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Bild zu Antony Penrose im Interview über Lee Miller und Die Fotografin

Antony Penrose im Interview über Lee Miller und Die Fotografin

Antony Penrose ist der Sohn von Lee Miller, deren Leben im Film Die Fotografin erzählt wird. Er ist Schriftsteller, Fotograf, Kurator und Nachlassverwalter des Lee-Miller-Archivs und der Roland-Penrose-Collection seiner Eltern. Mit uns spricht er über den Film und die schwierige Beziehung zu seiner Mutter, die ihr Leben als Kriegsreporterin und die daraus resultierenden Traumata lange Jahre verheimlicht hat.

24. September 2024

Mr. Penrose, ich muss zugeben, dass ich über die Jahre zum Lee-Miller-Ultra geworden bin, nachdem ich ihre Fotografien und ihre Reportagen entdeckt hatte. Nun hat Ihre Mutter endlich das große Biopic bekommen, dass sie verdient hat und ich glaube schon jetzt zu merken, dass einige Menschen erst jetzt lernen, wer diese Frau war – mit ein wenig Starthilfe von Kate Winslet sozusagen. Wie blicken Sie auf Die Fotografin?
Dieser Film übertrifft meine größten Hoffnungen, weil er Lee Millers Persönlichkeit trifft und dabei auch ihre kulturellen Leistungen zeigt. Außerdem bin ich wirklich begeistert, dass Kate Winslet darin mitspielt. Es ist jetzt 47 Jahre her, dass meine Frau und ich all diese Fotos meiner Mutter auf dem Dachboden entdeckt haben. Seitdem haben wir nach und nach eine Art Verständnis für Lee Miller geschaffen, aber das hat sich überwiegend auf unsere Arbeit in Kunstkreisen beschränkt. Wir haben zwar Fotoausstellungen auf der ganzen Welt in wichtigen Museen gemacht. Die Fotos wurden in vielen Ländern veröffentlicht, aber so was erreicht trotzdem nur einen Bruchteil der Bevölkerung. Was jetzt passiert, ist, dass Kate diese Person Lee Miller für sehr viele Menschen interessant, verständlich und bedeutsam gemacht hat. Für mich ist das wirklich aufregend. Man muss kein Fotograf oder Künstler mehr sein, um mit Lees Arbeit etwas anfangen zu können, denn sie ist sehr zugänglich.

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Im Film gibt es das wiederkehrende Element einer Interviewsituation mit dem jungen Journalisten Tony, der von Josh O‘ Connor sehr behutsam gespielt wird. Man ahnt nach und nach, dass er das Gespräch führt, dass Sie nie führen konnten, weil Sie die Fotos ja erst nach Lee Millers Tod fanden. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, wie sich das für Sie anfühlen muss?
Natürlich sitzt da Josh O'Connor und stellt Lee all die Fragen, die ich ihr so gerne gestellt hätte. Als meine Frau und ich damit begannen, die Bilder anzusehen, war es genau wie im Film. Der ganze Raum war mit Fotos bedeckt, denn wir hatten keine Ahnung, was sie waren, wo sie entstanden waren, was sie darstellten. Es gab keine Sortierung. Also lagen da nach einer Weile überall auf dem Boden verteilt Stapel von Fotos. Und in meinem Kopf schwirrten all die Fragen, die Josh O'Connor nun gestellt hat. Er manifestiert damit die zwei Seiten dieser Geschichte – meine Entdeckungsreise ihres Lebens und die Geschichte hinter den Fotos, die heute so viele Menschen kennen. Ich hatte leider nie die Chance, Lee so interviewen zu können, wie er es getan hat. Aber es sind die Fragen, die ich mir bei den Recherchen für mein Buch "Immer lieber woandershin. Die Leben der Lee Miller" gestellt habe. Es war sehr bewegend, diese Inszenierung zu sehen – die dann am Ende aufgelöst wird und die Wahrheit zeigt. Ich wünsche mir so sehr, ich hätte sie so gekannt. Dann wäre es zwar eine andere Geschichte geworden, aber sie wäre weniger schmerzhaft gewesen.

