Nanni Morettis Spielfim Das Zimmer meines Sohnes wurde 2001 in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet. Moretti spielt darin selbst den Psychoanalytiker Giovanni, dessen Sohn bei einem Unglück ums Leben kommt. Allerdings steht diese Katastrophe nicht im Mittelpunkt der Handlung, Moretti beschäftigt sich darin mehr mit dem Leben als mit dem Tod (und wie ein Umgang mit dem Verlust eines geliebten Menschen in einem "richtigen" sprich: erfüllten Leben aussehen könnte).
Verloren inmitten den Rummels © Umberto Montiroli
Gleich zu Beginn gibt es mehrere Anspielungen auf das Verhältnis Giovannis zum System, in dem wir uns als Gesellschaft und als Einzelne bewegen – und mit dem letztlich auch seine Patient*innen zu schaffen haben, die bei ihm auf der Couch liegen, weil sich die allgemeinen Problematiken individuell äußern, und die persönlichen Macken wiederum das soziale Leben beeinträchtigen. Zunächst einen zieht eine Gruppe Hare Krishna-Jünger an Giovanni vorbei, als er gerade vom Joggen kommt und einen Kaffee zu sich nimmt, zum anderen äußert er dem Schulrektor gegenüber die Meinung, den Schüler*innen müsste auch mal Zeit gegeben werden, Muße zu entwickeln. Nicht immer diese effiziente Paukerei. Schon vor dem Tod des geliebten Sohnes, den er gemeinsam mit seiner Gattin Paola verarbeiten muss, gehört es zu seiner Lebenseinstellung, dass man die Dinge auch mal aus der Hand geben muss, weil man nicht jede Wendung des Schicksals kontrollieren kann.
Das Drama, haben wir an anderer Stelle hier bereits einmal geschrieben, kommt einem vor wie der Film gewordene Sack Federn. Der ist bekanntlich auch nicht leichter als ein Sack Blei. Und dennoch hat diese tragische Geschichte über bürgerlichste Verhältnisse eine Beiläufigkeit, die einen die Zeit vergessen lässt (womit Form und Inhalt des Films eine wundervolle Symbiose eingehen).
Die mit den Mitteln der Kunst symbiotisch daherkommende Kritik an politischen Zuständen scheint überhaupt Morettis Sache zu sein. Und das Spiel mit der Zeit. Mal dreht er mit seinen Geschichten an der Uhr, damit wir uns für die Länge eines Films von ihrem Regiment erholen können, mal bildet er Epochales ab, um uns daran zu erinnern, wie die Umstände genau waren und sind. Hauptsache, sich selbst oder dem Publikum keine echte Gelegenheit geben, die Seele einfach mal baumeln zu lassen – da ist dann Schluss mit der Entspanntheit. Und auch das wiederholen wir hier gerne noch mal: Auf diese Weise führt er in seinem Werk zusammen, was nicht zu trennen ist. Die Sehnsucht nach guter Unterhaltung und den Wunsch nach einer besseren Welt.
WF