Der 15-jährige Joe (Nick Robinson) ist ein vordergründig sanftmütiger Träumer und damit ein gutes Mobbing-Opfer in der Schule. Aber, so sagt es sein Vater (Nick Offerman) einmal sehr treffend: "Er hat manchmal etwas Bedrohliches in sich, eine Art Trauma" vom Verlust seiner Mutter, die früh gestorben ist. Beide vermissen sie, keiner redet drüber, also lassen sie ihren Frust aneinander aus. Patrick (Gabriel Basso) ist Joes bester Freund und dauergenervt von seinen eigenen Eltern, besonders von seiner überdrehten Mutter (Megan Mullaly), die ihn an Blanka aus dem Videospiel "Street Fighter II" erinnert – ein grünhäutiger Wilder mit orangener Mähne. Und dann wäre da noch Biaggio (Moisés Arias), der Creep der Gang, der sein großes Herz unter dem Grinsen eines Triebtäters versteckt und in seiner eigenen Welt lebt. Joe, Patrick und Biaggio, der eher durch Zufall zur kleinen Clique stößt, beschließen eines heißen Sommers in Ohio die Eltern, den Schulfrust, die unerwiderte Schul-Liebe und die Zivilisation hinter sich zu lassen. Sie ziehen in den Wald, wo sie ihr eigenes Haus zimmern.
Patrick (Gabriel Basso) mit Biaggio (Moisés Arias) auf den Schultern und Joe (Nick Robinson) vor ihrem hölzernen Rohbau. © (c) 2013 Toy's House Productions LLC. All Rights Reserved.
Dass dabei allerlei schief geht und sich das Leben nicht so leicht abschütteln lässt, kann man sich in Jordan Vogt-Roberts Filmdebüt schnell ausrechnen. Überhaupt sieht man viele Szenen, die einem vertraut vorkommen - aus Stand By Me oder The Goonies, aus E.T. oder Little Miss Sunshine oder aus dem (ein paar Jahre später debütierenden) Long Island Ice Tea des Coming of Age-Themas "Stranger Things", wo ja all das munter verrührt und gezuckert wird. Vogt-Roberts hat sich zuvor mit dem Kurzfilm Successful Alcoholics (2010) und Regie-Arbeiten für die TV-Sendung "Mash Up" auf Comedy Central und diverse Folgen für die Sketch-Reihe "Funny Or Die Presents" einen Namen gemacht. Er gestand dabei recht freimütig, dass er die genannten Filme ehren wollte, weil sie ihn durch seine Jugend gebracht hätten. Allerdings hatte er dabei einen eigenen Ton im Sinne, den er im "Interview Magazine" einmal so beschrieb: "Ich wollte den dümmsten Terence-Malick-Film aller Zeiten machen." Ermöglicht wurde ihm das von der Produktionsfirma Big Beach, die mit Little Miss Sunshine bereits ein gutes Händchen für das Genre bewiesen hatte. Auch für das Skript hatte man einen Debütanten an Bord: Chris Galletta, der zwar treffsichere, bisweilen schmerzhafte Pointen platziert, wenn es emotional wird, aber ein wenig zu sehr den Erklärbär gibt.
Kings of Summer ist kein perfekter Film. Das meinte auch die etwas nörgelige Kinokritik. Man habe sich nicht entscheiden können, ob man jetzt eine reine Komödie, ein Drama oder etwas noch Abgründigeres sein wollte, hieß es oft. Tatsächlich gäben die Charaktere und die Stimmung ein American Pie ebenso her wie ein Herr der Fliegen – und schlagen munter in Richtung beider Extreme aus. Aber gerade das macht diesen Film so herzerwärmend. Ob nun intendiert oder nicht, ist Kings of Summer genauso wie ein junger Mensch in der Pubertät nunmal ist. Mal launisch, mal witzig, mal aggressiv, mal charmant, mal verliebt, mal Türen werfend wütend, mal tanzend im Sonnenuntergang, mal depressiv am Abgrund stehend. Es ist, wie viele Eltern sagen: "Man trifft mit einem Kind in der Pubertät jeden Morgen beim Frühstück einen neuen Menschen."
Patrick (Gabriel Basso) verliebt sich in Kelly (Erin Moriarty), den Schwarm seines besten Freundes. © (c) 2013 Toy's House Productions LLC. All Rights Reserved.
So ist Kings of Summer ein überhitzter Wirbel aus wundervollen Weltflucht-Wald-Szenen, die mit ihrem Indie-Soundtrack bisweilen wie kleine Musikvideos wirken. Aus Schnellfeuer-Gag-Dialogen, in denen vor allem Nick Offerman als Joes Vater brilliert (und zum Beispiel die Silicon-Valley-Serienstars Thomas Middleditch als langsamen Cop und Kumail Nanjiani als mürrischen Essenslieferent runtermacht). Aus manchmal pathetischen, aber oft treffenden Gesprächen über das Mannsein. Aus romantischen Grabenkämpfen um die von Joe und seinem Kumpel Patrick umschwärmte Kelly (Erin Moriarty). Und aus all den Streits, Verbrüderungen, Entbrüderungen, Trennungen und Knutschereien, die ein guter Coming-of-Age-Film ja nunmal haben sollte.
Wer also in diesen heißen Tagen die schwüle Stadtluft hinter sich lassen will, um sich mit den Jungs in der Wildnis von Ohio (mit Supermarktanschluss) durchzuschlagen, sollte den Kings of Summer ruhig noch eine Chance geben. Nicht zuletzt wegen Szenen wie dieser ...