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Bild zu Kate Winslet ist Lee Miller ist Die Fotografin

Kate Winslet ist Lee Miller ist Die Fotografin

Endlich gibt’s den ersten Trailer zum Film Die Fotografin, der sich der Künstlerin, Fotografin und Kriegsreporterin Lee Miller widmet. Kate Winslet spielt Miller unter der Regie von Ellen Kuras. Wir erklären, warum man gerade jetzt noch einmal Millers Texte und Fotos studieren sollte und warum der Film für Winslet ein Herzensprojekt war.

27. Juni 2024

Wir schreiben das Jahr 1944. Die Amerikanerin Lee Miller reist durch Frankreich und Deutschland, schreibt regelmäßig lange Geschichten und liefert Fotos für das amerikanische Modemagazin Vogue. Sie ist das, was man heute wohl einen "embedded journalist" nennen würde: Miller ist neben Martha Gellhorn, Sigrid Schultz, Virginia Cowles, Clare Hollingworth und Helen Kirkpatrick eine der wenigen Frauen, die teilweise direkt von der Front berichten – nicht selten unter Lebensgefahr. Ihrer Hartnäckigkeit ist es auch zu verdanken, dass man in der US-Vogue über die Grausamkeiten des zweiten Weltkriegs lesen kann. Miller, die dort eigentlich die Frau für die üppigen, smart fotografierten Modestrecken war, liefert der Redaktion zugleich Fotos und Texte aus dem Kriegsgebiet.

Mit den Alliierten an der Front entlang

Bevor Lee Miller beschloss, direkt in den Krieg zu ziehen, lebte sie mit ihrer großen Liebe in London: dem britischen Kunsthändler Roland Penrose. Hier arbeitet sie als Fotografin für die britische Redaktion der Vogue, ist aber zunehmend frustriert über das patriarchale Klima Englands, das ihr zum Beispiel nicht erlaubt, Fotos von den Auswirkungen des Kriegs zu schießen oder gar zu veröffentlichen. Miller drängt also die britische Vogue-Chefredakteurin Audrey Withers dazu, als Kriegsreporterin an die Front gehen zu dürfen, was diese auch erlaubt. Miller scheitert jedoch an der britischen Armee: Sie stellt keine Akkreditierungen für Frauen aus. Aber Miller gibt nicht auf: Sie wendet sich an die US-Army und bekommt die Erlaubnis.

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Vom hart umkämpften Saint-Malo aus reist Lee Miller in der Zeit von 1944 und 1945 durch das nach und nach befreite Frankreich bis nach Deutschland. Den meisten ist Miller heute vielleicht als "die Frau, die in Hitlers Badewanne saß" bekannt. In dem heute legendären Foto posiert sie am 30. April 1945 für ihren Kollegen David E. Scherman in der Badewanne der Privatwohnung Hitlers in München. Ein in aller Schnelle wundervoll hintersinnig komponiertes, betont respektloses Foto, das vor allem eines ist: Ein riesiges "Fuck you!" an Hitler und sein mordendes Regime. Was man auf diesem Bild nämlich nicht sieht: Lee Miller hatte wenige Tage zuvor das Konzentrationslager Dachau besichtigt und Dinge gesehen, die ihr zeigten, wie Deutschland wirklich war. Hier entstanden jene Fotos, die bei Ausstellungen ihrer Bilder oft in einem separaten Raum mit einer Trigger-Warnung am Eingang gezeigt werden.

Warum man als Deutsche*r ruhig noch mal Lee Miller lesen sollte

Es lohnt sich gerade jetzt, Millers Texte und Fotos aus dieser Zeit noch einmal zu studieren. Am besten geht das in ihrem Buch "Krieg – Reportagen und Fotos", das man zum Beispiel als Taschenbuch vom btb-Verlag erwerben kann. Diese unmittelbaren, sehr persönlichen Reportagen und Fotos zeigen den Blick einer faszinierenden Frau auf eine Zeit, die unser Leben in Deutschland bis heute prägt. Lee Miller kommt dabei mit ihrer Entschlossenheit, ihrem Charme und ihrem Netzwerk an Orte, an die es nicht viel Journalist:innen geschafft haben. Hitlers Badewanne zum Beispiel, aber auch die Pariser Wohnung der französischen Kultschriftstellerin Colette, die sie kurz nach der Befreiung besucht. Es sind aber vor allem die Konzentrations-Lager und die Deutschen, die ihr begegnen, die Lee Miller nicht mehr loslassen werden.

