In der Menschheitsgeschichte gibt es wohl kaum eine extremere Erfahrung als den Krieg. Das berühmte Sprichwort, der Krieg bringe das Schlechteste und das Beste im Menschen hervor, findet auch in dem Antikriegsdrama Dörfer in Flammen des serbischen Regisseurs Srdjan Dragojevic Erwähnung. Die Antwort, was das Beste diesbezüglich sein könnte, bleibt Dragojevics hervorragender Film natürlich schuldig. Das liegt in der Natur der Sache, schließlich kann aus etwas Falschem kaum etwas Gutes erwachsen. Dragojevic erzählt hier von einem grausamen Konflikt, der vor nicht allzu langer Zeit mitten in Europa eskalierte und sich in verschiedenen Ausprägungen unter dem Sammelbegriff "Jugoslawien-Kriege" durch die kompletten 1990er Jahre zog, was die serbische Autorin Barbi Markovic dazu veranlasste, die Figuren ihres großartigen Romans "Die verschissene Zeit" über die gesamte Kriegsdekade in einer Zeitschleife gefangen zu halten. Die 1990er Jahre und der Krieg hören für sie einfach nie auf. Ein nachvollziehbarer Kunstgriff – und so prallen auch in Dörfer in Flammen Elemente eines magischen Realismus auf die wenig zauberhafte Wirklichkeit.
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Zwanzig bis dreißig Jahre, die seit dem Beginn beziehungsweise Ende der realen Kampfhandlungen vergangen sind, stellen keine besonders lange Zeitspanne dar. In Serbien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina und den übrigen beteiligten Ländern, die als eigenständige Staaten aus diesen Kriegen hervorgegangen sind, sind die Wunden längst nicht verheilt. Viele Menschen dort, die das Blutvergießen selbst erlebt und teilweise mit dazu beigetragen haben, dürften noch unter schwerwiegenden Traumata leiden. Ehemalige Büger*innen des blockfreien Jugoslawien, die einst Nachbar*innen oder gar Mitglieder derselben Familie waren. Das Streben nach nationaler Souveränität in den einzelnen Teilen des Staatskonstrukts sorgte selbst plötzlich da für erbitterte Feindschaft, wo vorher innige Freundschaft herrschte. Klar, es gibt eine historische Vorgeschichte. Aber die Absurdität dieses gegenseitigen Abschlachtens unter Menschen, die zuvor über Jahrzehnte friedlich mit- und nebeneinander gelebt hatten, steht nicht von ungefähr im Zentrum der Handlung von Dörfer in Flammen. Es ist schlichtweg nicht zu fassen.
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Auf mehreren Zeitebenen erzählt Srdjan Dragojevic vom Serben Milan, der sich im Krieg zu einem brandschatzenden Hasser der muslimischen Bevölkerung Bosniens entwickelt, obwohl er seine Kindheit an der Seite eines Moslems, seines besten Freunds Halil, verbrachte. Der schwarze Humor und die komplexe Erzählstruktur sorgen hier für eine ungewöhnliche aber angemessene Beschäftigung mit diesem düsteren Kapitel europäischer Geschichte auf dem Balkan. Die von sämtlichen Politiker*innen und von allen guten Geistern verlassenen Soldaten der verfeindeten Seiten finden sich in einer tödlichen Falle wieder. Der Tunnel als eine Art Sackgasse, die theoretisch von beiden Seiten zu verlassen wäre, ist geradezu sinnbildlich für die Situation, in der sich die zerfallende jugoslawische Gesellschaft ebenso wie diese todgeweihten Männer damals befindet. Und wer solch ein blutiges Spektakel gegen alle Wahrscheinlichkeit doch überlebt, könnte innerlich trotzdem ein Stückweit gestorben sein. Das ist die bittere Erkenntnis von Dörfer in Flammen, der schon unter einer Prämisse steht, die schaudern lässt: "Gewidmet der Filmkunst eines Landes, das nicht mehr existiert." Und das paradoxe Fazit muss lauten: Der Krieg ist das Monster, nicht der Mensch. Aber ohne Menschen gäbe es keinen Krieg.
WF