Journalist Tony, gespielt von Josh O`Connor © Sky UK Ltd / Kimberley French

Journalist Tony, gespielt von Josh O`Connor © Sky UK Ltd / Kimberley French

Sie waren ja quasi die wichtigste Person, die Kate Winslet und die Regisseurin Ellen Kuras überzeugen mussten. Wie lief das ab?
Es war das fünfte Mal, dass jemand eine Option auf den Film hatte. Inzwischen habe ich also ein bisschen Erfahrung in der Zusammenarbeit mit diesen Leuten – aber niemand war so wie Kate. Als ich hörte, dass sie Lee spielen wollte, war ich ganz begeistert. Ich dachte schon immer, oder vielmehr seit Titanic, dass sie die perfekte Lee sei. Ich habe also endlich meinen Wunsch erfüllt bekommen – und dann war es auch noch absolut fantastisch. Kate ist eine sehr bescheidene, sehr freundliche Person, mit der man sehr gut reden kann. Sie kam vorbei und es fühlte sich schon nach dem ersten Besuch wie eine Freundschaft an. Irgendwann habe ich gar nicht mehr gezählt, wie viele Tage sie im Archiv war. Sie saß dann da und las und las und las. Sie las die Briefe von mir an Audrey Withers – Lees Chefin bei der britischen "Vogue". Sie las die Briefe von Lee an meinen Vater Roland. Sie las die Briefe, die Lee anderen geschrieben hat. Aber Kate las auch Lees Manuskripte, die Beschriftungsbögen der Fotos, sie studierte die Karten und die militärischen Befehle. Kate saugte alles auf, was ihr half, Lee zu verstehen. Durch ihre allmähliche Absorption baute sie die Persönlichkeit von Lee auf, die ich erst sah, als man mir die ersten Aufnahmen des Films zeigte. Und da dachte ich: "Das ist erstaunlich! Das ist ihr so ähnlich!" Dann sah ich die Interviewaufnahmen, als man Kate wirklich alt aussehen ließ – und das war niederschmetternd. Ich konnte nicht fassen, dass da wirklich meine Mutter saß und zu uns sprach. Ich wusste natürlich, dass es ein Film ist, aber in meinem Kopf war diese kognitive Verwirrung, wie so ein Mantra: "Nein, das ist nicht echt, das ist nicht echt, das ist nicht echt …" Aber ich war einfach begeistert, diese bissige, schlecht gelaunte, alte Frau zu sehen. Denn so war meine Mutter. Sie hatte diese raue, harte Schale – bis man zu ihr durchgedrungen ist und sie kennengelernt hat. Und auch das sehen wir ja jetzt im Film. Ich bin also sehr begeistert von diesem Portrait.

Lee Miller in der Normandie im Jahr 1944 © Lee Miller Archives

Lee Miller in der Normandie im Jahr 1944 © Lee Miller Archives

Aber was genau stimmte denn mit den Filmen oder Drehbüchern vorher nicht, dass Sie erst diesmal zugestimmt haben?
Wir hatten vorher schon mal zwei sehr spannende Drehbücher dabei. Nicole Kidman gab eines bei David Hare in Auftrag, der ja auch The Hours geschrieben hat und das war wirklich sehr gut. Aber, wissen Sie: Es ging darin nicht um Lee. Es ging um diese heldenhafte Frau, die viele außergewöhnliche Dinge tut, und die dabei sehr glamourös ist und so weiter. Es wäre ein sehr guter Film geworden, aber nicht dieser. Ihm hätte die Wahrhaftigkeit gefehlt, Lees Persönlichkeit. Madonna wollte ebenfalls Lee spielen. Aber selbst, wenn man sich dann entschieden hat seine Zustimmung zu geben, kann halt noch so viel den Bach runter gehen. Die Finanzierung wackelt, das Timing geht nicht auf, solche Dinge. All das ist bei Kate Winslet nicht passiert. Sie hat das Projekt durch die größten Widrigkeiten hindurchgetragen. Sie ist sehr bescheiden, wenn es darum geht, darüber zu sprechen, aber ich weiß, wie schwierig es war, die Finanzierung für den Film aufzubringen. Nur weil sie ein so hohes Ansehen genießt, hat sie diese Besetzung bekommen. Und was für eine! Die Fotografin war für Kate ein Projekt aus Leidenschaft. Es ist ein Werk der Liebe und das sieht man dem Film an. Dass der Film so gut ist, liegt aber vor allem an einer Tatsache: Es ist ein Film über eine Frau, der von Frauen gemacht wurde.

