Asterix und Obelix sind nicht nur ein Stück Kindheitserinnerung. Die beiden aufmüpfigen Gallier und ihre Nachbar*innen und Feinde kriegen mich auch heute noch. Obwohl Autor René Goscinny (1926–1977) und Zeichner Albert Uderzo (1927–2020) schon lange nicht mehr dabei sind, ist die Serie in treusorgende Hände übergeben worden. Den letzten Band "Die weiße Iris" aus dem vergangenen Jahr habe ich mich mir gleich am Erscheinungstag gekauft, und ich wurde wieder einmal bestens unterhalten. In der Story nimmt man sich die Achtsamkeits-Coaches zur Brust und lässt den römischen Arzt Visusversus auf das gallische Dorf los. Er soll die Bewohner*innen mit gesunder Ernährung, positivem Denken und Achtsamkeit anfixen – auf, dass sie weniger renitent sind und sich endlich dem großen Julius Cäsar fügen. Vor allem Gutemines Reise in die wilde Großstadt Lutetia (das antike Paris), zu den Hipstern und Fashion Victims der Zeit ist eine große Freude.
Die ersten Sätze eines Asterix-Bandes können Fans der Filme und Comicbücher fast Mantra-artig mitbeten: "Wir befinden uns im Jahre 50 v.Chr. Ganz Gallien ist von den Römern besetzt... Ganz Gallien? Nein! Ein von unbeugsamen Galliern bevölkertes Dorf hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten. Und das Leben ist nicht leicht für die römischen Legionäre, die als Besatzung in den befestigten Lagern Babaorum, Aquarium, Laudanum und Kleinbonum liegen..."
Die Väter von Asterix und Obelix brauchten der Legende nach nur eine Flasche Pastis und gut 15 Minuten, um die Grundzüge dieser Welt zu erschaffen. Texter René Goscinny und Zeichner Albert Uderzo saßen im Jahr 1959 in Uderzos Wohnung und mussten sich für die erste Ausgabe des neuen Jugendmagazins "Pilote" einen neuen Comic-Helden ausdenken. Goscinny war zu der Zeit Chefredakteur, Uderzo künstlerischer Direktor. Die beiden hatten zuvor schon gemeinsam die Figur Umpah-Pah entwickelt – nun sollte es jedoch ein Held sein, der auch die französische Kultur und Geschichte verkörperte.
Bild aus "Asterix - Sieg über Cäsar" © STUDIOCANAL
Auf Asterix einigten sich die beiden recht fix, den schlagkräftigen Sidekick mit Hinkelstein, Obelix, musste Uderzo Goscinny erst in einer hitzigen Diskussion schmackhaft machen. Als Paten für die beiden fungierten angeblich der berühmte gallischen Anführer Vercingetorix und das Komiker-Duo Laurel und Hardy, deren Dynamik Uderzo für Asterix und Obelix adaptieren wollte. Die erste Geschichte über Asterix, die Teil einer längeren Erzählung werden sollte und mit einem Cliffhanger endete, erschien in der Nullnummer von "Pilote" am 29. Oktober 1959 – zwei Jahre später wurden die einzelnen Kapitel zum ersten Band "Asterix der Gallier" zusammengefasst und im Dargaud-Verlag in der "Pilote-Kollektion" veröffentlicht – die allererste Zeichentrickverfilmung, die den Band als Vorbild nahm, kam in Frankreich im Jahr 1967 in die Kinos – in der Bundesrepublik dann 1971. Während der erste Comic-Band noch eine Auflage von 6000 Heften hatte, waren es bei Band vier, "Asterix als Gladiator", schon 300.000 Exemplare.
