Der Autor und Produzent Peter Märtesheimer hatte selbst einige Auszeichnungen erhalten, darunter den Grimme-Preis. Kurz vor der Verleihung des Deutschen Filmpreises im Juni vor 20 Jahren verstarb er während einer Sitzung der gerade neu gegründeten Deutschen Filmakademie. Märtesheimer wurde 66 Jahre alt. Die größte Auszeichnung für den großen Mann hinter den Kulissen des Neuen Deutschen Films und der gehobenen TV-Unterhaltung ist die Langlebigkeit seiner Geschichten, Produktionen und Erfindungen. So steht der Name Märtesheimer nicht nur bis heute für die vielfachen Kooperationen mit Rainer Werner Fassbinder, sowohl bei Spielfilmen – beispielsweise Die Ehe der Maria Braun, Lola, Martha, Die Sehnsucht der Veronika Voss – als auch bei Fernsehformaten wie Welt am Draht, Acht Stunden sind kein Tag und Berlin Alexanderplatz, die ihrer Zeit weit voraus waren. Daneben hat sich Märtesheimer in die Nachkriegsgeschichte eingeschrieben als einer der Köpfe hinter "Ekel Alfred" und der bahnbrechenden TV-Serie Ein Herz und eine Seele mit dem Proto-Wutbürger Alfred Tetzlaff als Hauptfigur. Märtesheimers Tod kam viel zu früh und mutet im Kontext der Filmpreis-Verleihung besonders dramatisch an. Jedoch kann man es auch so sehen, dass der Mann des Kinos im Dienst an jener Sachen von uns ging, für die sein Herz sein Leben lang geschlagen hatte.
Erst gefeierte Preisträgerin, dann Ziel einer Schmutzkampagne: Sibel Kekilli © Wüste Film Kerstin Stelter
Die Herzen höher schlagen ließ im damaligen Wettbewerb um das Filmband in Gold das Drama Gegen die Wand von Fatih Akin, der außerdem mit der Trophäe für die beste Regie nach Hause gehen durfte. Der Name des Films um die Verwicklungen einer Scheinheirat entpuppte sich in Sachen Heftigkeit als Programm. Weder Kritik noch Publikum konnten sich der Wucht der Inszenierung entziehen, da schaute selbst ein Sönke Wortmann in die Röhre, der damals Das Wunder von Bern ins Rennen geschickt hatte – und damit auch einen Vorboten des zwei Jahre später folgenden, realen WM-Sommermärchens, dessen Wiederauflage gerade von Fußballfans erträumt wird. Zum Erfolg von Gegen die Wand trug nicht zuletzt eine bis dato recht unbekannte Hauptdarstellerin namens Sibel Kekilli bei, die wie ihr Filmpartner Birol Ünel zur beste Hauptdarstellerin gekürt wurde. Bald darauf erhielt diese denkwürdige Verleihung des Deutschen Filmpreises noch eine skandalöse Note, weil die Bildzeitung es sich in den Kopf gesetzt hatte, einen Skandal im Kekilli heraufzubeschwören, wo es keinen gab (beziehungsweise war es das Verhalten der Bildzeitung, das man heute so bezeichnen muss). Am besten vergegenwärtigt man sich die Qualität des vor 20 Jahren prämierten Filme und Künstler*innen und der in jenem außergewöhnlichen Jahr an der Verleihung des Deutschen Filmpreis Beteiligten, indem man sich mit ihren Werken auseinandersetzt. Während der Tod schnell an Schockwirkung und die Skandale noch schneller an Nachrichtenwert verlieren, bleibt die Qualität der Filme und ihrer Schöpfer*innen zum Glück für immer erhalten.
WF