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Saoirse Ronan: Wie ein Schweizer Taschenmesser

Abseits großer Blockbuster hat sich Saoirse Ronan als eine der stärksten Schauspielerinnen dieses Jahrhunderts etabliert. Zum 31. Geburtstag des irisch-amerikanischen Underdogs schauen wir zurück auf eine Karriere, die ihresgleichen sucht.

11. April 2025

Jüngst war Saoirse Ronan unter anderem im biografischen Drama The Outrun zu sehen. Das stellt nicht nur wegen seiner eindringlichen Intimität und dem starken Fokus auf der Hauptdarstellerin in der Rolle einer Alkoholkranken eine Zäsur in ihrer Karriere dar: Der zu großen Teilen auf den isolierten schottischen Orkney-Inseln gedrehte Streifen ist auch das erste Release Ronans als Produzentin. Eine stolze Leistung – zum Zeitpunkt der Dreharbeiten ist sie gerade 28 Jahre alt. „Ich weiß jetzt, wieviel harte Arbeit nötig ist, um überhaupt an den Punkt zu kommen, an dem du eine Hauptdarstellerin sein kannst“, erklärt uns die Schauspielerin dazu im Interview. Dabei kennt Ronan sich selbst natürlich ganz genau damit aus, wie die Filmindustrie funktioniert, schließlich ist sie darin aufgewachsen.

Saoirse Ronan als Rona in The Outrun © Natalie Seery

Saoirse Ronan als Rona in The Outrun © Natalie Seery

Karriere über Umwege

Saoirse Ronan wird 1994 geboren – wider Erwarten nicht in Irland, sondern in der Bronx. Ihre Eltern flohen in den Achtzigern vor der Rezession in ihrer Heimat, doch der American Dream geht für sie nicht in Erfüllung: Als Saoirse drei ist, zieht die Familie zurück auf die Grüne Insel. Die 34-Seelen-Gemeinde Ardattin schreit zwar nicht gerade nach Hollywood, doch wo ein Wille ist, da ist ein Weg, und die Jugendliche findet ihren Weg in die Filmbranche. Eigentlich will sie aber zuerst hinter die Kamera: Schon als Kind fasziniert sie die Regisseur:innen-Rolle – vielleicht ihr nächster Karrieremeilenstein nach dem Produzieren? "Ich arbeite seit etwa 20 Jahren als Schauspielerin und so sehr ich das auch liebe – was ich immer noch wirklich tue – hat sich meine Beziehung dazu mit der Zeit verändert. Ich habe so viel Erfahrung durch die hunderte von brillanten Menschen gesammelt, mit denen ich gearbeitet habe, und ich würde einfach gern mehr Verantwortung übernehmen", bestätigt sie kürzlich gegenüber Vogue.

2007, Saoirse Ronan ist gerade 13 Jahre alt, erscheint ihr erster Film Hauptsache verliebt, in dem sie an der Seite von Michelle Pfeiffer und Paul Rudd spielt. Schon vier Jahre zuvor war sie in der irischen TV-Serie The Clinic zu sehen. 2007 ist auch das Jahr, in dem sie ihre erste Oscar-Nominierung für ihre Darstellung der jungen Briony Tallis im Drama Abbitte erhält – drei weitere sollen im Laufe der Jahre folgen. Ronan verbringt ihre Jugend vor der Kamera, glücklicherweise ohne die Krisen und Skandale, die das leider viel zu oft mit sich bringt. Vielleicht liegt es daran, dass sie abseits ihres Berufes das Rampenlicht meidet und nicht einmal einen Instagram-Kanal hat; dass es keine Marketingmaschinerie gibt, die krampfhaft versucht, jeden Aspekt ihres Lebens zu verkaufen; vielleicht liegt es auch daran, dass ihre Mutter sie zu jedem Dreh begleitet und auf sie aufpasst, bis sie 19 Jahre alt ist. So lange lebt sie auch, ganz bodenständig, bei ihren Eltern.

