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Bild zu Der Mann, der vom Himmel fiel: Das fremde Wesen David Bowie

Der Mann, der vom Himmel fiel: Das fremde Wesen David Bowie

Durch Nicolas Roegs Der Mann, der vom Himmel fiel hat unser Autor David Bowie für sich entdeckt. Erinnerungen aus Anlass der Veröffentlichung einer Limited Steelbook Edition auf 4K Ultra HD

21. März 2023

Ich habe David Bowie über die Jahre – seitdem ich ihn für mich entdeckt habe, als ich in den 1980ern leicht verspätet Der Mann, der vom Himmel fiel auf Video sah – als ein Wesen kennengelernt, über das es keine Gewissheiten geben kann.

Manche behaupten, der 2016 verstorbene Bowie sei der letzte Vertreter des Star-Systems gewesen. Ein Mensch, der für die Öffentlichkeit vollkommen zur Projektionsfläche wurde, besser gesagt zu verschiedenen Figuren, dessen wahre Persönlichkeit allerdings kaum je zu greifen war. Das Gegenteil der "Prominenten", wie man sie heute kennt, die ihr Privatleben zu Markte tragen, um dadurch "jemand zu werden". Bowie war immer der Andere, das Andere, die Andere. Ein Genderstern aus Fleisch und Blut.

1976 hatte David Bowie schon einige phantastische Alben veröffentlicht. Wobei er sich diversen Verwandlungen hingab, die ihn stets ein Stück entrückter und geheimnisvoller, begehrens- und bewundernswerter erscheinen ließen. Den fast noch kindlich-naiven Folksongs seiner Debüt-LP von 1967 folgten bald psychedelischere Töne. Bemerkenswert ist der Zurück-auf-Null-Restart, indem Bowie auch sein zweites Album wie das erste nach sich selbst benannte (wobei es andere Versionen gibt). Ganz allmählich wurde Bowie zu jener fabelhaften Kreatur, die ganze Romane, Bühnenstücke oder Filme in einem Song erzählen und dabei im Kopfkino (anders als der kauzige Dylan) selbst die Hauptrolle übernehmen konnte – "Space Oddity" und "The Man Who Sold The World" sind frühe Beispiele.

Bowie im Mittelpunkt des Interesses © Stduiocanal

Bowie im Mittelpunkt des Interesses © Stduiocanal

David Bowie wurde zum Rock-Alien Ziggy Stardust, begleitet von den Spiders From Mars – und er bewegte sich auf dem dünnen Ast zwischen Progrock und Musical auf die Schatten von Punk und auf die dunklen Pfade seiner Berliner Trilogie zu. "Heroes" aus dieser Ära wurde zu seinem Signature Song. Auf dem Weg von der überkandidelten Glamphibie hin zum urbanen Thin White Duke des Albums "From Station To Station" spielte er dann in Nicolas Roegs Der Mann, der vom Himmel fiel einen geheimnisvollen Außerirdischen. Seine erste schauspielerische Leistung außerhalb des echten Lebens und Musikbusiness.

Angesichts des großen Lobes für die Darbietung erklärte Bowie, er habe sich im Film nur selbst gespielt. Wenn man Der Mann, der vom Himmel fiel heute sieht, den Roeg nach dem sehr erfolgreichen Wenn die Gondeln Trauer tragen mit ebenso viel tiefenpsychologischem Spin drehte, erscheint diese Aussage so plausibel wie abwegig zugleich. Der Performer Bowie war eben nicht von dieser Welt, aber in unserer Welt hat er einen Nerv getroffen, ohne als besonders ausgefeilter Poet, Method Actor oder musikalischer Virtuose aufzutrumpfen. Kein Dylan, kein Hendrix, kein Brando. Aber Stil und Haltung sind nun mal die Essenz von Pop – und Bowie brachte Spannung in körperliche und geistige Angelegenheiten. Er war androgyn und konnte sexuell eindeutig sein. Er war streng konzeptuell und warf Konzepte über Bord, wenn es ihm passte. Er war ätherisch und präsent, verletzlich und unverwundbar.

