„It’s too late to stop“. Diese Worte spricht Donald Sutherland in einer seiner letzten großen Kinoproduktionen: Moonfall von Roland Emmerich. Auch wenn Cineast*innen bei diesem Namen die Nase rümpfen, trifft der Satz das Schaffen dieses charismatischen Schauspielers besser als jede lustige Line aus „M.A.S.H.“ oder jede dramatische aus Wenn die Gondeln Trauer tragen. Man hatte bei Donald Sutherland wirklich oft das Gefühl, er werde einfach immer weiterdrehen, bis er irgendwann glücklich und zufrieden in eine andere Bewusstseinsebene übergeht, wo er den Allmächtigen dann vermutlich zuerst fragt, wie es denn hier um das Filmbusiness stehe.
Aber an Donald Sutherlands kleiner Rolle in Moonfall als mondreisender Astronaut Holdenfield kann man eine weitere Stärke seines Schaffens ablesen: Wo immer er auftauchte, verlieh er einem Film einen gewissen Stolz und eine gewisse Gravitas – völlig egal, ob der nun Stolz und Vorurteil, Das Chaos-Duo, Das dreckige Dutzend, Space Cowboys, Die Tribute von Panem, Kentucky Fried Movie! oder eben Wenn die Gondeln Trauer tragen hieß.
Donald Sutherland auf der Premiere von DIE TRIBUTE VON PANEM - MOCKINGJAY TEIL 2 in Berlin © Studiocanal GmbH / Franziska Krug
Sutherland mag in seiner langen Karriere oft mal auf den falschen Film gesetzt haben, aber er machte eben wenig Unterschied zwischen Hochkultur-Kino und guter (oder auch mal trashiger) TV- und Serienunterhaltung. Dort startete er im Grunde auch: Nach ersten Schritten in Richtung Theater-Karriere waren es vor allem die Rollen in Horror-B-Movies wie Castle Of The Living Dead oder Die! Die! My Darling die sein schon damals unvergessliches Gesicht einem größeren Publikum zeigten – was ihm dann einen Zuschlag in Das dreckige Dutzend verschaffte, wo er angeblich nur einen Satz sagen sollte, dann aber plötzlich zur richtigen Zeit am richtigen Ort war: Da sich Kollege Clint Walker weigerte, eine quatschige Szene zu drehen, habe Regisseur Robert Aldrich in Richtung Sutherland gerufen: „Du da, mit den großen Ohren! Du machst das jetzt.“
An Donald Sutherland waren allerdings nicht nur die Ohren groß – er kam auf eine stattliche Körpergröße von 1,92 Meter. Seine erste Rolle – so erzählte er es vor einigen Jahren dem Magazin „GQ“ – habe man ihm auch abgesagt, weil er für eine „Nachbar von Nebenan“-Rolle vorgesprochen habe. Die Casting-Direktoren waren zwar begeistert von ihm, fanden ihn aber eben alles andere als normal. „Wer Sie als Nachbar hat, wird ihr Gesicht niemals vergessen“, habe man ihm gesagt.
Donald Sutherland hat seit den 70er-Jahren weit über 150 Filme gedreht und nannte dieses regelsprengende Vermächtnis gerne „eine mäandernde kleine Karriere“. Ein Satz, den er zuerst kurz nach Das dreckige Dutzendsagte und selbst in den letzten Jahre gerne wiederholte. Erstaunlich daran ist vor allem die Tatsache, dass Donald Sutherland eben nicht nur mit einer bestimmten Ära des Kinos in Verbindung gebracht wird. Während viele Boomer durch sein Leiden und Spielen in Wenn die Gondeln Trauer tragen zum ersten Mal echte, welterschütternde Angst verspürten, liebten und fürchten die Millennials und selbst die Gen-Z-Kids ihn als despotischen, grausamen und trotzdem abgründig charismatischen Präsidenten Coriolanus Snow in den Filmen der Die Tribute von Panem - The Hunger Games -Reihe.
Trotzdem sagte Donald Sutherland vor einigen Jahren noch einmal bei einem Filmfestival in San Sebastián: „Ich weiß nichts über Hollywood. Ich arbeite nur.“ 2017 zeigte jedoch auch Hollywood endlich mal, dass man weiß, was Donald Sutherland geleistet hat: In dem Jahr bekam er den Ehren-Oscar überreicht - und das, obwohl er niemals zuvor in seinem Leben nominiert gewesen war.
Sutherland und Julie Christie in Nicolas Roegs "Wenn die Gondeln Trauer tragen" © STUDIOCANAL
Als die Nachricht von Donald Sutherlands Tod die Runde machten, verneigten sich zahlreiche prominente Menschen vor ihm: Joe Biden würdigte Sutherland auf Twitter als geliebten Ehemann, Vater, Großvater und Schauspieler, der „einer wie keiner“ gewesen sei. Er habe die Welt jahrzehntelang inspiriert und unterhalten. Der Premierminister von Sutherlands Heimatland, Justin Trudeau schrieb: "Wir haben einen der Großen verloren.“ Sutherland habe „ein Level von Brillanz in seine Kunstform gebracht, bei der nur wenige mithalten konnten.“
Kolleg:innen wie Helen Mirren erinnerten sich an „einen der klügsten Schauspieler, mit denen ich je zusammenarbeiten durfte“, während Jane Fonda auf Instagram schrieb: „Donald war ein brillanter Schauspieler und ein vielschichtiger Mensch.“ Und auch Roland Emmerich dankte ihm für das „große Privileg, mit dem unglaublich begabten und legendären Donald Sutherland“ den Film Moonfall gedreht zu haben.
Die schönsten Worte fand jedoch sein Sohn Kiefer Sutherland: „Ich persönlich denke, dass er einer der wichtigsten Schauspieler in der Geschichte des Films ist. Nie hat ihn eine Rolle eingeschüchtert, egal ob sie gut, schlecht oder hässlich war. Er hat geliebt, was er getan hat, und getan, was er geliebt hat, und um mehr kann man nicht bitten. Ein gut gelebtes Leben.“