Man darf in diesem Jahr schon mal feststellen: Die Verleihung der Oscars hatte nur wenige Überraschungen parat. Die stärksten Filme, Schauspieler:innen und Regisseur:innen fand man eher unter den Verschmähten – den sogenannten Snubs. Damit wären wir bei Past Lives, der leider leer ausging. Aber Regisseurin und Drehbuchautorin Celine Song und ihre Stars Greta Lee, Yoo Teo und John Magaro werden auch so wissen, dass sie ein kleines Meisterwerk geschaffen haben. Obwohl sie das wohl niemals zugeben würden.
Wir sprachen bereits kurz vor dem Kinostart mit Celine Song. Dabei erzählte sie uns zum Beispiel, wie sie als Kino-Debütantin all ihre starken Partner:innen überzeugen konnte. Dazu sagte sie: "Es war tatsächlich das Drehbuch. Ich glaube fest daran, dass das der Grund ist, warum all diese Menschen mit mir einen Vertrag unterschrieben haben. Ich bin zum ersten Mal eine Filmemacherin, das stimmt. Welchen Grund hätten sie also gehabt, mir zu vertrauen oder an mich zu glauben, wenn sie nicht das Drehbuch überzeugt hätte, das sie alle sehr früh bekommen haben? Darin steht, wie der Film aussehen wird. Ich erkläre darin, welche Ziele ich verfolge. Es bleibt natürlich ein Vertrauensvorschuss, weil es ja sein könnte, dass ich mich am Set als ein totales Arschloch herausstelle, aber sie scheinen von Anfang an gedacht zu haben: 'Da steht ein Drehbuch dahinter, das mir gefällt und zu dem ich eine intensive Verbindung spüre.'"
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Als Yoo Teo in Köln bei einem Filmfestival gastierte, traf unser Redakteur den koreanischen Schauspieler auf einen Tee. Yoo Teo spricht übrigens vorzüglich Deutsch und lebte eine Weile in Köln. Past Lives wiederum scheint der Film zu sein, der auf ihn gewartet hat. Seine Intuition hat ihn nicht getäuscht. Es mag ein paar Jährchen gedauert haben, bis sich der ganz große Erfolg einstellte, doch gab es wichtige landmarks wie die Rolle von Klaus Kim in Benson Lees Seoul Searching – und irgendwie hat diese schicksalhafte Begegnung von Yoo Teo mit der Figur Hae-sung selbst den Charakter von In-Yun. Celine Songs Film sprach Yoo Teo sogleich an, berührt die Geschichte doch mehrere Aspekte seines eigenen Lebens. Nicht nur auf einer faktischen, auch auf einer emotionalen Ebene. "Nachdem ich das Skript zu Past Lives gelesen hatte, dachte ich mir: Das ist ein romantisches Melodrama und sehr schön geschrieben! Und habe mir eine Träne abgewischt. Es ist selten, dass einen ein Drehbuch so bewegt. Da habe ich schon gehofft, dass ich diese Rolle bekomme, weil ich in dem Moment genau wusste, dass ich seit meiner Jugend und meiner Kindheit eine gewisse Melancholie empfinde und durch die Geschichte plötzlich wusste, wie ich sie zeigen könnte. Darauf habe ich immer gewartet." Wenn es auch nicht viel Handlung im Sinne einer spektakulären Entwicklung der Ereignisse gibt, so rührt die Tiefe in Past Lives, von der sich so viele Menschen im Publikum angesprochen fühlen, doch von der inneren Einstellung seiner Protagonisten her. Neben Yoo Teo spielt auch Greta Lee als Nora jene an der Wirklichkeit geschulte Härte und Sensibilität, die nötig sind, um das komplette Spektrum der Gefühle mit einem Hauch Utopie dazwischen aufscheinen zu lassen. Unter der einfühlsamen Regie von Celine Song, die am Set viele konstruktive Gespräche mit den Schauspieler:innen geführt habe, so Yoo Teo.
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Außerdem sprach unsere Redaktion auch mit Molly Hyo Kim – Expertin für südkoreanisches Kino und Professorin in Seoul. Sie erklärte uns, inwiefern sich der Film von anderen koreanischen Produktionen unterscheidet: "Past Lives unterscheidet sich sehr von den in Korea produzierten Filmen. Zunächst einmal ist der Film ein Melodram, aber er schildert Noras Reise, und auch die von Hae Sung, auf persönliche und realistische Weise. Koreanische Filme können sehr extrem sein, vor allem in der Art und Weise, wie sie Gefühle darstellen. Wenn es um Melodramen geht, wird es sogar noch exzessiver. Das ist einer der Gründe, warum man in koreanischen Melodramen so viele weinende Figuren sieht – die Koreaner:innen nennen dieses Phänomen "Shinpa". Mir hat der Ton von Past Lives sehr gefallen, seine Subtilität. Der Film ist sehr raffiniert, die Regisseurin übertreibt nie etwas, was es dem Publikum leichter macht, mit Nora mitzufühlen, ohne die Dinge groß und laut zu inszenieren, wie es die meisten anderen koreanischen Filme tun."
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DK, WF