Control von Anton Corbijn gibt es ab sofort bei ARTHAUS+, und ich habe den Fehler gemacht, ihn noch einmal anzuschauen. Was nicht als Diss gemeint ist. Control ist ein würdevoller, tragischer, optisch wunderschöner Film, der einerseits Joy Division und Ian Curtis würdigt, aber auch Deborah Curtis' Geschichte erzählt. Sie war Ian Curtis' Ehefrau und schrieb das berührende Buch "Touching From A Distance", das den beiden sehr nahekommt.
Ian Curtis wird in Control von Sam Riley gespielt, Deborah von Samantha Morton und Ian Curtis' Affäre Annik Honoré von Alexandra Maria Lara. Eine romantische Sidenote dazu: Lara und Riley heirateten später und haben inzwischen einen Sohn zusammen.
Dass ich bereue, Control noch einmal geschaut zu haben, liegt vor allem daran, dass ich jetzt eine Weile nicht mehr mein absolutes Lieblingslied von Joy Division hören kann. Das heißt nämlich "Atmosphere", ist eines der dunkelsten und schönsten Lieder der Welt, und läuft in Controlin der Szene, als Ian Curtis 1980 nach seinem Suizid tot aufgefunden wird. Schon damals im Kino zuckte ich zusammen, als diese einzigartige Bassmelodie von Peter Hook ertönte und Stephen Morris' Drums einsetzten. Ich habe Anton Corbijn verflucht und gefeiert, denn natürlich/leider ist dieser Song die perfekte Wahl für diese niederschmetternde Szene.
Zum Start auf ARTHAUS+ widmen wir unsere Rubrik "Die Playlist danach" Control. Zu den O.S.T.-Songs von Joy Division, Iggy Pop, David Bowie, The Killers, Sex Pistols, The Velvet Underground u.a. packen wir Lieder von Bands, die ausdrücklich von Joy Division inspiriert wurden. Zum Beispiel die New Yorker Band Interpol, die auf ihrem Debüt sehr nah am Joy-Division-Sound war. Bloc Party, Savages, OMD, Tears For Fears, Mogwai, The xx und TV On The Radio sind ebenfalls bekennende Verehrer*innen der Kultband aus Manchester. Bei anderen, zum Beispiel der tollen Songwriterin Nilüfer Yanya, ist es eher so, dass Ian Curtis & Co. nur einer von vielen Einflüssen ist – über sie schrieb der britische "Guardian" mal, sie klänge wie eine Mischung aus Joy Division, King Krule und PJ Harvey.
In den letzten Jahren war der abgründige Sound mal wieder besonders hoch im Kurs, als eine neue Generation von Musiker*innen ihre Liebe zu Joy Division entdeckte. Da gibt es zum Beispiel die belarussische Band Molchat Domma aus Minsk, die sich am sowjetischen Underground-Rock der 80er orientiert, der ebenfalls massiv von Joy Division inspiriert war. In Deutschland wiederum ist es die sogenannte Neue Neue Deutsche Welle (NNDW), bei der Künstler wie Edwin Rosen oder Bands wie Steintor Herrenchor hörbare Ian-Curtis-Vibes in die deutsche Sprache übersetzen.
Trotzdem möchte ich diese Playlist ein wenig hoffnungsvoll ausklingen lassen. Nach dem ersten Song vom ersten Album der Joy-Division-Nachfolge-Band New Order, die ebenfalls Musikgeschichte schrieb, kommt einer der Indie-Hits der Nullerjahre: "Let's Dance To Joy Division" von The Wombats. Der Song erinnert mich an all die Nächte im Berliner Club Magnet, wo man entweder besoffen, verliebt, euphorisiert (oder alles zusammen) zu "Love Will Tear Us Apart" getanzt hat – oder eben zu den Wombats, um dann im Kreise der Gleichgesinnten zu grölen: "Let's dance to Joy Division / And celebrate the irony / Everything is going wrong / But we're so happy."
DK