Lee Miller (Kate Winslet) und Andy Samberg als Millers Kollege David E. Sherman, mit dem sie einen großen Teil ihrer Frontreise unternahm © Sky UK Ltd / Kimberley French

Lee Miller (Kate Winslet) und Andy Samberg als Millers Kollege David E. Sherman, mit dem sie einen großen Teil ihrer Frontreise unternahm © Sky UK Ltd / Kimberley French

Lee Miller: "Sie sind der Feind. Dies ist Deutschland, und es ist Frühling. Sie haben großes Glück gehabt."

In Zeiten, in denen ein recht großer Teil Deutschlands eine Partei wählt, die das Nazi-Regime als "Vogelschiss der Geschichte" sieht. In Zeiten, in denen die Bürger:innen eines der reichsten Länder der Welt ihre Verlustängste am liebsten in Aggressionen gegen die bedürftigsten der Gesellschaft kompensieren – Geflüchtete, Arbeitssuchende, Menschen aus schwierigen sozialen Umfeldern. In diesen Zeiten also, sollte man ruhig einmal lesen, wie Lee Miller Deutschland und die Deutschen kurz nach der "Befreiung" sah. Im Vogue-Artikel "Deutschland. Der Krieg ist gewonnen" schreibt Lee Miller 1945:

"Kleine Mädchen spazieren nach ihrer Erstkommunion in weißen Kleidern und Blumenkränzchen in der Hand herum. Die Kinder haben Stelzen, Murmeln, Kreisel und Reifen und spielen mit Puppen. Mütter nähen, putzen und backen, Bauern pflügen und eggen; alles wie bei richtigen Menschen. Aber das sind sie nicht. Sie sind der Feind. Dies ist Deutschland, und es ist Frühling.

Sie haben großes Glück gehabt. Der Krieg ist für sie gerade rechtzeitig vorbei, um die Schützengräben zuzuschütten und um die Bombenkrater umzupflügen, um zu säen und zu ernten und eine warme Sommerzeit zu ge-nießen. Die Franzosen und Belgier hatten nicht so viel Glück. Deren Ernte wurde vom Krieg vergiftet, und der Staub ihrer pulverisierten Dörfer wurde an Kampfstiefeln quer durch Frankreich bis an die deutsche Grenze getra-gen. Ich missgönne den Deutschen jeden Grashalm, jede Kirsche im Vorratsschrank ihrer sparsam geführten Haus-halte, jede Furche Acker und jedes unversehrte Dach.

Zu meiner ganz ausgezeichneten Baedeker-Führung [ein damals gängiger Reiseführer] durch Deutschland gehören auch viele Orte wie Buchenwald, die in meiner Ausgabe von 1913 noch nicht erwähnt wurden, und, falls es eine weitere Ausgabe geben sollte, bezweifle ich, dass sie Erwähnung finden werden.

Schließlich hat niemand in Deutschland jemals etwas von einem Konzentrationslager gehört, und ich vermute, dass dort auch niemand auf das Touristengeschäft besonders erpicht war. Besucher buchten jedenfalls ohne Ausnahme nur den Hinfahrtschein, und falls sie lange genug am Leben blieben, hatten sie reichlich Muße, die Sehenswürdigkeiten, sowohl historische als auch moderne, im Rahmen persönlicher und praktischer Erkundungen näher kennenzulernen."

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Kate Winslet als Lee Miller

In den letzten Jahren schafften es zahlreiche Ausstellungen in Europa, das Interesse an Lee Miller aufrecht zu halten. Nun gibt es jedoch endlich auch einen groß produzierten Spielfilm über diese kämpferische Frau, die Model, Muse, Künstlerin, Fotografin, Kriegsreporterin und Mutter zugleich war. Am 26. September wird Die Fotografin in den deutschen Kinos starten. Regie führt Ellen Kuras, die Hauptrolle übernimmt Kate Winslet. An ihrer Seite: der aus "Saturday Night Live" bekannte Comedian Andy Samberg als Millers Kollege David E. Sherman, mit dem sie einen großen Teil ihrer Frontreise unternahm und Alexander Skargård als Millers Lebenspartner Roland Penrose.

