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Das Dune Dilemma

Der berühmte Roman von Frank Herbert gilt zu Recht als Science-Fiction-Klassiker, funktioniert ehrlich gesagt aber am besten im Kopfkino. Wir werfen nochmal einen Blick auf David Lynchs Dune-Verfilmung, die er selbst gerne vergessen würde und fragen uns, warum dieses tolle Buch für Regisseure so ein verdammt harter Brocken ist.

Filmgeschichten 29. September 2021

David Lynch traf die Sache ganz gut, als er noch Interviews zu seinem ungeliebten dritten Kinofilm gab. Er sagte 1985: "Dune ist seltsame Science Fiction, weil darin viele andere Themen verwoben sind." Wer das Buch von Frank Herbert kennt, weiß, warum selbst ein David Lynch hier das Wort "seltsam" gebrauchen muss. Denn auch wenn Dune vordergründig ein großes Weltraum-Epos ist und Herbert teilweise eine sehr klare, action-reiche Bestseller-Sprache kann, ist die Geschichte um den jungen Paul Atreides, der im Kampf um den Wüstenplaneten Arrakis – oder auch Dune genannt – seine Rolle finden muss, weitaus komplexer, als man das in einem abendfüllenden Film erzählen könnte. Die Welt, die Herbert aufmacht, ist so voller eigentümlicher Politik-,Technik-, Glaubens-, Umwelts- und Sprach-Besonderheiten, dass einem schon beim ersten Lesen manchmal der Kopf schwirrt. Aber Dune ist eben auch ein Buch, das man genau aus diesem Grund mehrfach lesen muss.

Im Mittelpunkt des Konflikts zwischen den galaktischen Fürstenhäusern Harkonnen und Atreides um den Wüstenplaneten Dune, auf dem die wichtige Substanz Spice gewonnen wird, steht besagter Paul Atreides, Sohn des Atreides-Herrschers Leto Atreides. Paul muss im Schnell-Durchlauf erwachsen werden, mit Verrat und Mord klarkommen und dann auch noch zum Messias der Ureinwohner von Arrakis mutieren: zu Muad’Dib, der schließlich die Fremen, so heißt dieses Wüstenvolk, in den heiligen Krieg führt. Das tut er schließlich sehr spektakulär auf den gigantischen Sandwürmern reitend, die die eigentlichen Stars von Dune sind. Klingt nach einem typischen Hollywood-Blockbuster-Stoff, wird bei Herbert aber zu einer tief schürfenden, fintenreichen Story, zwischen Science Fiction, Religion, Esoterik und Umweltfragen. Was in Herberts Fortsetzungen dann auch für den Leser recht anstrengend wird, ist in "Dune" noch perfekt abgeschmeckt. In diesem Buch hält man Paul Atreides seltsamerweise auch noch für einen Sympathieträger, obwohl er schon da am Ende recht deutlich zum religiös überhöhten Massenmörder tendiert – aber das ist eine andere Geschichte.

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Mit dem Auftrag, Dune ins Kino zu bringen, war David Lynch innerhalb kürzester Zeit in der ersten Hollywood-Liga angekommen. "Es war seltsam für mich: Die Sprünge von Eraserhead zu Der Elefantenmensch zu Dune waren riesig, vor allem, was die Größe der Produktion angeht. Ich brauchte dreieinhalb Jahre voller Sechs-Tage-Wochen für Dune.“ Aber nicht nur die Größe der Produktion war außergewöhnlich, das Projekt Dune hatte schon vorher viel Geld verschlungen und einige kreative Köpfe zum Qualmen gebracht, was den Druck auf die Produktionsfirma und die Erwartungshaltung exponentiell erhöhte.

Bevor Dino DeLaurentiis die Filmrechte erwarb, hatte schon der chilenisch-französische Regisseur Alejandro Jodorowsky Mitte der Siebziger ein Team zusammengestellt und eine Vision ausgebreitet, über die später noch zu reden sein wird. DeLaurentiis beauftrage 1978 Herbert selbst, ein Drehbuch zu schreiben. Nachdem dieses auf drei Stunden Spielzeit hinausgelaufen wäre, setzte DeLaurentiis Ridley Scott als planenden Regisseur mit dem Drehbuchautor Rudy Wurlitzer an den Stoff. Auch das ging nicht voran, weil Scott zwei Filme daraus machen wollte und schließlich genervt weiterzog – unter anderem um Blade Runner anzugehen. Dino De Laurentiis‘ Tochter Raffaella, die ausführende Produzentin von Dune, beschied schließlich – nachdem sie Der Elefantenmensch gesehen hatte – dass Lynch der Regisseur sein sollte. Auch Lynch brauchte sechs Anläufe, bis man ein Drehbuch hatte, mit dem man die Verfilmung starten konnte.

