so entscheidend mitbeigetragen, dass man sich fragen darf, ob Jurassic Park ohne John Guillermins Pionierarbeiten wie dessen Tarzan-Streifen aus den 1950er und 1960ern jemals in dieser Form hätte entstehen können.
Alle Stars an Bord: "Tod auf dem Nil" © Studiocanal
Eine rhetorische Frage und doch reine Spekulation. Fest steht, dass neben seiner Agatha Christie-Verfilmung Mord nach Maß der erst kürzlich von Kenneth Branagh reinterpretierte Tod auf dem Nil aus seinem Opus heraussticht. Dessen Whodunnit-Plot stammt ebenfalls aus der Feder der englischen Krimi-Meisterin. Bei Tod auf dem Nil konnte Guillermin sich sowohl als Dompteur eines imposanten Star-Ensembles mit Granden wie Maggie Smith, Bette Davis, Mia Farrow, Peter Ustinov und David Niven beweisen. Gleichzeitig durfte er zeigen, dass er bei aller Leine für die Stars den roten Faden der Handlung nie aus der Hand lassen würde und wurde damit dem Händchen Christies für fesselnde Plots gerecht. Die Dampferfahrt über den Nil muss sowieso ganz nach dem Geschmack des Abenteurers gewesen sein, der zeitlebens in in ihm steckte. Ohne Mut zum Risiko hätte er sich zehn Jahre später sicher nicht an die Fortsetzung seines 1970er-Jahre-Blockbusters King Kong gemacht.
Im wilden Geschehen von King Kong lebt, der vorletzten großen Produktion, bei der er 1986 Regie führte, ist wieder dieses Unterschwellige im Offensichtlichen zu spüren – und allmählich müsste der Letzte ahnen, dass es das Schlagen des großen Herzens und das Pulsieren der cineastischen Leidenschaft ist, mit denen dieser Blockbuster wie all die übrigen Filme Guillermins realisiert wurden. In den Filmen schlägt das Herz für immer weiter, auch wenn der Mann, der den Dude mit Kong bekannt machte, am 27. September 2015 in seiner Wahlheimat Kalifornien verstorben ist.
WF