Regisseurin Ellen Kuras bespricht mit Hauptdarstellerin Kate Winslet eine Szene. © Arthaus / Studiocanal

Regisseurin Ellen Kuras bespricht mit Hauptdarstellerin Kate Winslet eine Szene. © Arthaus / Studiocanal

In den letzten Jahren hat sich so langsam rumgesprochen, was Lee Miller geleistet hat. Im Film Civil War wird sie zum Beispiel als große Heldin einer jungen Kriegsfotografin genannt. Wie geht es Ihnen damit, dass Lee für viele Frauen diese strahlende Leitfigur ist? Während man ja – nicht zuletzt aus ihrem Buch – weiß, dass es nicht leicht war, mit ihr zusammenzuleben. Vor allem in Ihrer Kindheit, als Sie noch nicht wussten, was Sie alles gesehen und erlebt hatte.
Es ehrt und begeistert mich, dass sie für viele Menschen eine Inspiration ist. Wissen Sie, ich hatte von Anfang an wunderbare Gespräche mit Frauen, die sagten, dass Lee ihre Heldin ist, weil sie ihnen die Kraft gegeben hat, Dinge zu tun, die sie sonst nicht getan hätten. Sei es ein Karriereschritt, oder das Beenden einer toxischen Beziehung, oder der mutige Schritt, Kriegsreporterin zu werden. Ich hatte zum Beispiel eine wunderbare Unterhaltung mit einer Frau namens Brenda Fitzsimons von der "Irish Times". Sie sagte zu mir: "Lee Miller ist mein Schutzengel. Wenn ich in Schwierigkeiten gerate, nicht weiß, was ich tun soll, und es wirklich gefährlich wird, denke ich an sie – und sie gibt mir immer eine Antwort." Diese Intensität, mit der manche Leute von Lee inspiriert werden, ist beeindruckend. Wenn sie junge Frauen da draußen oder Frauen jeden Alters dazu ermutigt, Dinge zu tun, die sie sonst nicht getan hätten, ist das für mich, für diese Frauen und auch für Lee fantastisch.

Ich war im vergangenen Jahr bei der großen Lee-Miller-Ausstellung im Bucerius Kunst Forum in Hamburg. Da fiel mir mal wieder auf, wie facettenreich ihre Arbeit war. Surrealistische Kunstwerke, Modeshootings, harte Kriegsbilder, sehr emphatische Portraits. Was ist denn ihr persönliches Lieblingsbild von ihr?
Das war schon immer ein Foto aus dem Jahr 1937 mit dem Namen "Portrait of Space" (das Sie hier sehen können). Darauf sieht man ein viereckiges Fenster. Es befindet sich inmitten der ägyptischen Wüste in einer alten Herberge. Der Stoffschutz vor dem Fenster ist zerrissen. Es gibt also ein Loch, durch das man hindurchspringen kann, um in der Wüste zu verschwinden. Dieses Bild zeigt ihre Sehnsucht, aus Ägypten zu flüchten, wo sie sich einsam und deplatziert fühlte. Wenn man in den Himmel schaut, sieht man eine weiße Wolke, die einem Vogel ähnelt. Oder ist es sogar ein Vogel? Diese Art von Zweideutigkeit ist sehr wichtig. Und dann ist da noch dieser kleine Rahmen, der eigentlich ein Loch ist, durch das man die Hand steckt, um die Sturmläden zu schließen. Die Klappe davon ist verschwunden, also wirkt es wie der Rahmen eines Portraits – von einem leeren Stück Himmel oder einem Raum, den man mit seinen Träumen und Vorstellungen füllen kann. Jedes Mal, wenn ich mir das Bild ansehe, entdecke ich etwas Neues, etwas Außergewöhnliches oder Inspirierendes darin.

David E. Sherman (Andy Samberg) und Lee Miller (Kate Winslet) nach ihrem Besuch im befreiten Konzentrationslager Dachau. © Sky UK Ltd / Kimberley French

David E. Sherman (Andy Samberg) und Lee Miller (Kate Winslet) nach ihrem Besuch im befreiten Konzentrationslager Dachau. © Sky UK Ltd / Kimberley French

