Als Back To Black in der vergangenen Woche in Berlin seine Deutschlandpremiere feierte, waren auch Hauptdarstellerin Marisa Abela, Regisseurin Sam Taylor-Johnson und Produzentin Alison Owen in der Astor Filmlounge zu Gast. Taylor-Johnson sagte vor dem Film auf der Bühne: "Marisa ist auch da und fürchterlich nervös. Sie versteckt sich da hinten irgendwo im Dunkeln." Ein charmanter Witz – der vermutlich einen wahren Kern hatte. Denn seien wir doch mal ehrlich: Eigentlich dachten die meisten Amy-Fans, man könne nur verlieren, wenn man in die Rolle dieser schillernden, in ihren letzten Jahren oft tragischen Künstlerin schlüpft. "Love is a losing game", das wusste schon Amy – sie zu spielen, sah für viele ebenso nach einem "losing game" aus. Nach dem Film hörte man an diesem Abend aber viele Stimmen, die sagten: "Der war ja richtig gut." Das klang nicht selten ehrlich überrascht.
Aber es stimmt – und das liegt zu großen Teilen an Marisa Abela. Vor allem sie hatte im Vorfeld viel Feuer bekommen. Amy-Fans meinten, sie sähe so gar nicht wie ihr Idol aus. Als wenn ein Biopic unbedingt ein exaktes Lookalike casten müsste! Als Fotos vom Set in der Klatschpresse auftauchten, auf denen man Marisa als weinende Amy sieht, spülte eine Welle an Hate-Posts durch das Netz. Auch die Entscheidung, Marisas Gesang im Film zu verwenden, erzürnte viele Fans. Die Polarisierung geht bis heute weiter: Einige Kritiker:innen verreißen Back To Black, andere sehen in dem Film eine Wärme und Liebe für Amy Winehouse, die in der Fokussierung auf ihr Leiden oft untergeht. Wo sich aber fast alle einig sind: Marisa Abela hat Erstaunliches geleistet.
Im Interview bei der Filmpremiere sagte Abela, sie sei kein Fan von Method Acting, sie habe sich Amy Winehouse genähert, wie sie sich als Schauspielerin eben einer Rolle nähert. Die Sache mit dem Singen hätte sich im Laufe der Vorbereitungen ergeben, erzählte dann Sam Taylor-Johnson. Reines Playback wäre sofort aufgefallen, also habe man gedacht, man ließe Abela singen und lege dann das Playback darüber. Bis man dann bei einer Session merkte: "Fuck, die kann singen!" Also intensivierte man den Gesangsunterricht und verwendete Marisa Abelas Stimme. Was sich hier wagemutig oder gar gotteslästerlich liest – es geht immerhin um Amy fuckin‘ Winehouses Stimme! – funktioniert im Film dann perfekt. Und hier steckt auch der Schlüssel zur Rezeption des Films: Back To Black ist dann am besten, wenn man ihn als Hommage an Amy Winehouse sieht – und zwar als durch und durch liebevolle, auch wenn man die hinreichend bekannten tragischen Kapitel natürlich nicht auslassen kann.
Darstellerin Marisa Abela (Amy Winehouse) und Regisseurin Sam Taylor-Johnson am Set. © © Dean Rogers © STUDIOCANAL SAS
Back To Black erzählt nicht das komplette Leben der Amy Winehouse: Wie der Titel schon sagt, steht die Arbeit an ihrem Vermächtnis und Meisterwerk "Back To Black" im Mittelpunkt, das eng verbunden ist mit ihren Suchtproblemen, der Papparazzi-Belagerung und natürlich ihrer toxischen Liebe zu Blake Fielder-Civil. Taylor-Johnson drehte dafür zu großen Teilen an Originalschauplätzen, führt uns in die Clubs und Bars des Londoner Stadtteils Camden, wo damals das popkulturelle Herz der Stadt schlug. Ein Umfeld, in dem auch die Regisseurin ungefähr zur gleichen Zeit wie Amy viel unterwegs war. Man hatte sogar gemeinsame Bekannte.
