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"Ich sehe dich!": Bewegende Momente des queeren Kinos

Zum Pride Month schauen wir auf einige besonders bewegende Momente des queeren Kinos. Wir feiern unseren Blickkontakt mit Orlando, schauen auf das erste Coming-Out in einem Hollywood-Film, sehen das "schmutzigste" und zärtlichste Knutschen des deutschen Indie-Films und freuen uns über die Liebe zweier Cowboys nach dem Duell.

20. Juni 2024

Das erste Hollywood-Coming-Out in Infam

Infam aus dem Jahr 1961 mit Audrey Hepburn und Shirley MacLaine macht es der queeren Community bis heute nicht leicht. Dabei zeigt das Drama von William Wyler (nach dem Theaterstück "The Children's Hour" von Lillian Hellman) zum ersten Mal zwei Frauen, die mehr zu verbinden scheint als Freundschaft – zu einer Zeit, als genau das noch durch den sogenannten Hays Code verboten war. Shirley MacLaine und Audrey Hephurn spielten diese beiden Frauen – die Lehrerinnen Martha und Karen, die an einer Mädchenschule unterrichten und von einer Schülerin sozusagen outgecallt werden. Das kleine Gör behauptet, die beiden seien lesbisch – und trifft damit zufällig einen wahren Kern.

Obwohl Infam mit der Coming-Out-Szene queere Geschichte schrieb, sagte MacLaine Jahre später in der Dokumentation "The Celluloid Closet": "Wir hätten Vorreiterinnen sein können, aber wir waren es nicht wirklich, weil wir den Film nicht richtig angegangen sind. Wir haben damals nicht verstanden, was wir da eigentlich tun." Das Thema der lesbischen Beziehung sei laut MacLaine nicht einmal während der Proben diskutiert oder gar benannt worden.

Infam ist außerdem im damals sehr konservativen Zeitgeist verbissen und spricht bei Homosexualität ständig von einer "schmutzigen", "widernatürlichen" Empfindung, die durch und durch als Leidfaktor inszeniert wird und wie so oft in frühen Filmen zu diesem Thema gar zum Tode führt. Trotzdem blitzt in diesem traurigen, zärtlichen Film immer wieder mal die Utopie einer besseren Welt auf, in der Martha und Karen weiterhin zusammenleben dürften. Und diese Coming-Out-Szene ist bei all ihrer Tragik im Grunde ein echter Heartbreaker. Karen erzählt darin, dass ihr Verehrer die Gerüchte glaubt und sie verlassen habe – danach nimmt das Drama seinen Lauf und wir sehen ein Coming Out, in dem sogar der Satz fällt: "Aber wir lieben uns doch nicht."

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Das matschige Knutschen in Oi! Warning

Man sollte dieses Skinhead-Drama immer wieder im Kanon des queeren Kinos nennen: Der Film der Brüder Benjamin und Dominik Reding wirft einen ungewöhnlichen Blick auf die Oi!- und Skinhead-Kultur mit all ihren Widersprüchen. Im Mittelpunkt steht der 17-jährige Janosch, der durch seinen Kumpel Koma in die Skinhead- und Kickbox-Welt gezogen wird. Irgendwann langweilen ihn aber die Rituale des Saufens und Prügelns. Und er merkt, dass ihn vor allem die ausgestellte Männlichkeit der Oi!-Skins erregt und abstößt. Ausgerechnet mit einem Erzfeind der Skinheads – einem Punk namens Zottel – kommt es nach einer Rauferei zu einer der überraschendsten, im wahrsten Wortsinn schmutzigsten, queeren Knutsch-Szene des deutschen Films: Janosch und Zottel küssen und raufen sich durch ein stillgelegtes, mit Schlamm gefülltes Schwimmbad. Wer wie der Autor dieser Zeilen diese Bilder damals im Kino sah, wird sie nie wieder vergessen – egal ob hetero oder nicht …

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Unser Blickkontakt mit Orlando

Orlando ist zurecht eine Schlüsselfigur in der queeren Kulturgeschichte – was vor allem an Virginia Woolfs gleichnamigem Roman liegt. Das im Grunde sehr humorvolle Buch ist eine klar erkennbare Liebeserklärung an Vita Sackville-West, deren Biografie und Persönlichkeit sich in "Orlando" spiegelt. Im Buch heißt es: "Kein menschliches Wesen seit Anbeginn der Welt sah je hinreißender aus. Orlando war eine Frau geworden, das ist nicht zu leugnen. Aber in jeder anderen Hinsicht blieb Orlando genauso wie er gewesen war." Schon in diesem Satz steckt das wundervolle Gleiten zwischen den Geschlechtern, das den Roman – und auch die Verfilmung von Sally Potter – auszeichnet. Tilda Swinton spielt diese:n Orlando und hat im Film gleich mehrere elektrisierende Momente. Vor allem immer dann, wenn die vierte Wand durchbrochen wird und Orlando nonchalant auf die Zuschauer:innen blickt. Momente, die jedem trans Menschen Hoffnung geben – weil sie sagen: "Ich sehe dich. Ich bin wie du."

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Die Cowboys in Strange Way Of Life, die endlich zeigen, was viele Western unterschwellig andeuten

Pedro Almodóvar darf hier natürlich nicht fehlen. Eigentlich könnte man die komplette Liste mit Szenen aus seinem Oeuvre füllen, die jeden Regenbogen erblühen lassen. Aber wir schauen hier vor allem auf sein jüngstes, kurzes Meisterwerk: der Kurzfilm Strange Way Of Life, über den Almodóvar zuerst im Podcast von Dua Lipa sprach. Er teaste damals, er wolle einen "queeren Western" drehen und ging dann ins Detail: "Was ich Ihnen über den Film sagen kann, ist, dass er viele Elemente des Westerns enthält – den Revolverhelden, die Ranch, den Sheriff. Aber der Film hat Dialoge, die man in einem Westernfilm bisher nicht zu hören bekam."

Sein Film erzählt die Geschichte von Silva (Pedro Pascal) und Jake (Ethan Hawke). Vor 25 Jahren waren sie als Auftragskiller in Mexico unterwegs und kommen sich dort eines Abends näher. Jake und Silva verbringen daraufhin ein paar intensive Wochen miteinander, was wir aber nur aus Gesprächen im Film erfahren. Als sie Jahre später wieder aufeinandertreffen und durch eine Fede aneinandergeraten, entflammt die Liebe kurz – und hindert sie trotzdem nicht daran, später aufeinander zu schießen. Es gibt viele sehr hotte Szenen zwischen diesen beiden schönen Männern, aber die intimste ist wohl jene, in der Silva Jake am Ende pflegt, während dieser sich von seiner Schussverletzung erholt – die Silva im zugefügt hat.

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