Das Buch "Krieg", das die Reportagen und Fotos von Lee Millers Zeit in Europa zum Kriegsende versammelt, ist so etwas wie mein Lieblingsbuch. So seltsam das klingen mag. Aber ich finde eigentlich, dass alle Deutschen es mal gelesen haben sollten. Vor allem, weil Lee Miller darin ihre Wut auf und ihre Verachtung für die Deutschen zum Ausdruck bringt, die ja eigentlich viel zu gut weggekommen sind, für das, was sie angerichtet haben. Und die sich plötzlich an nichts mehr erinnern konnten und klagten, wie schwer sie es haben … Sie haben nun mit den Lee Miller Archives Ausstellungen in Deutschland gemacht, geben viele Interviews, sitzen hier jetzt mit mir in Berlin. Denken Sie viel darüber nach, wie es ist, mit diesen Fotos und ihrer Geschichte ausgerechnet in Deutschland unterwegs zu sein?
Natürlich. Ich finde, es ist ein unglaublicher Verdienst der Deutschen, dass sie für Lee Millers Arbeiten so empfänglich sind. Eine unserer ersten großen Ausstellungen fand in Wolfsburg statt und die Kurator:innen haben ganz bewusst um einige der härtesten Holocaust-Fotos gebeten, die wir haben. Da waren wir nun in Wolfsburg – einer Stadt, die von Hitler für das Volkswagenwerk gebaut wurde – und haben diese Bilder gezeigt. Da merkte ich, dass viele Deutsche Menschen sind, die mit dem größten Interesse an dieses Stück Geschichte herangehen, um es zu verstehen. Das schätze ich sehr. Es hat mich immer wieder erstaunt, wie wissbegierig ihr Deutschen seid und wie sehr ihr eure eigene Geschichte verstehen wollt. Und ich hoffe, dass dies dem Wunsch entspringt, eine Wiederholung zu vermeiden. Heute erleben wir überall den Aufstieg der extremen Rechten und Lees Arbeit wird nie wichtiger sein als jetzt. Um uns alle daran zu erinnern, was passiert, wenn die extreme Rechte zu mächtig wird. Wollen wir wieder Konzentrationslager und Gaskammern sehen? Wollen wir die Verfolgung von Minderheiten sehen? Wollen wir eine Geheimpolizei fürchten? Wollen wir einen Krieg mit dem Rest der Welt führen? Nein, lassen Sie uns das nicht wieder tun. Schauen wir uns einfach das Stück Geschichte an, das Lee uns gegeben hat. Wir sind die Hüter dieser Geschichte. Wir müssen allen klar machen, was passiert, wenn man diesen Leuten folgt.

Ich hoffe, diese Message kommt bei der Mehrheit an. Die Wahlen, die wir in Deutschland in letzter Zeit hatten, zeigen wirklich bedenkliche Tendenzen. Und wenn man liest, wie Vertreter*innen der AfD auf diesen Teil der Geschichte blicken und wie sie damit Witze machen, schämt man sich gerade wieder oft, Deutscher zu sein.
Es ist sehr kritisch gerade. Ja. Aber ich war gestern bei einer Vorführung von Die Fotografin mit einer anschließenden Frage-Runde. Da ist eine Frau aufgestanden und hat keine Frage gestellt. Sie sagte nur: "Ich möchte, dass sich jeder, der für die extreme Rechte gestimmt hat, diesen Film ansieht." Dafür gab es Applaus vom ganzen Saal. Ich dachte mir in diesem Moment: "Lee ist am Leben und arbeitet immer noch daran, dass die Leute verstehen, was sie zeigen wollte."

Und sie hat es gezeigt. In aller Härte. Auch, wenn sie wusste, dass sie diese Bilder verfolgen werden. Ich finde, das vermittelt der Film sehr gut. Vor allem in den Szenen im Konzentrationslager, die sehr intensiv sind. Man sieht, wie sich Lee fast zwingt, draufzuhalten, während selbst die Soldaten wegschauen und sich übergeben müssen.
Ja. Es ist dieser unbeirrbare Blick, den sie hatte. Überrascht es Sie da noch, dass es ihr nach dem Krieg schwerfiel, über diese Zeit zu sprechen? Vor allem, weil Sie ja nicht wusste, ob einige der Opfer vielleicht sogar ihre Freunde gewesen sind. Es waren ja einige aus ihrem Freundeskreis in Paris verschwunden und sie wusste da noch gar nicht, was aus ihnen geworden war.

Lee Millers Freundin Nush Éluard (Noémie Merlant) im befreiten Paris. © ©Sky UK Ltd / Kimberley French

Lee Millers Freundin Nush Éluard (Noémie Merlant) im befreiten Paris. © ©Sky UK Ltd / Kimberley French