Amy (Marisa Abela) und Blake (Jack O’Connell) © © Dean Rogers © STUDIOCANAL SAS
Blake und Amys Vater Mitch Winehouse werden dabei in einem etwas milderen Licht gezeigt, als es die ebenfalls sehr sehenswerte Dokumentation Amy – The Girl Behind The Name von Asif Kapadia tat. Sam Taylor-Johnson erklärte das in Berlin so: "Ich wollte den Film aus Amys Sicht erzählen. Sie schaute mit Liebe auf diese Menschen, auch wenn sie ihr nicht immer guttaten, also wollte ich mir nicht anmaßen, darüber zu werten." Das macht dramaturgisch natürlich Sinn – zweifelsohne die Dinge aber auch ein wenig leichter. Selbst wenn Taylor-Johnson versichert, dass weder das Label Sony Music noch die Familie Winehouse Einfluss nehmen durften.
Blake (Jack O’Connell) schaut einem Auftritt von Amy (Marisa Abela) zu © © Ollie Upton © STUDIOCANAL SAS
Trotzdem kann man sich nicht dagegen wehren, sich kurz sogar ein Stückweit in den Film-Blake zu verlieben, der von Jack O’Connel als charismatisches Arschloch gespielt wird. Vor allem die (im realen Leben nicht genau dokumentierte) Szene, wie Amy Blake in einer Bar zum ersten Mal klarmacht – und nicht umgekehrt – ist geradezu magisch. Vor allem, wenn man sie im englischen Original schaut, wo die F-Words ja eh immer besser klingen. Taylor-Johnson, beziehungsweise das Drehbuch von Matt Greenhalgh, verwebt prägende Szenen aus Amys Leben immer wieder mit Songs, die zu der Zeit entstanden. "Fuck Me Pumps" hört man nach diesem Film zum Beispiel ganz anders.
Am besten ist der Back To Black aber dann, wenn er die vielen Facetten der Amy Winehouse zeigt. Die liebevolle Amy an der Seite ihrer Großmutter. Die wie ein Rohrspatz fluchende Amy, die sich durch die Camdener Clubs schnoddert. Die konservative Amy, die die große Liebe finden und Mutter werden will. Die selbstbewusste Amy, die irgendwann um ihre Stimme und ihr Talent weiß und sich auch von den Big Playern der Musikwelt nichts sagen lässt. Aber natürlich auch die struggelnde Amy, die mit Süchten, Ängsten, Enttäuschungen und Krankheiten kämpft.
Amy (Marisa Abela) und ihre "Nana" Cynthia (Lesley Manville) © © Dean Rogers © STUDIOCANAL SAS
Natürlich sieht man in Back To Black in all diesen Szenen nicht DIE Amy – die bleibt einzigartig – aber eine Interpretation von ihr, die sich zwar nicht in die ganz dunklen Ecken wagt, aber diese vielleicht auch aus Respekt nicht noch einmal fiktional ausschlachten will. So sieht man auch ihren Tod nicht auf der Leinwand, sondern eine poetische, metaphorische Szene, die mit einer schlechteren Schauspielerin sicher in den Kitsch abgedriftet wäre.
Wenn der sehr dezente Soundtrack von Nick Cave und Warren Ellis ausklingt und am Ende sogar in einen neuen Cave-Song übergeht, den er spontan für den Film schrieb, will man sofort nach Hause fahren und noch einmal "Frank" und "Back To Black" hören (oder unsere handverlesene Amy-Playlist, die Sie am Ende des Textes finden). Man will Amys letzte Performance an der Seite ihres Idols Tony Bennett bei YouTube schauen – und ja, man will auch die Amy-Doku nochmal schauen. Und sei es nur wegen der hinreißenden Auto-Szene, wo sie mit ihrem Kumpel nach London fährt. Und mal ehrlich: Mehr kann man mit diesen Genre Biopic – das viele Musikfans eh für überflüssig halten – doch eigentlich kaum erreichen, oder?
DK