Saoirse Ronan (rechts) als Briony in Abbitte © Copyright: 2006 Universal Studios. ALL RIGHTS RESERVED

Saoirse Ronan (rechts) als Briony in Abbitte © Copyright: 2006 Universal Studios. ALL RIGHTS RESERVED

Jung und überqualifiziert

In ihren Teenie-Jahren spielt Ronan unter anderem in Violet & Daisy, Seelen und How I Live Now – nur drei der von der Kritik und vom Publikum verhalten aufgenommene Produktionen, die beweisen, dass ihre schauspielerischen Fähigkeiten schon früh die ihr angebotenen Rollen übersteigen. Es hat auch etwas Gutes: Heute weiß man zumindest, dass sie jedem noch so mittelmäßigen Skript etwas Wertvolles entlocken kann. Sie wird dafür 2014 mit einer Rolle in Wes Andersons The Grand Budapest Hotel belohnt: Endlich ein Film, der ihr gerecht wird. Dem charaktergetriebenen Indie-Kino bleibt sie weiterhin treu: 2015 erhält Saoirse Ronan ihre zweite Oscar-Nominierung für Brooklyn, 2017 die dritte für eine ihrer ikonischsten Rollen in Greta Gerwigs kultigem Coming-Of-Age-Comedy-Drama Lady Bird – ein Film, der ihr wie auf den Leib geschrieben ist. Im gleichen Jahr spielt sie auch in ihrer zweiten Romanverfilmung von Ian McEwan nach Abbitte, dem Liebes- und Sex-Drama Am Strand.

Saoirse Ronan als Hanna in Wer ist Hanna? © 2011 Focus Features

Saoirse Ronan als Hanna in Wer ist Hanna? © 2011 Focus Features

Es sind die nuancierten Darstellungen dieser komplexen Rollen mit all ihren menschlichen Widersprüchen und Makeln, die Ronan den Ruf als eine der besten Schauspielerinnen dieses Jahrhunderts einbringen. "Aus ganz egoistischer Sicht wollte ich schon immer Charaktere spielen, die vielseitig, interessant und smart sind. Und weil das immer das war, was ich aus ihnen gewinnen wollte, haben die Filme das auch reflektiert", erklärt sie 2019 zur Veröffentlichung des historischen Dramas Maria Stuart, Königin von Schottland gegenüber Harper’s Bazaar. "Schon als Kind wollte ich nie einfach nur ‘die Schwester’ oder ‘die Freundin’ oder ‘die Sekretärin’ darstellen. Das ist immer meine Priorität: eine Person zu spielen, die – auch wenn sie nur in ein paar Szenen vorkommt – etwas an sich hat." Mit Greta Gerwig arbeitet sie 2019 noch einmal für Little Women zusammen. Fast selbstverständlich bekommt sie dafür direkt wieder eine Oscar-Nominierung – Nummer vier. Sie ist zu diesem Zeitpunkt gerade 25 Jahre alt.

Und was kommt nun? Manch eine:r erwartet eine Oscar-Doppelnominierung für Saoirse Ronans Performances in The Outrun und dem Kriegsdrama Blitz, in dem sie erstmals eine junge Mutter spielt. Ihr nächster Film Bad Apples wird als Comedy-Thriller wohl mal wieder eine ganz neue Facette ihres Könnens zeigen, und vielleicht kommt dann das Regie-Debüt. Zuzutrauen wäre es ihr, wie auch ihr Ehemann und Co-Produzent Jack Lowden gegenüber Vogue erklärt: "Ich habe mit ihr geschauspielert und ich habe mit ihr produziert, und es gab nie auch nur einen einzigen Moment, in dem ich das Gefühl hatte, dass sie verloren war oder nicht wusste, was sie zu tun hatte. Sie ist wie ein Schweizer Taschenmesser."

Christina Wenig

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