Am Tag, an dem sie das Konzentrationslager Dachau sah, war Lee Miller abends in Hitlers Privatwohnung in München am Prinzregentenplatz , wo das berühmte Foto von ihr entsandt, das ihr Freund, wohl auch Liebhaber, Kollege und Wegbegleiter David E. Scherman gemacht hat. Wie stehen Sie zu dem Bild? Ich habe das Gefühl, es überstrahlt manchmal all die anderen Fotos ein wenig.
Nun, das Foto ist eben emblematisch. Es stecken so viele Metaphern darin. Nehmen Sie nur das Hitler-Portrait auf dem Wannenrand – das hat sie absichtlich dort platziert. Ich weiß das, weil ich Sherman dazu interviewt habe. Es ist ein Bild von Heinrich Hoffmann, Hitlers widerlichem kleinen Lieblingsfotografen und ein Motiv für ein Plakat, das überall in Mode war. Ich weiß nicht mehr, wie der Slogan dazu lautete – irgendwas mit einem neu erstrahlenden Deutschland, oder so. Ich vermute fast, er hat einen ähnlichen Klang wie "Make America Great Again." Lee hat dieses Foto mit Absicht dort platziert. Sie hatte Kontrolle über die Situation – in Hitlers privatesten Räumen. Sie hatte also Kontrolle über Hitler. Zu einem Zeitpunkt, als sie noch nicht wusste, dass er Selbstmord begangen hatte. Und dann dieser Badvorleger: Erinnern Sie sich, wie Lee im Film vorher den Dreck von den Stiefeln klopft? Es sind der Staub und der Matsch aus Dachau, den sie in dieses Zimmer gebracht hat und sie reibt ihn Hitler mit ihrem Absatz ins Gesicht. Sie sitzt also nicht als Gast in dieser Badewanne. Sie ist eine Siegerin, und sie sagt: "Wir sind da! Ich habe gewonnen. Ich mache in deinem Haus, was ich will!" Viele Leute finden das Bild einfach nur sensationell, aber sie sehen nicht, dass dieses Foto so sorgfältig arrangiert wurde. Und sie sehen auch nicht den zweiten Teil, der mindestens ebenso interessant ist: Nämlich, dass Sherman sich ebenfalls hineinsetzt. Die beiden beschließen, den Duschkopf mit ins Bild zu integrieren. Sherman, der Jude ist, wäscht sich in Hitlers Badewanne die Haare, an dem Tag, an dem er Dachau gesehen hat. Dieses Motiv ist mindestens ebenso stark. Mich stört es also nicht, dass Lees Foto in der Badewanne so bekannt ist – ich wünsche mir nur, dass man sich die Mühe macht, all diese Facetten zu sehen.

David E. Sherman (Andy Samberg) und Lee Miller (Kate Winslet) an der Fron © Sky UK Ltd / Kimberley French

David E. Sherman (Andy Samberg) und Lee Miller (Kate Winslet) an der Fron © Sky UK Ltd / Kimberley French

Meine Interview-Zeit reicht leider nur noch für eine letzte Frage, aber wo wir gerade bei Sherman sind: Ich war wirklich unsicher, ob Andy Samberg eine gute Wahl ist. Ich liebe den Typen – aber meistens immer nur dann, wenn er lustig ist. Ich habe ihn selten bis nie in ernsten Rollen gesehen. Ich wurde aber eines Besseren belehrt: Ich mag es, wie er diese – für Lee, für ihn, für Ihren Vater – völlig selbstverständlich erscheinende Verschmelzung von Arbeit, Liebe und Freundschaft verkörpert. Wie finden Sie die Besetzung?
Meiner Meinung nach ist er eine brillante Wahl. Als ich Samberg kennenlernte, war ich so glücklich, denn ich traf ihn am Set in Budapest, wo ich mit Kate, ihm und einigen anderen Zeit verbringen konnte. Was mein Herz mit Freude erfüllte, war, dass er Kate auf genau die gleiche Weise neckte, wie Sherman damals meine Mutter. Dieser jüdische Humor, dieses freundschaftlich-bissige – das war exakt so, wie ich es von Sherman und Lee in Erinnerung hatte. Dazu kommt, dass Samberg verdammt gut aussieht – wie eben auch Sherman. Aber ich finde sowieso, dass der Film perfekt besetzt ist. Ich liebe auch Andrea Riseborough als Lees britische "Vogue"-Chefin Audrey Withers. Ich kannte Audrey, ich habe sie ein paar Mal interviewt. Sie hatte dieses verklemmt wirkende Äußere, aber darunter dieses fantastische Mitgefühl, diese Leidenschaft für Hoffnung, Freiheit und Gerechtigkeit. Audrey hat sich für die Rechte der Frauen eingesetzt, als das noch nicht in diesem Maße üblich war – und Andrea zeigt das ganz wundervoll.

Mr. Penrose, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.

Die Fotografin läuft ab sofort in den deutschen Kinos. Einen Artikel über die historischen Hintergründe des Films finden Sie hier und eine Galerie mit den Original-Fotos, deren Entstehung man im Film sieht, finden Sie hier.

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