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Paris Police 1905: Willkommen in der Hauptstadt des Lasters!

Die zweite Staffel der Krimi-Serie Paris Police 1900 führt Kommissar Antoine Jouin (Jeremie Laheurte) in die Welt der Prostitution. Wieder gelingt Showrunner und Autor Fabian Nury ein atmosphärischer, abgründiger Slowburner, der die dunklen Ecken der so oft verklärten Stadt ausleuchtet.

16. Juli 2024

Schon in den ersten Minuten von Paris 1905 fallen die Worte: "Paris, die Hauptstadt des Lasters." Wir schreiben die letzten Tage des Jahres 1904, es ist Heiligabend, aber Inspektor Antoine Jouin (Jeremie Laheurte) ist weder nach Besinnlichkeit noch nach Familie. Er wird mit seinem Kollegen in den Bois de Boulogne gerufen. Unter dem nicht umsonst so genannten "Selbstmordbaum" liegt eine Männerleiche. In der Hand hält sie eine Pistole. Selbstmord also? Eher nicht. Der Mann starb an vier Schüssen in den Kopf – das zieht man wohl kaum im Alleingang durch.

Der Park und der Wald mit dem Namen Bois de Boulogne waren schon immer ein Ort der Prostitution. Noch 2016 schrieb das stylisch-krawallige "Vice"-Magazin: "Was die Prostitution angeht, so ist der Bois de Boulogne ein historischer Ort, und alle Menschen in Paris wissen, was sich dort abspielt." Im Jahr 1905 trafen sich dort – so erfahren wir in der ersten Folge – "die Reichen, aber die machen das in ihren Schlössern", "die jungen Frauen", "die älteren Frauen" und "die Päderasten". In Paris grassiert außerdem die Syphilis – und Schuld daran sind natürlich nicht all die notgeilen Männer, die die Dienste der Prostituierten nutzen, oder sich an ihren Hausmädchen vergehen, sondern die "Päderasten" und die Frauen, die im Bois de Boulogne dem ältesten Gewerbe der Welt nachgehen – oft, weil sie keine andere Wahl haben.

Während die erste Staffel, Paris 1900, die Themen Fake News, Antisemitismus, Nationalismus, Homophobie, Anarchismus, Misogynie und Spiritismus vor der Kulisse der Dreyfus-Affäre verhandelt, schlägt sich der stoische, gewissenhafte Jouin nun mit Zuhältern, Erpressern, halbseidenen Ärzten, durchtriebenen Pfaffen, der vermeintlich höheren Gesellschaft und der korrupten Sittenpolizei herum.

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Wie schon in Staffel 1 nimmt sich die Serie viel Zeit, um diese abgründige, historische Atmosphäre aufzubauen. Fabian Nury und sein Team haben einen guten Blick für Details – immer wieder überrascht die Kameraperspektive, oder eine Szene erzählt ganz beiläufig, wie das Leben im Paris des Jahres 1905 so funktionierte. Die Charaktere sind fesselnd und meistens undurchsichtig – wie man das in einer echten Noir-Serie halt so braucht. Auch das Ehepaar Steinheil, mit der fantastischen Evelyne Brochu als Meg Steinheil, spinnt wieder mit am Netz der Sünden und Intrigen.

Fabian Nury erzählt in Paris 1905 zwar eine fiktive Geschichte, aber Teil seiner Arbeit ist es weiterhin, diese an realen Orten, Charakteren und Ereignissen aufzuhängen. Nury schrieb übrigens auch den Comic "The Death Of Stalin", der dem Film gleichen Namens als Inspiration diente.

In einem Interview mit dem Online-Magazin "Comic Book Resources" erzählte Nury vor einigen Jahren mal, warum er sich für seine Geschichten so gerne an der Geschichte bedient. Sein Vater sei "ein Geschichts-Nerd" gewesen und habe ihm eine halbe Bibliothek vermacht. "Ich finde, Geschichte macht einen Heidenspaß – auf sehr erschreckende Weise. Sie ist ein Abenteuer, sie ist voller Verbrechen, unheimlicher Figuren – und sie ist wahr. Als Schriftsteller hilft mir das, an das zu glauben, was ich schreibe. Und das Beste daran: es gab keine Smartphones. Keine Bildschirme, die überall herumliegen. Die Leute reden tatsächlich von Angesicht zu Angesicht miteinander, statt zu twittern. Geschichte ist filmisch."

Mit der Formulierung "ein Heidenspaß – auf sehr erschreckende Weise" hat Fabian Nury also schon Jahre vorher den Reiz dieser Serie perfekt eingefangen.

Paris 1905 ist ab sofort auf ARTHAUS+ zu sehen.

DK

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