Als Berliner freut man sich ja immer besonders, wenn findige Kulturmenschen die Nutzung historischer Räumlichkeiten organisieren, in die man sonst einbrechen müsste. Wobei: Oft kann man sie auch als Filmkulisse oder für exklusive Marken-Events buchen, aber das kostet halt eine Stange Geld. Nachdem zuletzt das ausrangierte, wunderschöne und langsam verstaubende ICC-Kongresszentrum für eine dann eher mittelgute Ausstellung genutzt wurde, hat man aktuell mal wieder die Chance, die denkmalgeschützten Hallen des Tempelhofer Flughafens zu besuchen.
Ich muss zugeben: Ich bin dort sehr gerne. Nicht nur, weil ich 2005 beim ersten Berlin Festival an diesem Ort involviert war und die kulturelle Wieder-Erschließung dieser beeindruckenden und geschichtsreichen Bauten recht früh live erleben konnte, sondern auch, weil diese Hangars und Hallen wirklich eine besondere Aura haben. Man gruselt sich ein wenig vor der von Ernst Sagebiel geplanten Architektur, die sehr offensichtlich Hitler und Co. gefallen sollte und schon Teil der größenwahnsinnigen "Germania"-Planungen war. Man weiß, dass Tempelhof der Hauptflughafen der Luftbrücke war, wo Ende der 40er die Rosinenbomber landeten. Man kennt die Mythen über die zahllosen Tunnel und Bunker unterhalb des Flughafens, wundervoll satirisch überhöht dargestellt im Roman "Das Buch Gabriel" von DBC Pierre, der einen real existierenden Bunker zum Ort einer fiktiven Fick- und Fress-Orgie moralbefreiter Millionäre macht. Man erfreut sich mindestens acht Monate im Jahr an den Weiten des Tempelhofer Felds, an dessen Rand der Flughafen, seiner Grundfunktion beraubt, ein wenig melancholisch auf das bunte Treiben auf dem Rollfeld blickt, wo keine Linienflüge sondern nur noch Lenkdrachen abheben. Und man weiß um Tempelhof als beliebte Filmkulisse: Der Flughafen spielt eine Rolle in Eins, zwei, drei von Billy Wilder, gab sich apokalyptisch im Finale von Die Tribute von Panem und wurde auch für Cloud Atlas und Die Bourne Verschwörung bespielt.
Das "thf Cinema" weiß natürlich um diese Vorgeschichte und hat schon seit dem letzten Novemberwochenende die Haupthalle in ein Kino der besonderen Art verwandelt. Besonders nicht nur, weil man wirklich inmitten der Haupthalle sitzt und ich erst wie der hinterletzte Tourie fotografierend durch die Halle mäandern musste. Besonders ist aber auch das Programm, weil nämlich geschmackvoll kuratiert und mit feinem Humor angekündigt. Als ich für das ARTHAUS Magazin am letzten Wochenende dort für diesen Besuchsbericht vorbeischaute, um mich mit James Stewart, Grace Kelly und Alfred Hitchcock an Das Fenster zum Hof zu setzen, lief dort über mehrere Tage die "Cinematic Lockdown Experience", die einen Tag nach meinem Besuch mit der dreieinhalb Stunden dauernden Version von Das Boot zu Ende ging und Filme wie Breakfast Club und The Shining mit dieser Klammer recht schlüssig zusammenbrachte. Und besonders ist das Kino natürlich der besonderen Zeiten wegen: Zwar sind auch die "normalen" Kinos mit ihren Hygienekonzepten sehr sicher, aber in der riesigen Haupthalle von Tempelhof haben die Aerosole eben noch ein wenig mehr Platz sich zu verzischen. Und 2G und Maskenpflicht (außer auf den Plätzen) gilt natürlich auch hier.
Das Programm des kommenden Wochenendes ist dann übrigens sehr ARTHAUS-geprägt: Vom 16. bis 19. Dezember gibt es 2Stories Of Berlin and THF" mit Der Himmel über Berlin, In weiter, Ferne so nah! und Die Tribute von Panem – Tödliche Spiele, der am THF zu großen Teilen gedreht wurde. Um das Weihnachtswochende gibt es als Finale dann die "Season's Greetings" mit tollen Christmas Classics wie Gremlins, Stirb Langsam, Drei Haselnüsse für Aschenbrödel und Tatsächlich … Liebe.
Als Kino- und als Tempelhof-Fan kann ich also einen Besuch im THF Cinema wärmstens empfehlen und habe schon ein Date mit Freunden beim nächtlichen Suspiria Grusel am Wochenende. Schauen Sie doch auch mal vorbei! Tickets und Infos finden Sie auf der Website des "thf Cinema".
Daniel Koch