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Das Ergebnis wurde bekanntlich nicht der historische Blockbuster, der den Krieg der Sterne in die Wüste schickte, wie die Produzenten erhofft hatten. Und selbst Lynch sagte erst kürzlich in einem Online-Q&A mit seinen Fans: "Ich bin mehr oder weniger stolz auf alles außer Dune." Dem Hollywood Reporter sagte Lynch im letzten Jahr, er habe keinen Bedarf, sich Denis Villeneuves Dune anzuschauen. Zu sehr schmerze ihn das eigene Versagen. An dem unter anderem auch Differenzen um den Schnitt und die schon vorher immer wieder auftauchende Frage, wie lang denn der Film sein soll, Schuld waren. Wenn Lynch dann doch mal zu Dune gefragt wird und freundlich genervt antwortet, sagt er so etwas:

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Die Kritiken zu Dune waren in der Tat eher vernichtend, was viel damit zu tun hat, dass man den Film eigentlich nur versteht, wenn man das Buch dreimal gelesen hat und eine bildhafte Fantasie hat, um sich die erzählerischen Lücken selbst in Lynchs Ästhetik vorstellen zu können. Trotzdem ist seine, mit 136 Minuten eher kompakte Version, weiterhin unbedingt sehens- und empfehlenswert, weil Lynch bei all dem Stückwerk hin und wieder erstaunliche Lösungen in Sachen Cast und Ästhetik fand, die Frank Herbert zumindest zum Schmunzeln gebracht haben dürften.

Hauptdarsteller Kyle MacLachlan mag hier ausnahmsweise mal nur solide sein (und natürlich zu alt, um den Teenager Paul zu spielen), aber Kenneth McMillan als grell überzeichneter Überüberbösewicht Baron Harkonnen ist ein herrlich ekliger Irrsinn, der vielleicht nur noch von seinem Neffen Feyd getoppt wird, den ausgerechnet Sting, der damals gerade zum Popstar wurde, manchmal gar nur in Space-Unterbuchsen durch den Film gockeln lässt. Auch Pauls übersinnlich-verrückte Schwester Alia aus dem letzten Filmdrittel wird man erst Monate später aus seinen Alpträumen verjagen können.

Auch für die Ästhetik der Raumschiffe, der Spice-Erntefahrzeuge, der Fremen-Anzüge und der Sandwürmer fand das Team von Lynch für die Zeit erstaunliche Lösungen. Eben weil Lynch seine eigene Seltsamkeit ebenso wenig abgelegt hat wie Herbert in seinem Buch: die mutierten Navigatoren der Weltraumgilde sind bei Lynch faszinierende, mächtige, abstoßende Wesen, bei denen selbst Jabba The Hut die Nase rümpfen würde.

Dass man in den letzten Jahren wieder viel über David Lnychs Dune redet, liegt natürlich an zwei Filmen, die sich ebenfalls mit Frank Herberts Wüstenwelt befassen. Da wäre zum einen die sehr sehenswerte Dokumentation Jodorowsky’s Dune, die 2013 erschien und mit den Jahren immer größere Kreise zog. Sehenswert ist der Film vor allem, weil in Jodorowsky Team erstaunliche Ideen entstanden, die spätere Science-Fiction-Filme wie Alien maßgeblich prägten. Darin sieht man auch die sagenumwobene "Dune Bible" (die man hier in Teilen einsehen kann) mit den Skizzen des großen Künstlers Jean Giraud alias Moebius. Das Buch, das verschickt wurde, um Produzenten und Geldgeber zu überzeugen, ist ein rares Sammlerstück, für das 2019 bei einer Auktion schonmal 42.500 US-Dollar gezahlt wurden. Viele halten den nicht realisierten Film von Jodorowsky für den besseren Dune – und der chilenische Surrealist bekommt in der Doku viel Raum, diese These zu befeuern. Wenn man sich einige seiner Ideen so anhört, muss man allerdings eher von Glück sagen, dass er sie nicht realisieren konnte. Sie klingen einfach zu gut, um wahr zu sein. Beziehungsweise: Viele von ihnen hätten man damals mitnichten unfallfrei auf die Leinwand bekommen. Was wieder zu der These führt, dass Dune im eigenen Kopfkino am besten funktioniert. Das weiß auch Jodorowsky, wenn er mit feinem Lächeln sein Regisseurs-Seemanns-Garn spinnt.

Aktuell bringt natürlich Denis Villeneuves Blockbuster Dune wieder zurück ins Scheinwerferlicht. Viele Herbert-Fans mögen dessen Verfilmung, die vor allem durch das Set-Design und das World Building beeindruckt. Hier sieht man tatsächlich Designs, Waffen und Ideen, die man in anderen Science Fiction-Filmen noch nicht gesehen hat. Was man ja auch erstmal schaffen muss. Trotzdem hadert auch Villeneuve mit der Detailfülle von Herberts Geschichte. Er muss sich für einige Schwerpunkte entscheiden und blendet andere fast vollständig aus. So gelingt es ihm zwar, die karge Schönheit des Wüstenplaneten visuell auszuschmücken. Dafür bleibt aber die religiöse und spirituelle Ebene der Fremen und ihrer Rituale größtenteils auf der Strecke. Zumindest im ersten Teil – man darf noch darauf hoffen, dass Villeneuve Pauls Aufnahme im Kreis der Fremen im zweiten, noch zu filmenden Teil nutzt, um hier aufzuholen. Clever gewählt ist wiederum der Fokus auf Pauls Mutter und den Frauenorden der Bene Gesserit, der hier ähnlich intensiv ausgeleuchtet wird, wie in Frank Herberts Roman.

"Dune" bleibt also der schwere Brocken, der dieser Roman nunmal ist. Aber gerade das macht ja auch den Reiz all dieser Verfilmungen aus. Dieses Buch zu verfilmen ist eine Aufgabe, an der man sich nur verheben kann. Mit diesem Wissen findet man in allen Verfilmungen (sogar ganz manchmal in der TV-Adaption aus dem Jahr 2000) Stellen und Momente, die man nur zu gerne aufgreift – um sie im eigenen Kopfkino einzuarbeiten.

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DK

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