"The Outrun" ist ein fantastisches Buch. Poetisch. Schmerzhaft. Wunderschön. Traurig. Niederschmetternd. Erhebend. Amy Liptrot erzählt darin autofiktionial von ihrer wilden Zeit in London, die schnell vom Euphorischen ins Suchtkranke kippt. Als sie merkt, dass sie die Kontrolle über ihr Leben verliert, beschließt sie, in ihre alte Heimat zu reisen – auf die schottischen Orkney-Inseln. Eine karge, von Fischerei, Landwirtschaft, Naturschutzgebieten, örtlichen Mythen, Landflucht und Seefahrt geprägte Inselgruppe.

Dort trifft sie auf ihre Mutter, die in den letzten Jahren zu Gott gefunden hat und ihren charismatischen, aber psychisch kranken Vater, der immer wieder in manische Phasen abgleitet. Hier versucht sie, mit gemischten Ergebnissen, von ihrer Sucht loszukommen und beschließt zu bleiben. Ein Weg, der alles andere als gradlinig verläuft. "Social anxiety", Entzugs-Symptome, unverarbeitete Familienkonflikte treiben sie um – aber das harte Leben auf der Farm ihres Vaters und in einem kleinen Haus an der Küste, die wortkargen aber herzlichen Mitmenschen und das neu geweckte Interesse an den Mythen und der Natur ihrer Heimat bringen sie schließlich auf Kurs.

In der The Outrun-Verfilmung von Nora Fingscheidt wird aus Amy nun eine Rona – fantastisch gespielt von Saoirse Ronan. Wer (wie der Autor dieser Zeilen) das Buch liebt, dürfte große Sorgen gehabt haben, ob dieser Roman als Film "funktioniert". Liptrot gräbt tief in ihrem Seelenleben, beschreibt die Mythen, die harte Schönheit, das Tierleben, aber auch die Probleme der Orkney-Inseln poetisch und klar zugleich. Hier die richtigen Filmbilder, den richtigen Tonfall zu finden, um diesen inneren Kampf abzubilden, war sicher kein Leichtes. Aber Fingscheidt, die schon mit Systemsprenger bewies, dass sie sperrige Geschichten erzählen kann, gelingt dieses Kunststück – was vielleicht daran liegt, dass sie sehr nah mit Saoirse Ronan und Autorin Amy Liptrot an der Realisierung arbeitete.

Die Deutschlandpremiere erfolgte bei der diesjährigen Berlinale – wo wir auch Saiorse Ronan zum Interview trafen. Dort erzählte sie uns, dass sie lange geübt habe, um die betrunkene Rona zu spielen, die man vor allem in den Rückblenden in ihr London-Leben sieht. Mehr gereizt habe sie aber "das nerdy Element und die ‚social anxiety‘ zu spielen. Das war sehr herausfordernd, weil ich dafür sehr viel Kontrolle und Selbstbeherrschung brauchte. Ich, als Saoirse, bin nämlich gar nicht so. Ich bin es gewohnt, fremde Menschen zu treffen und bin dabei sonst sehr relaxed."

Nun gibt es endlich einen offiziellen Kinostart und den ersten Trailer. The Outrun startet am 7. November in den deutschen Kinos.