Es gibt niedlichere Filmhasen als Frank, charmantere auch, lustigere sowieso. Und doch hat der humanoide Albtraumnager einen besonderen Platz in unseren Herzen – nicht zuletzt wegen dem Mysterium, das ihn umgibt. Denn was ist er eigentlich? Eine Manifestation des Unterbewusstseins? Ein Zeitreisender? Oder schlicht das Produkt eines schizophren-paranoiden Verstandes? Der Antagonist aus Richard Kellys Regiedebüt Donnie Darko, diesem surrealistisch verzerrten Amalgam aus Science-Fiction, Psychothriller und Coming-of-Age-Drama, verfolgt die titelgebende Hauptfigur, gespielt von Jake Gyllenhaal: Er steht plötzlich eines nachts einfach in seinem Vorgarten und erscheint dem pubertären Donnie anschließend immer wieder in seinen Halluzinationen. Er kündigt ihm das Ende der Welt an, flüstert ihm dunkle Geheimnisse zu und stiftet ihn zu Straftaten an.
Donnie, das hat sich wohl schon von selbst erklärt, hat augenscheinlich ein paar psychische Probleme. Er ist höchst intelligent, höchst desillusioniert und damit ganz allein in seinem vermeintlich heilen Umfeld. Als Resultat schludert er in einer Mischung aus Lethargie und Aufmüpfigkeit durch die kleinkarierte Welt des Amerikas der späten Achtziger. Da ist so ein furchteinflößender Unruhestifter wie Frank genau der richtige Verbündete. Donnies Therapeutin erklärt seinen ratlosen Eltern: „Donnies Aggressivität und sein Sich-entfernen-von-der-Realität gründen sich wohl auf seine Unfähigkeit, zurechtzukommen mit den Kräften in der Welt, die in seiner Wahrnehmung eine Bedrohung darstellen.“ Autsch.
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Alle sind sich also einig: Frank ist nur ein Produkt von Donnies Fantasie. Es ist hier natürlich wichtig zu erwähnen, dass er kein echter Hase oder Dämon ist, sondern lediglich ein Jugendlicher in einem ziemlich verstörenden, grotesken Hasenkostüm, der durch Donnies Bewusstsein geistert. Der bezeichnet ihn als seinen imaginären Freund – Betonung auf dem letzteren der beiden Wörter. Man könnte denken: Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr. Denn Frank hat etwas Diabolisches an sich, das wenig vertrauenerweckend wirkt. Aber schauen wir mal genauer hin: Franks erster Auftritt rettet Donnie Darko vor einem tödlichen Unfall, der erste von ihm angezettelte Anschlag sorgt dafür, dass Donnie seinen Schwarm Gretchen (Jena Malone) kennenlernt, der zweite deckt einen Kinderporno-Skandal um Pseudo-Saubermann Jim Cunningham (Patrick Swayze) auf. Klingt doch eigentlich nach den Taten eines ganz soliden Typen, oder? Er scheint sich nur nicht so gut verkaufen zu können mit seinen verdrehten Ohren, weißen Augen und verformten Gebiss. Dazu kommen noch seine kryptischen, verheißungsvollen Prophezeiungen, die er in einem gruseligen Flüsterton oder mit verzerrter Stimme vorträgt – klingt nach einem eindeutigen Imageproblem.
Gut, am Ende stirbt Donnie trotzdem, aber kann man dafür wirklich Frank die Schuld geben? Gängigen Fan-Theorien zufolge ist er nämlich (frei nach dem für das Film zentrale Buch Philosophy Of Time Travel) ein „Manipulated Dead“ – ein Toter, der im „Tangenten-Universum“ (einem paranormal geprägten Paralleluniversum, in dem der Großteil des Films spielen soll) durch die Zeit reist, um Fehler im Raum-Zeit-Kontinuum zu korrigieren und damit den Zusammenbruch des Primär-Universums zu verhindern. Als zeitreisender Toter passt er doch eigentlich ganz gut zum Auferstehungs-Motiv von Ostern. Bei ihm dauert das nur eben nicht ein Wochenende, sondern 28 Tage, 6 Stunden, 42 Minuten und 12 Sekunden.
Heißt also: Frank ist nicht inhärent böse. Glauben wir zumindest – Regisseur und Drehbuchautor Richard Kelly hat seine Herkunft und Bedeutung nie offiziell bestätigt. „Alle fragen mich, woher der Hase kam. Das lässt sich nicht leicht beantworten“, erklärt er mal gegenüber Entertainment Weekly. Schon in seinen frühesten Skript-Entwürfen habe Frank dieses Kostüm getragen, an die Gründe könne er sich aber selbst nicht erinnern. „Ich habe sehr darauf bestanden, dass es [das Kostüm] eine große Wirkung hat. Es muss die Leute verstören. Es muss dafür sorgen, dass das Publikum sich in seinen Sitzen aufrichtet und eine wirklich intensive Reaktion hat.“
Mission accomplished: Heute gilt Frank als ikonisches Filmmonster, wenn auch eins der eher ungewöhnlichen Sorte. Denn vermutlich könnte man mit ihm sogar ganz gut Ostereier suchen oder Das Leben des Brian schauen. Er würde dabei wohl wenig gute Laune versprühen und hin und wieder nihilistische Kommentare à la „Wieso hast du dieses blöde Menschenkostüm an?“ ablassen, aber damit wäre er auch nur ein ganz normaler Teenager. Nichtsdestotrotz: Wenn dieser Hase aus dem Nichts auftaucht, stimmt irgendwas mit der Realität ganz gehörig nicht. Aber wann tut es das schon?
Christina Wenig