Wie man sich bettet so (f)liegt man © Studiocanal

Wie man sich bettet so (f)liegt man © Studiocanal

Bowie blieb ein launischer Wandlungskünstler, auch wenn er mal unter dem Radar flog. Schon zeitlebens schien sein Geist im Körper Kurt Cobains neu geboren. Cobains eigenwillige Unplugged-Version von "The Man Who Sold The World" machte Bowies Original 1993 fast schon zur Cover-Version. Mit dem Nirvana-Sänger gab es endlich auch jemanden, der Bowie die Show stehlen konnte und ihm in gewissem Sinne die Last der Verantwortung nahm, allein eine Möglichkeit des Ausbruchs aus den Zwängen der bürgerlichen Gesellschaft im Popkosmos zu personifizieren (und dabei auch noch über den Dingen zu schweben wie eine moderne Gottheit). Mal abgesehen davon, dass auch Michael Jackson oder Madonna dies inzwischen für andere Zielgruppen vermochten, gehörten Cobain und Bowie verschiedenen Konfessionen an. Cobains Religion war die Kirche der Authentizität, sein Leben endete tragisch und abrupt. Bowie starb an Krebs, zwei Tage nach seinem 69. Geburtstag, an dem sein letztes Werk "Blackstar" erschienen war. Bis zum bitteren Ende schien alles perfekt inszeniert.

Bowies notorischer Hit "Space Oddity" stammt aus dem Jahr 1969, als der Summer of Love mit Woodstock seinen Höhepunkt erlebte und bevor Altamont und Charles Manson das Hippietum erledigten – siehe Tarantinos Once Upon A Time In Hollywood. Wer konnte nach Manson auf dem Cover eines Musikmagazins wie des US-amerikanischen Rolling Stone landen und damit die bürgerliche Welt schocken? Ein Marsianer aus Großbritannien. Als "Fremder" im Betrieb hat David Bowie lange durchgehalten, auch weil er stets neue Variationen seiner selbst zu schaffen imstande war und dauernd zeitgemäße Kooperationen suchte. David Bowie war nicht immer da, aber er war auch nie wirklich weg.

Meine ersten Begegnungen mit Bowie fanden wie gesagt den 1980er Jahren statt, neben Der Mann, der vom Himmel fiel in der Sendung Formel Eins oder auf MTV. Er hatte Mega-Hits mit "Let‘s Dance" und "China Girl". Das war die Zeit, als er "nicht mehr gay" sein wollte, womit er sich aus dem Dunstkreis der Avantgarde Richtung Mainstream verabschiedete, ungeachtet dessen, was er hinter verschlossenen Türen wirklich so trieb. Auf seinem 1970er Album "Hunky Dory" hatte er in seiner queeren Inkarnation noch jenem Andy Warhol einen Song gewidmet, der die homosexuelle Kunstszene bis in die Fingerspitzen verkörperte. Mit solchen Referenzen war jetzt Schluss. Das Wesentliche an Bowie war nun mal der Fake-Charakter, selbst wenn irgendwas täuschend echt wirkte.

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Im Videoclip "China Girl", einem Iggy Pop-Cover, das Bowie in die Charts katapultierte, um seinem alten Kumpel zu Geld zu verhelfen, wälzte er sich zur besten Sendezeit nackt mit Geeling Ng am Strand – und die beiden haben "wirklich" Sex. Davon waren wir Vierkäsehochs überzeugt und schauten das damals wie hypnotisiert. Dann kam "Dancing In The Streets" mit Mick Jagger und die Rock-Geschichte hatte Bowie und damit auch uns schneller eingeholt als gedacht.

Wir fingen an, uns mit der Vergangenheit zu beschäftigen. Die Älteren werden sich erinnern, es gab noch kein Youtube und kein Spotify. Wir gingen in die Plattenläden wie die alten Ägypter in die Bibliothek. Die "Space Oddity"-Geschichte von Major Tom kannten wir ja schon von einem gewissen Peter Schilling, der sie als NDW-Klamauk adaptiert hatte. "Völlig losgelöst" erschienen uns allerdings eher die älteren Songs und Kostüme Bowies – losgelöst von allem, was wir so kannten. Sein Look als Ziggy Stardust, mit roten Haaren, Blitz-Make-Up und Augenklappe, machte sich gut als Poster an der Wand. Wir wollten immer mehr über diesen merkwürdigen Typen erfahren, der das passende "männliche" Gegenstück zur "weiblichen" Ikone Grace Jones zu sein schien.

