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Bild zu Keanu Reeves und Patrick Swayze in Gefährliche Brandung – Point Break: Auf einer Wellenlänge

Keanu Reeves und Patrick Swayze in Gefährliche Brandung – Point Break: Auf einer Wellenlänge

In der Reihe Best of Cinema kehrt Kathryn Bigelows spektakulärer Action-Thriller um den Kopf einer Bande surfender Bankräuber und seinen Widersacher vom FBI am 6. August zurück ins Kino.

02. August 2024

Die Rolle des am Knie verletzten Football-Ass Johnny Utah, der schließlich eine Karriere als Schauspieler einschlägt, ist prädestiniert für Patrick Swayze. Die Figur aus Kathryn Bigelows Thriller Gefährliche Brandung – Point Break (1991) weist Ähnlichkeiten mit Swayzes realer Biografie auf. Swayze war in der High School ein guter Runningback, musste aber wie Utah wegen seiner Knieprobleme die Football-Ausrüstung an den Nagel hängen. Daraufhin wechselte er ins künstlerische Fach. Nur dass Johnny Utah aus dem Film kein Theater- oder Filmschauspieler wie Swayze wird, stattdessen als Undercover-FBI-Agent anderen etwas vorspielt. Außerdem wird er gar nicht von Patrick Swayze, sondern von Keanu Reeves verkörpert. Und der macht das wiederum auch ziemlich gut.

Perfekte Welle(n) © Largo Entertainment/ Studiocanal

Perfekte Welle(n) © Largo Entertainment/ Studiocanal

Swayze spielt dessen Kontrahenten, den Surf-Guru Bodhi. Er schafft es, Bodhis antibürgerlicher Philosophie zwischen all den gedoubleten Stunt-Szenen und den Banküberfallen, wo er unter der Maske von Ex-US-Präsident Reagan steckt, ein überzeugendes Gesicht zu verleihen. Letztlich bringt er sogar den strebsamen Johnny Utah von dessen eingeschlagenen Weg ab. Also Bodhi. Aber Swayze verhilft ihm als Darsteller zur nötigen Überzeugungskraft. Derweil zeichnen sich mit Johnny Utahs Abkehr vom FBI und der Hinwendung zur Suche nach der perfekten Welle – als ganzheitlicher Ideologie, so wie Bodhi sie vertritt – im Schlussakkord des Films die Parallelen zu Patrick Swayzes echtem Leben noch deutlicher ab.

Swayze war ein Tänzer, einem großen Publikum damals bereits bekannt durch Dirty Dancing, Johnny Utah vollzieht die Wandlung zum Surfer. In beiden Fällen geht es um Bretter, die die Welt bedeuten. Gefährliche Brandung – Point Break kommt den wahren Patrick Swayze in Gestalt des Johnny Utah deshalb auch sehr nah. Wobei der viel zu früh verstorbene Swayze – 2009 raffte ihn der Krebs dahin – auf der anderen Seite beweisen darf, dass er in der Lage ist, mit Bodhi jemanden zu spielen, der seinem eigenen Wesen fremd ist und dabei wie er selbst offenbar über zwei Gesichter verfügt. Dasselbe Kunststück, die ambivalente Wahrnehmung der eigenen Person durch die Öffentlichkeit zu spiegeln, gelang ihm zehn Jahre später in Donnie Darko mit der Verkörperung des kriminellen Motivationscoachs Jim Cunningham.

Swayze hat doch nur die Haare schön? Von wegen! Als Schauspieler suchte er 1991 bereits das Risiko jenseits einer reinen künstlerischen Herausforderung und setzte das Image als Strahlemann aufs Spiel.

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Bigelow geht mit ihrer furiosen Inszenierung auf dem Regiestuhl ebenfalls volles Risiko – zumal als weiblich gelesene Filmemacherin im Action-Gerne. Sie lässt die Zügel bei den spektakulären Verfolgungsjagden, mitreißenden Schießereien und den atemberaubenden Szenen auf dem Meer beziehungsweise im freien Fall zwar mitunter locker, gibt sie aber nie aus der Hand und schafft zwischendurch immer wieder mit hiebartigen Schnitten Ordnung, bevor Chaos entsteht.

In der Geschichte geht es um tatsächliche Wellen aber auch um Wellenlängen im übertragenen Sinn. Surferin Tyler ahnt es gleich, nachdem sie sich auf Johnny Utah einlässt und ihn in den radikalen Zirkel um Bodhi einführt. Bodhi und Utah teilen eine Todessehnsucht, eine Lust an der Grenzüberschreitung, die weder von gesellschaftlichen Regeln noch von zwischenmenschlichen Konventionen in Zaum gehalten werden kann. Tyler wettert gegen den dahintersteckenden Machismo, den die Beach Boys mit weitaus älteren männlichen Bezwingern des Meeres gemein haben, nachzuschlagen bei Homer. Allerdings lässt sich Tyler bei aller Kritik durch ihre Zuneigung zu den Testosteron-getriebenen Adrenalin-Junkies in deren Phantasien von einer kriegerischen Auseinandersetzung mit dem Establishment hineinziehen.

Homme fatale © Largo Entertainment/ Studiocanal

Homme fatale © Largo Entertainment/ Studiocanal

Selbst Johnny Utahs erfahrener FBI-Kollege Angelo Pappas mischt mit im Kampf gegen die Diktatur der Angepassten, etwa in Person des cholerischen FBI-Vorgesetzten. Hauptsache, kein Zombie werden. In anderen Worten: kein Spießer. Ein Psychotherapeut hätte Bodhi, der letztlich alle in seinen hyperindividualistischen Feldzug gegen Verlogenheit und Mittelmaß hineinzieht, übrigens sicher einen Kontrollzwang unterstellt. Der äußert sich sowohl in den minutiösen Abläufen der Banküberfälle inklusive schusssicherer Westen als auch im Gebrauch des Höhenmessers beim Fallschirmspringen – bis am Ende seines fesselnden Tanzes auf der Rasierklinge der erlösende Kontrollverlust steht. Wer sich dabei von wem oder was befreit, bleibt auch nach über dreißig Jahren eine spannende Frage.

WF

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