Am 25. April 2021 wäre einer der ganz großen Regisseure des französischen Kinos 80 Jahre alt geworden. Am gestrigen Donnerstag, genau einen Monat vor diesem besonderen Wiegenfest, ist Bertrand Tavernier verstorben. Tavernier dürfte als publikumsnaher Vertreter des anspruchsvollen Kinos in die Filmgeschichte eingehen. Seine Wege kreuzten sich früh mit denen eines Volker Schlöndorff, Jean-Pierre Melville oder Jean-Luc Godard. So war er auch an der Produktion von Godards filmischen Kommentar auf das produzentenbestimmte Filmgeschäft beteiligt. Nicht nur am Set von Die Verachtung – Le Mépris wird der junge Tavernier damals viel aufgesogen haben – und mit der eigenwilligen Nouvelle Vague-Ikone Godard verbindet ihn immerhin die Experimentierfreudigkeit in Sachen Genres sowie die Liebe zum Jazz. Mit dem Jazzfilm Um Mitternacht, Hauptrolle Dexter Gordon, zu dem Herbie Hancock den Soundtrack beisteuerte, gelang Tavernier 1986 womöglich sein absolutes Meisterstück. Auch wenn sich eine Hit-Liste bei der Vielfalt des Gesamtwerks eigentlich verbietet.
"Die Prinzessin von Montpensier" © Studioanal
Als Filmemacher bemühte sich Bertrand Tavernier eher um Zugänglichkeit. Er nahm die filmischen Mittel weniger auseinander. Vielmehr konstruierte er sorgsam Bilder und Geschichten im Sinne eines Erzählers, der dem Publikum die Sichtbarkeit seines Handwerks nicht zumuten möchte und dennoch keine reinen Illusionen zu verbreiten gedenkt. Tavernier drehte zahlreiche Genrefilme. Spannende Krimis wie seinen herausragenden Erfolg Der Uhrmacher von St. Paul nach Georges Simenon aus dem Jahr 1974, das impressionistische Filmgemälde Ein Sonntag auf dem Lande von 1984 oder 2010 den geradezu nach modrigen Burgen und flackernden Kerzen duftenden Die Prinzessin von Montpensier. Gerade in diesem Historiendrama, dessen Handlung zur Zeit der Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und Hugenotten in Frankreich angesiedelt ist, werden einige der wiederkehrenden Themen Taverniers deutlich. Etwa die Rolle der Frau in der Geschichte und die Geschichte Frankreichs in der Welt, die Reflexionen über Frankreich in Frankreich (und im französischen Kino)… Wobei die Szene, in der besagte Prinzessin ihren Lehrer darum bittet, das Schreiben auf den Lehrplan zu setzen, da man beim Schreiben besser lernen könne, mehr sagt als tausend andere Bilder. Über 50 Spielfilme hat Tavernier gedreht, viele Auszeichnungen eingeheimst – und als stetig lernender und niemals als belehrender Filmemacher die Kinolandschaft für alle Zeiten um seine wunderbare Handschrift bereichert. Bertrand Tavernier wird fehlen, der typische Schwung seiner alten Schule bleibt.
WF