Bowie sah da schon ganz "normal" aus, also was man in den 1980ern halt so für normal hielt, während manche der New Romantic-Stars und Eigthies-Pophäschen wie zum Beispiel Limahl mehr an den Glam von Ziggy Stardust gepaart mit der Mode aus dem Punk und Postpunk-Thrift-Shop erinnerten. Bowie war einen Schritt weiter als die anderen.

Die Strahlkraft des Geheimnisvollen © Studiocanal

Die Strahlkraft des Geheimnisvollen © Studiocanal

Bowie interessierte sich immer schon für alle Künste, und er ließ sich von Science-Fiction-Geschichten inspirieren. Das war für mich das Faszinierende an seinen frühen Alben wie "Hunky Dory" und "Diamond Dogs". Ich stellte aber auch fest, dass der Sound der Platten sich allmählich änderte, kühler wurde, minimalistischer. Während Punk über die Welt herfiel, um sie aus dem Schlaf zu rütteln, war Bowie zugedröhnt mit seinem Busenfreund Iggy durch Westberlin gerannt. Iggy Pop sang auf seinem 1990er-Coemback-Album "American Caesar" in Gedenken an diese wilden Tage: "The wall is gone, but something is lost..."

Iggy fand dort nach der Vereinigung nicht mehr das Flair vor, das Bowie und ihn damals so fasziniert hatte. Die Atmosphäre einer seltsamen, geteilten Stadt, die vor allem aus Subkultur zu bestehen schien. Für Bowie war künstlerisch die Berlin-Trilogie herausgesprungen, die Alben "Heroes", "Low" und "Lodger", produziert von Brian Eno. Bowie produzierte derweil Iggy Pops Alben "The Idiot" und "Lust For Life" (Erfahrung als Produzent hatte er wiederum zuvor bei Lou Reeds Album "Transformer" gesammelt, auf dem sich dessen Hit "Walk On The Wild Side" befindet). Iggy Pop brauchte etwas länger als David Bowie, um vom Heroin loszukommen. Es hätte ihn fast kaputt gemacht.

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Dieser Bowie, der dem Heroin verfiel, ist bis heute mehr so ein Pop-Mythos für mich, weniger die Story eines echten Menschen, der beim Entzug in die Toilette kotzt. Das liegt wohl auch an der Verfilmung des Buches "Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" nach dem autobiografischen Roman von Christiane Felscherinow. Im Film von Uli Edel (1981) spielt David Bowie sich selbst. Das heißt, er bringt die Rolle ein, die er für viele andere auch spielte – einen Fixstern, an dem man sein Leben orientieren möchte, unerreichbar fern und gleichzeitig, wegen seiner Strahlkraft, scheinbar zum Greifen nah. Ohne Bowies Mitwirkung hätte es den Film nicht gegeben, sagte Produzent Bernd Eichinger später einmal. Sein Konzertauftritt ist der eigentliche Höhepunkt. Christiane F.s Leben drehte sich eben nur darum: Heroin und David Bowie. In ihrer Geschichte werden beide eins.

David Bowie hat in diversen Filmen mitgewirkt, und er hat Lieder für Filme geschrieben (meine erste Erinnerung ist der Titel-Song zum Endzeit-Animationsfilm "When The Wind Blows" aus den 1980ern). Aber seine wahre Bestimmung fand Bowie wahrscheinlich doch schon 1976 in Nicolas Roegs Der Mann, der vom Himmel fiel. Die Figur Thomas Jerome Newton ist ein Außerirdischer, der zur Erde kommt, weil sein Heimatplanet an Wassermangel leidet. Irgendwie möchte ich mir vorstellen, dass David Bowie vierzig Jahre später zu diesem Planeten aufgebrochen ist, als er die Erde für immer verlassen hat. In jede Pore seines Körpers eingeschrieben die Geschichte der Popmusik, in der Manteltasche ein Fläschchen Perrier. Leider weiß ich viel zu wenig über ihn, um sagen zu können, ob das wirklich realistisch ist.

Was er wohl heute macht?

WF

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