Eine der zwölf Prüfungen aus "Asterix erobert Rom" © STUDIOCANAL
Der Asterix-Start in Deutschland verlief allerdings alles andere als rund. "Fix und Foxi"-Erfinder Rolf Kauka kaufte für seinen Verlag damals munter die Rechte ausländischer Comics – zum Beispiel für die Schlümpfe, Lucky Luke und eben Asterix und Obelix. Kauka war in seiner Jugend strammer Nationalsozialist, einst Führer in der Hitlerjugend und später ein hochdekorierter Wehrmachtsoffizier. In der von ihm in Auftrag gegebenen, im Rückblick mehr als fragwürdigen Übersetzung wurde aus den Galliern Asterix und Obelix die strammen Germanen Siggi und Babarras. Die Römer unterhielten sich bei ihm Jargon der amerikanischen G.I.s und das Römische Reich wurde zu Natolien. Der Händler Verleihnix aus dem Asterix-Dorf wurde in Kaukas Verlag zu Schieberix – ein Name, der sehr deutlich antisemitisch gefärbt war. 1965 wurden Kauka die Asterix-Rechte von René Goscinny und Albert Uderzo höchstselbst wieder entzogen, und die beiden ließen sich fortan jede deutsche Übersetzung ins Französische rückübersetzen, bevor sie einen Band freigaben.
"Asterix bei den Briten" © STUDIOCANAL
Neuer Lizenzgeber in Deutschland wurde der Ehapa-Verlag, der die Asterix-Bände bis heute veröffentlicht. Er brachte die geradezu legendäre Comic-Übersetzerin Gudrun Penndorf ins Spiel, die 29 der inzwischen 40 Bände übersetze. Von ihr stammen so legendäre Redewendungen wie "Die spinnen, die Römer!" (zum ersten Mal von Obelix gesagt in "Asterix und der Kupferkessel") und Aphorismen wie "Man kann doch Barbar sein und trotzdem Blumen lieben!" (ein gotischer Soldat in "Asterix bei den Goten"). Auch ikonische Namen wie Macteefürzweifix, Grautvornix, Handzumgrus, Numalfix und Schlagdraufundschlus stammen aus ihrer Feder. Da die französischen Originale dermaßen dicht an Wortspielen und Anspielungen waren, ist die kreative Leistung Penndorfs nicht zu unterschätzen.
Aber Schluss mit der Geschichtskunde. Wenn ich an Asterix denke, habe ich vor allem träg-schöne Sonntagnachmittage vor Augen, in denen ich als Kind oder als verkaterter Jugendlicher auf dem Sofa gammelte und auf Sat.1 die x-te Wiederholung von Asterix erobert Rom, Asterix und Kleopatra, Sieg über Cäsar, Asterix der Gallier, Asterix bei den Briten, Asterix – Operation Hinkelstein oder den epischen Asterix in Amerika gesehen habe (die es übrigens allesamt bei Studiocanal gibt). Die Episode aus Asterix erobert Rom, in der Asterix und Obelix "nur" den Passierschein A38 besorgen müssen, habe ich in meinem Leben sicher schon ein paar Dutzend mal als Link verschickt oder in Texten zitiert.
Außerdem kann ich stolz behaupten, jeden der 40 Bände mindestens dreimal gelesen zu haben. "Schuld" daran war meine Lehre als Großhandelskaufmann in einem Pressegroßhandel. Dort war ich gut ein Jahr lang für die Nachlieferungen der "Lustigen Taschenbücher", der "Lucky Luke"- und eben der "Asterix"-Bände zuständig. Die wurden in einem Keller gelagert, in den sich selten jemand verirrte. Da ich recht fix arbeitete, hatte ich immer wieder Zeit, diese Bände zu lesen – und sie wurden mir kein einziges Mal langweilig. Vor allem das verhältnismäßige gruselige "Der Seher", das referenzreiche "Die Odyssee" oder das beklemmende "Die Trabantenstadt" sind für mich große Comic-Kunst und beste Unterhaltung. Wobei auch ich merke, dass das meist liebevolle Spiel mit Länder-Klischees an einigen Stellen nicht gut gealtert ist. Die Piraten hätten Uderzo und Goscinny heutzutage hoffentlich anders dargestellt.
"Asterix und Kleopatra" © STUDIOCANAL
Trotzdem dürften wohl viele, genau wie ich, vor allem Liebe und Melancholie empfinden, wenn sie in dieser Woche merken, dass der klein-große Held der Jugend nun auch schon das Rentenalter erreicht hat – selbst, wenn man ihm das in seinen Geschichten noch immer nicht anmerkt. Oder, wie es einst ein Legionär in "Asterix und Maestria" sagte: "Alte Hiebe rosten nicht!"
DK