Ein Gruselschocker, der subtil Erinnerungen wachruft an Klassiker des tiefenpsychologischen Horrors – wie etwa Nicolas Roegs Wenn die Gondeln Trauer tragen. Ein Mystery-Nailbiter, der sich mit seinem Killer Twist einreiht in die Erfolgsgeschichte von Thrillern, die mit einer äußerst überraschenden Wendung aufwarten – wie M. Night Shyamalans The Sixth Sense. Und dabei eine Art Kammerspiel, das einen ganz eigenen geisterhaften Charakter entfaltet, der von Nicole Kidman in der Hauptrolle personifiziert wird. Selten hat man den Hollywood-Star derart in einer Figur aufgehen sehen wie in der tiefreligiösen Kriegswitwe Grace im gottverlassenen und bald vom Nebel eingehüllten Haus, die ihre Einsamkeit und Verlassenheit durch brutale Strenge den eigenen Kindern gegenüber kompensiert.
Es werde Licht: Für Anne und Nicholas der reine Horror … © Studiocanal
Wie Nicole Kidman sich als Grace durch die Flure des Anwesens bewegt, dessen Räume stets abgedunkelt sein müssen, weil Anne und Nicholas an einer Lichtallergie leiden, weshalb auch jede Tür geschlossen sein sollte, bevor die nächste geöffnet wird, das hat eine Eleganz, die von den Kamerabewegungen und Schnitten noch in den verzweifelten Momenten auf sie übergeht. Die Situation gleiche der eines Schiffs, erklärt Grace den neuen Bediensteten Mrs. Mills, Mr. Tuttle und der gehörlosen Lydia, von denen sofort eine seltsame Stimmung ausgeht. Anstatt das Eindringen des Wassers zu verhindern, gehe es im Haus jedoch darum, das Licht draußen zu halten.
Welche Rollen spielen sie? Lydia und Mrs. Mills © Studiocanal
Aus diesem unheimlichen Szenario holt Autor und Regisseur Alejandro Amenábar im Jahr 2001 jegliche Nuance an Spannung heraus, die ohne Blutvergießen möglich ist. Das Gespenstische ist das Gespenstische daran und Amenábars Score der einzige Special Effect, der nötig ist, um dem Publikum eine bis in den Showdown anhaltende Gänsehaut zu verschaffen. Es ist der Virtuosität der Inszenierung des auch heute noch unheimlich unheimlichen Dramas geschuldet, dessen menschliche Abgründe sich vor dem realen historischen Hintergrund der Besetzung der Insel Jersey im Ärmelkanal durch die Nazis im Jahr 1940 auftun, dass die umwerfende Wendung als Pointe des Films bei Weitem nicht das Highlight der Geschichte ist. Es ist vielmehr wie im echten Leben: Man weiß eigentlich, wie es ausgeht, aber in jedem Detail gibt es so viel zu entdecken, dass man meist vergisst, wohin der Spuk zwangsläufig führen wird.
WF