Bevor wir mit diesem Text beginnen, möchten wir Sie zu einer kleinen Einstimmung ermuntern. Schauen Sie zuerst den unten eingebetteten The Goodbye Place von Richard Kelly an. Es war sein erster und bis 1999 einziger Film: Gut achteinhalb Minuten, die man wohlwollend "geheimnisvoll" nennen könnte. Man könnte darin eine Hommage an die erste Folge von "The Twilight Zone" erkennen, jene Mystery-Serie, die Kelly so geliebt hat. Es geht um einen kleinen Jungen, um seltsame Männer, die sich aus dem Nichts materialisieren, um eine überforderte Mutter, um unheimliche Begegnungen im Supermarkt, um seltsame Zeichen und um das Verschwinden von Menschen. Man könnte aber ebenso sagen, The Goodybe Place ist ein ziemlich trashiges, verwirrendes Etwas. In beiden Fällen würde man dem 23-jährigen jungen Mann, der sich das für seinen Filmabschluss an der privat geführten Art School USC (University of Southern California) ausgedacht hatte, nicht unbedingt ein Filmbudget von 4,5 Millionen US-Dollar an die Hand geben.
Aber nun schauen Sie sich bitte – ob bei YouTube oder in unserer Edition – die Szene zu "Head Over Heels" von Tears For Fears an. Wie die Kamera anfangs auf der Seite liegt, wie Donnie zu den ersten Akkorden aus dem Bus springt, wie Richard Kelly das Ensemble inszeniert, mit gefilmten Gesten erste Sympathien verteilt, wie er am Ende mit einer Zeitlupe unser Commitment zu Sparkle Motion entflammen lässt. Großes Kino, nicht wahr? Tja, und was denken Sie, wenn ich Ihnen jetzt sage, dass Kelly zwischen der Fertigstellung dieser Szene und The Goodbye Place nur für eine weitere Szene im Regiestuhl saß? Verrückt, nicht wahr?
Wenn man sich die erste von vier Drehwochen für Donnie Darko anschaut, kann man ruhigen Gewissens sagen: Richard Kelly musste kopfüber ins kalte Wasser springen. Oder, wie er sagt: "Ich musste mich erst beweisen. Himmel, und wie ich mit beweisen musste!" Denn diese erste Drehwoche hatte es in sich. Produzent Sean McKittrick, ein alter College-Kumpel von Kelly, erklärt in der Doku Deus Ex Machina, warum das so war: "Wir hatten Drew Barrymore nur für diese eine Woche. Das war alles, was sie zwischen zwei Drehs für weitaus größere Produktionen für uns rausholen konnte. Also mussten wir in der ersten Woche die Schulszenen drehen. Das bedeutet: Wir hatten einen absoluten Regiedebüttanten, der gleich mit einem Hollywood-Star und einer Horde Kids drehen musste. Niemand fängt so an, wenn er es vermeiden kann." Und Kelly wusste: "Die erste Woche ist die härteste: Wenn du danach nicht im Zeitplan und im Budget bist, wird dich deine Crew niemals ernst nehmen."
Aber Kelly glaubte an sich und seine Vision von Donnie Darko – oder wie er sagt: "Ich war schrecklich stur." Das zeigt sich am besten an dieser Sequenz mit Tears For Fears. Als Cast und Crew die Szene drehten, wussten Tears For Fears allerdings noch nichts von ihrem Glück. "Wir hätten uns die Rechte niemals leisten können, aber ich wusste, dass es aufgehen würde", sagt Kelly. Das glaubten nicht alle. Einige aus dem Team hatten schon versucht, ihm die Szene auszureden. "Sie sagten mir: Vergiss es. Das braucht es nicht für die Story. Es gibt keine Dialoge, es ist praktisch ein Musikvideo." Mithilfe des erfahrenen Kameramanns Steven Poster klärte Kelly die technischen Herausforderungen, ließ sich überzeugen, dass man sie nicht als One-Take drehen kann und schon ging es los. Wie gut die Sache funktionierte, spürte Kellys Cutter Sam Bauer zuerst. Kelly drängte ihn, die Szene so schnell wie möglich zu schneiden.
Bauer erzählt: "Ich werde nie vergessen, wie ich an diesem Tag im Schneideraum saß und das Material mit der Musik zusammenbrachte. Ich arbeitete 52 Minuten an der Szene und schaute sie mir dann 20-mal hintereinander an, weil ich sie so großartig fand." Kelly war ähnlich zufrieden: "Ich ließ sie auf ein VHS-Tape spielen, holte meinen Line Producer, meinen Script Supervisor und jeden, der noch reinpasste, in meinen kleinen Trailer und zeigte ihnen die gesamte Montage. Danach sagten alle: ‚Wow, Richard. Alles klar, du weißt, was du tust.‘" Die Produzenten schickten das Tape schließlich zu Tears For Fears – die sich sehr begeistert zurückmeldeten. Sean McKittrick ist bis heute überzeugt, dass sie deshalb auch gleich "Mad World" mit freigaben. Richard Kelly erkärte später in einigen Interviews: "Ich versuche immer, das Team mit einzubeziehen, ihnen Szenen zu zeigen, damit sie verstehen, wo ich hinwill." Wer seine weiteren Filme kennt, wird nun sagen: keine schlechte Idee.
Donnie Darko wird am 5. März in der Reihe "Best of Cinema" in ausgewählten Kinos in Deutschland gezeigt. Alle weiteren Informationen gibt’s hier.
Daniel Koch