Für Kate Winslet ist Die Fotografin ein Herzensprojekt, das ihren Anfang nahm als sie eher durch Zufall ein Artefakt erwarb, das in den letzten Jahren von Lee Millers Leben eine wichtige Rolle spielte: ein sehr besonderer Küchentisch, der das Herzstück in der Küche des Hauses war, in dem Lee Miller viele glückliche Sommer in Cornwall verbrachte, mit Künstlern wie Roland, Max Ernst, Noel Coward und Paul Éluard, um nur einige zu nennen. Während dieser Sommer, die Miller zu den glücklichsten Zeiten ihrs Lebens zählte, bereiteten die Künstler:innen unter der Anleitung Millers an diesem Tisch Mahlzeiten zu, aßen, diskutierten. Geradezu berühmt sind Millers eigenwillige Gerichte wie das "Marshmallow-Cola-Eis", das sie dem britischen Schriftsteller Cyril Connoly servierte, weil der sie immer damit aufzog, dass sie Amerikanerin sei. Oder die "Blumenkohl-Brüste", eine witzige Referenz auf Millers frühe surrealistische Fotografie "Severed Breast from Radical Surgery in a Place Setting" aus dem Jahr 1929.

Kate Winslet erzählt: "Vor neun Jahren rief mich ein wirklich guter Freund an, der in Cornwall lebt und für ein Auktionshaus arbeitet. Er sagte: ‚Kate, in einer bevorstehenden Auktion wird ein erstaunlicher Tisch versteigert, den musst du unbedingt erwerben. Die Geschichte dahinter ist unglaublich! Da mein Freund wusste, dass ich gerne koche und große Abendessen ausrichte und alte Tische liebe, wusste er, dass dies meine Neugier wecken würde. Schließlich habe ich ihn gekauft. Er ist wunderschön. Er ist alt und knorrig, mit einer rauen, unebenen Oberfläche. Er bietet Platz für etwa acht Personen."

Solange DAyen (Marion Cotillard) und Lee Miller (Kate Winslet) an DEM Tisch. © Sky UK Ltd / Kimberley French

Solange D'Ayen (Marion Cotillard) und Lee Miller (Kate Winslet) an DEM Tisch. © Sky UK Ltd / Kimberley French

"Viele Männer haben versucht, einen Film über Lee zu drehen."

Der Tisch weckte ihre Neugier auf das Leben von Lee Miller und je mehr Kate Winslet über Lee Miller herausfand, umso brennender erschien die Frage: "Warum hat noch niemand einen Film über sie gedreht?" Winslet kontaktierte also Antony Penrose, den Sohn von Lee Miller und Roland Penrose, um genau das zu fragen. Er sagte ihr: "Viele Männer haben versucht, einen Film über Lee zu drehen. Wir haben eine ganze Kiste mit Drehbüchern auf dem Dachboden, die nie umgesetzt wurden." Auf die Frage von Winslet, warum das so sei, antwortete Antony: "Sie haben sie einfach nicht richtig verstanden."

Ellen Kuras, Andy Samberg und Kate Winslet am Set © Sky UK Ltd / Kimberley French

Ellen Kuras, Andy Samberg und Kate Winslet am Set © Sky UK Ltd / Kimberley French

Kate Winslett und Regisseurin Ellen Kuras bekamen für die Entwicklung des Films Die Fotografin uneingeschränkten Zugang zu den Archiven von Lee Miller, orientierten sich an Antony Penroses Buch "Immer lieber woandershin – Die Leben der Lee Miller" und arbeiteten eng mit Antony zusammen. Ein Biopic wollen alle drei diesen Film aber nicht nennen. "Lee lebte viele Leben, und die Entscheidung für den wichtigsten Abschnitt ihres Lebens war nicht so leicht", sagt Winslet. "Wir haben uns immer wieder gesagt, dass wir nicht in die Falle eines Biopics tappen dürfen. An dieser Erzählstruktur waren wir nicht interessiert. Außerdem wäre es unmöglich gewesen, die Geschichte von Lee Miller von der Wiege bis zur Bahre in einem Spielfilm zu erzählen, weil sie sich im Laufe ihres Lebens so oft neu erfand."

Daniel Koch

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