Regisseur und Autor Cédric Klapisch erzählt in Einsam Zweisam von der Phase vor der eigentlichen Liebesgeschichte: Seine beiden Protagonisten Rémy und Mélanie müssen nämlich erst einmal ihre eigenen Probleme in den Griff bekommen, ehe sie sich auf jemand Neuen, geschweige denn eine Liebschaft einlassen können. Cédric Klapisch sagt sich mit Einsam Zweisam ganz bewusst von der Dramaturgie klassischer Romanzen los. Und damit ist er nicht der Einzige. Fernab davon, dass sich zwei kennenlernen, sich verlieben, anschließend einige Stolpersteine in den Weg gelegt bekommen, nur um sie gemeinsam zu überwinden und am Ende einer furiosen gemeinsamen Zukunft entgegen zu blicken, erzählen Regisseure wie Richard Linklater, Dan Mazer oder Noah Baumbach von jenen Phasen der Liebe, die der klassischen Romantic Comedy in der Regel zu unbequem sind, um sich ihnen ausführlich zu widmen. Dabei gibt es für wirklich jede Phase in einer Beziehung genau den richtigen Film – vom Kennenlernen über die leidenschaftliche Liebe bis hin zu Trennung und Scheidung.
"Einsam zweisam". Oder auch mal dreisam. Die schöne neue Welt der Dating-Apps.
Damit zwei Menschen erkennen können, dass sie sich zueinander hingezogen fühlen und ihr Leben fortan gemeinsam bestreiten wollen, müssen sie sich natürlich erst einmal kennenlernen und im besten Fall ineinander verlieben. Alles was sich davor abspielt, schildert Cédric Klapisch ausführlich in seinem umwerfenden Einsam Zweisam – und markiert in unserem aufregenden Streifzug durch die verschiedenen Phasen der Liebe den Ausgangspunkt. Ein wenig weiter sind da bereits die Protagonisten in Victor Levins 2018 erschienener Comedy Destination Wedding, einem klassischen Beispiel für einen Film, der sich ausschließlich der Kennenlern-Phase eines (Vielleicht-)Pärchens widmet. In dem Zwei-Personen-Stück lernen sich Lindsay (Winona Ryder) und Frank (Keanu Reeves) zufällig als Gäste auf einer Hochzeitsfeier kennen und verbringen ihre gemeinsame Zeit als Zaungäste damit, einander zu erklären, weshalb sie sich auf gar keinen Fall verlieben wollen.
Ganz ähnlich geht es Richard Linklater in seiner Before-Trilogie an. Im ersten Teil Before Sunrise, der 1995 erschien, lernen sich der Amerikaner Jesse (Ethan Hawke) und die Französin Celine (Julie Delpy) durch Zufall auf einer Zugfahrt kennen und setzen ihre Reise gemeinsam fort: philosophierend, romantisch und ohne konkrete Aussichten auf eine ernsthafte Beziehung. Am Ende des Films versprechen sich beide, einander in sechs Monaten wiederzusehen. Und Linklater erzählte das Schicksal des Vielleicht-vielleicht-auch-nicht-Paares in zwei Filmen weiter: in Before Sunset (2004) und Before Midnight (2013). Als eine Art "deutsches Before Sunrise" geht das 2018 erschiene Roadmovie 303 durch. In Hans Weingartners 145-Minuten-Opus wohnen wir Marla Emde und Anton Spieker alias Jule und Jan bei, die sich auf einem Europa-Trip nach und nach näherkommen. Auch hier bleibt offen, ob die beiden nach dem Abspann eine gemeinsame Zukunft haben werden.
Ist man erst einmal in der Verliebtheitsphase angekommen, kommt man als Paar in den Genuss eines Liebesrauschs, der sich nicht selten in leidenschaftlicher Körperlichkeit äußert. In seinem provokanten Projekt Love 3D (2015) nahm sich das argentinische Enfant Terrible Gaspar Noé den Sex als Indikator für die Intaktheit der zwischenmenschlichen Beziehungen an, inszeniert darin das Liebesspiel mal als hingebungsvollen Ausdruck des Begehrens, mal als unromantische Triebbefriedigung. Michael Winterbottoms nur 69 Minuten langes Erotikdrama 9 Songs (2004) geht sogar noch eine Stufe weiter: Die enge emotionale Verbindung des Protagonistenpärchens Lisa (Margo Stilley) und Matt (Kieran O’Brien) findet hier ausschließlich Ausdruck durch den sexuellen Akt, der anders als in Noés Love immer von liebevoller Intimität geprägt ist.
