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Jane Birkin: Verteufelt und vergöttert

Die britisch-französische Schauspielerin und Sängerin ist im Alter von 76 Jahren gestorben. Ihr Stern ging in den 1960er Jahren auf – zeitlebens blieb sie ein echter Star.

18. Juli 2023

In den Untiefen der 1960er Jahre, als die Dinge noch genauso schön aussahen wie die Menschen, sang die junge Jane Birkin im französischen Fernsehen einen Song über sich selbst.
Diese ungewöhnliche Performance ist noch im Rückblick auf ihr bewegtes Leben so wichtig, weil die gebürtige Engländerin den Chanson "Jane B." zum Besten gab. Der Titel ließe sich in ihrer Muttersprache leicht wenden, so dass "B.(e) Jane" daraus wird. Und sich dem Imperativ "Sei Jane!" zu entziehen – das kann man als Jane Birkins Lebenswerk bezeichnen. Also sang sie gar nicht davon, wer sie war, sondern eher darüber, wer sie nicht sein wollte. Sie würde erst Jane werden, statt jene Jane zu sein, die andere in ihr sahen. Weshalb sie mit heutigen Celebrities schlecht zu vergleichen ist. Belang-Losern, die ihre Haut zu Markte tragen, bis die Öffentlichkeit im Voraus weiß, was für eine Tätowierung sie morgen tragen werden. Nein, diese Art der Selbstveräußerung war nie ihr Ding. Jane Birkin war ein Star. Eine Künstlerin, der man bei aller scheinbaren Offenherzigkeit das letzte Geheimnis nie würde rauben können. Am 16. Juli ist sie im Alter von 76 Jahren in Paris verstorben und nimmt dieses Geheimnis nun mit ins Grab.

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Es liegt in der Natur, die sich unsere Gesellschaft geschaffen hat, dass man ein Leben und Wirken wie das von Jane Birkin zunächst in den Schlagzeilen erinnert, für die es sorgte. Birkin schaffte das Kunststück, in den turbulenten Sixties echte Skandale zu provozieren.
Ihre Rolle in Michelangelo Antonionis Blow Up, wo sie leichtbekleidet bei einem Fotoshoot zu sehen ist, wurde ebenso als Erregung öffentlichen Ärgernisses wahrgenommen wie "Je t’aime … mais non plus", das berühmt-berüchtigte Duett mit Serge Gainsbourg. Birkins laszive Gesangseinlage auf dieser popmusikalischen Fußnote der sexuellen Befreiung wurde vermutlich selbst von denjenigen heimlich unter der Bettdecke gehört, die das Lied öffentlich verteufelten – allen voran im Vatikan. Doch mit Gainsbourg trat damals zudem ein Mann in Birkins Leben, mit dem sie mehr als nur eine kongeniale künstlerische Partnerschaft verband – sie war nicht bloß seine Muse, wie manchmal kolportiert wird, sondern seine kreative Widersacherin –, die beiden schienen auch privat wie füreinander geschaffen. Ihre Tochter Charlotte Gainsbourg ist der lebende Beweis, dass Gegensätze einander mitunter nicht nur an- sondern auch ausziehen.

In "Das Böse unter der Sonne" nach Agatha Christie © Studiocanal

In "Das Böse unter der Sonne" nach Agatha Christie © Studiocanal

Die Beziehung bedeutete keineswegs den Rückzug ins bürgerliche Leben – im Gegenteil. Birkin war zuvor bereits verheiratet und hatte eine Tochter. Neben der ungewöhnlichen Figur, die sie als Sängerin, Model und Schauspielerin abgab, stellte sie nun mal auch einen neuen Typ Mutter dar – alles andere als bieder aber niemals exhibitionistisch auf Kosten der Kinder. Nicht das Private war bei ihr politisch, sondern dessen Inszenierung, die es außerdem erst möglich machte, ein Privatleben hinter der öffentlichen Fassade zu führen. Dieses Leben verlief nicht reibungslos. Aber Birkin schaffte es, die glücklichen und weniger glücklichen Fügungen des Schicksals im Zuge ihrer Jane-Werdung zu verarbeiten. So trat sie nach und nach in reiferen Filmrollen in Erscheinung. Darüber hinaus engagierte Birkin sich verstärkt realpolitisch, setzte sich für Menschenrechte ein – und erschien nun selbst immer weniger wie ein Produkt aus dem Design-Zeitalter, vielmehr wie ein Mensch mit einer faszinierenden Biografie.

Wir erinnern uns an Jane Birkin auch durch ihre bis ins letzte Detail stimmigen Charaktere in modernen Filmklassikern wie etwa den Agatha Christie-Adaptionen Das Böse unter der Sonne oder Tod auf dem Nil. Wir denken daran, wie Agnes Varda sie mit Sorgfalt porträtierte. Und wir stellen fest, dass sie in einem Action-Flic wie Ein irrer Typ mit Jean-Paul Belmondo ebenso locker ihre Ausstrahlung entfaltete wie schon 1969 im Drama Der Swimmingpool, als sie Romy Schneider, Alain Delon sowie einem schicken Maserati die Show stahl. Das alles erreichte sie durch ihre Weigerung, bloß ein Accessoire der Geschichte zu sein. Dabei soll es Menschen geben, die sie allein für ihr unnachahmliches Lächeln vergöttern.

WF

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