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Alexander Kluge wird 90: Immer dem roten Faden nach

Der Filmemacher, Schriftsteller und Künstler, der 1980 mit Schlöndorff, Aust und von Eschwege die Doku Der Kandidat über den Bundestagwahlkampf von Franz Josef Strauß drehte, feiert am 14. Februar 2022 runden Geburtstag.

14. Februar 2022

Alexander Kluge gehört zu jener Art Denkern, deren Idee von Leben und Kunst sich einerseits durch den Blick auf das mitunter sehr ungeordnet wirkende Gesamtwerk erschließt. Ein Œuvre, das in seinem Fall neben Literarischem und Sachlichem in Druckerzeugnissen auch eine Menge Filmisches enthält. Andererseits lässt sich Kluges Mindset, ja seine Philosophie, womöglich sogar in einem Satz zusammenfassen, den er selbst hinsichtlich seiner Biografie fallen ließ. 1945 verfehlte den jungen Alexander in seinem Geburtsort Halberstadt nur knapp ein Sprengsatz. Weshalb er als Erwachsener die Überzeugung vertrat, der Mensch habe mehr Glück als Verstand.

Das Team von "Der Kandidat" © Studiocanal

Das Team von "Der Kandidat" © Studiocanal

Ein vom Schicksal in gewisse Bahnen gelenkter Mensch im Kulturbetrieb, der das Beste draus zu machen habe – mit solch bürgerlichem Selbstverständnis nimmt Kluge sich als Teil des Ganzen wahr und verteilte sich in diversen Rollen. Zum Beispiel war der Schriftsteller Kluge Mitglied der Gruppe 47 und wird der Filmemacher Kluge heute zu den wichtigsten Vertretern des Neuen Deutschen Films gezählt. Dabei puzzelte er selbst wiederholt und in großer Häufigkeit Teile zusammen, die sich nie zu einer einzigen schlüssigen Erzählung zusammenfügten. Kluges Arbeiten sind Bruchstücke, und wer die Spur seiner Gedanken aufnimmt, gerät von Hölzchen auf Stöckchen. Wie er dem Tod durch Bombensplitter entkam, mag ein innerer Teil von ihm fragmentiert worden und die Lebensaufgabe, ihn wieder zu einer Einheit zu fügen, formuliert worden sein. Da war er 13. Und bis heute geht er dieser Berufung nach. Tätigkeiten als Produzent, Bildender Künstler, Philosoph und Rechtsanwalt inklusive.

"Als Filmcharakter gefiel uns Franz Josef Strauß gut. Als Bundeskanzler fanden wir ihn unpassend."

Alexander Kluge hat über die Jahrzehnte Fragmente in Text und Bild geschaffen, die zueinander zu bringen und auseinander zu klamüsern die Möglichkeiten der Rezeption ins Gedächtnis rufen und uns als Publikum fordern. Wir sind ja nie bloß Konsument*innen, wenn wir lesen und ins Kino gehen, nein, wir sind am Schöpfungsprozess beteiligt – und entscheiden mit, wie ihm in der öffentlichen Wahrnehmung sowie im persönlichen Verständnis geschieht. Kluge gliederte sich in kollektive Projekte mit ein, steuerte etwa ein Kapitel zum Episodenfilm Deutschland im Herbst bei und konzipierte 1980 gemeinsam mit Stefan Aust, Volker Schlöndorff und Alexander von Eschwege den Dokumentarfilm Der Kandidat. Einen Filmessay rund um den damaligen Bundestagwahlkampf und den Kandidaten Franz Josef Strauß.

Kollektiver Prozess: Schöndorff, von Eschwege, Kluge, Aust © Studiocanal

Kollektiver Prozess: Schöndorff, von Eschwege, Kluge, Aust © Studiocanal

Der politische Mensch Kluge und dessen Verhältnis zur Kunst, lässt sich vermutlich auch mit einem Satz auf den Punkt bringen. Er ist rückblickend auf das wertvolle Zeitzeugnis von ihm überliefert: "Als Filmcharakter gefiel uns Franz Josef Strauß gut. Als Bundeskanzler fanden wir ihn unpassend." Und als Vorzeigeintellektueller wiederum ging Alexander Kluge später in die Fernsehgeschichte ein. Die Gespräche, die er für die Programmnischen der aufkommenden Privatsender mit seiner Firma dctp produzierte, könnte man heute als Podcasts vor ihrer Zeit bezeichnen – natürlich mit bewegten Bildern. Hier lebte er intellektuelle Eigenständigkeit aus und blieb – vorzeigbar. Retrospektiv eine äußerst wichtige Phase. Denn in jenen Talks äußert sich gewinnbringend der mangelnde Anspruch auf Vollständigkeit, den das Schaffen Alexander Kluges seit jeher auszeichnet. Der rote Faden seiner versprengt wirkenden Bemerkungen und Notizen bleibt bis zum jetzigen Tag das eigene Leben. Wir gratulieren herzlich zum 90. Geburtstag und hoffen, dass wir diesem roten Faden noch eine ganze Weile folgen dürfen.

WF

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