Wenn die Liebe surreal wird: Michel Gondrys "Der Schaum der Tage"
Im klassischen Romantikkino muss sich das verliebte Paar in der Regel nicht mit den Problemen des Alltags herumschlagen; die treten nämlich erst dann auf, wenn auch der letzte Produzentenname über die Leinwand gerollt ist und der Zuschauer das Kino längst verlassen hat. Doch eigentlich wird es ja dann erst so richtig spannend. In seiner betont anti-romantischen Komödie Das hält kein Jahr… (2013) stellt Regisseur Dan Mazer zwei frisch vermählte Eheleute (Rose Byrne und Rafe Spall) in den Mittelpunkt, die eigentlich so gar nicht füreinander gemacht sind. Doch anstatt aus dieser mitunter durchaus beklemmenden Situation ein herbes Drama zu kreieren, nutzt der Drehbuchautor von Bridget Jones‘ Baby diese Prämisse für eine heitere Geschichte über das Entlieben, an dessen Ende die hoffnungsvolle Botschaft steht, dass man gerade in der Liebe Fehler begehen und zweite Chancen annehmen darf. Und dass dieser ganze "Happily ever after"-Kram ein auf Hollywood-Schmonzetten basierender Irrglaube ist.
Auch das ist Liebe: Miteinander lachen. Emmanuelle Bercot und Vincent Cassel in "Mein Ein, mein Alles"
Diesem Irrglauben ist auch die Hauptfigur in Maïwenns Liebesdrama Mein Ein, mein Alles (2015) aufgesessen. Die gebürtige Französin seziert darin eine toxische Beziehung über eine von ihrem Mann abhängige Frau (Emmanuelle Bercot) und ihren seine Machtstellung ausnutzenden Ehemann Georgio (Vincent Cassel) – ein Film, der seiner Zeit 2015 weit voraus war und schon damals Themen ansprach, die durch #MeToo und Co. heute endlich auch ihren Weg in die Massenmedien gefunden haben.
Im klassischen Romantikkino muss sich das verliebte Paar in der Regel nicht mit den Problemen des Alltags herumschlagen.
Weiter als die beiden Hauptfiguren in Mein Ein, mein Alles sind jene Filmpaare, die zum Dreh- und Angelpunkt eines Trennungsfilms werden. In Noah Baumbachs heißem Award-Anwärter Marriage Story – einer Art Kramer gegen Kramer 2019 – liefern sich Adam Driver und Scarlett Johansson aktuell einen erbitterten Scheidungskrieg. Seit dem 6. Dezember ist der Film auf dem Streamingdienst Netflix zu sehen. Derart heftig fliegen die Fetzen in Derek Cianfrances Blue Valentine zwar nicht, doch auch in dem mit Ryan Gosling und Michelle Williams hochkarätig besetzten Drama von 2010 stehen zwei einst Verliebte im Mittelpunkt, die sich mit dem Ende ihrer Beziehung auseinandersetzen müssen. Immerhin ein bisschen hoffnungsvoller geht es da in Marc Webbs (500) Days of Summer (2009) zu. Darin muss der von Joseph Gordon-Levitt gespielte Tom über die Beziehung mit der freiheitsliebenden Summer (Zooey Deschanel) hinwegkommen und schwelgt daher in gleichermaßen süßlichen wie schmerzlichen Erinnerungen.
Liebe als Tanz auf der Rasierklinge: Emma Stone und Ryan Gosling in "La La Land"
Ist der schmerzhafteste Teil einer Beziehung erst einmal vorbei, gibt es immer ein danach. Das kann im Falle von Michael Hanekes Liebe (2012) arg trübsinnig ausfallen, wenn er den Tod auf Verlangen einer schwer erkrankten, alten Frau durch ihren aufopferungsvollen Ehemann als letzten wenngleich äußerst fragwürdigen Akt absoluter Hingabe inszeniert. Oder es geht in einer Mischung aus leiser Melancholie und quirliger Experimentierfreude in die Filmgeschichte ein, wenn sich Michel Gondry in Vergiss mein nicht (2004) in gewohnt verspielter Manier mit dem Akt des Vergessens auseinandersetzt. Und wer keine Muße hat, sich für jede Liebesphase erst den passenden Film auszusuchen, der greift am besten gleich zu La La Land (2016). In seinem oscarprämierten Hollywoodmusical hat Regisseur Damien Chazelle nämlich einfach sämtliche Phasen der Liebe auf einmal zu einem gleichermaßen romantischen wie durch und durch melancholischen Leinwandspektakel zusammengefasst.
AW