Vielleicht muss man noch einmal die ersten 15 irren Minuten von Der Teufelskerl sehen, um zu realisieren, wie behämmert viele Agentenfilme sind. Denn natürlich nahm der französische Regisseur Philippe de Broca vor allem die James-Bond-Filme dieser Zeit aufs Korn, als er Der Teufelskerl drehte und Jean-Paul Belmondo als Elite-Agent Bob Saint-Clair nach Mexiko schickte. Bei de Broca sieht man in diesen ersten Minuten neben zahlreichen recht beiläufig gekillten "Feinden" unter anderem einen Kollegen von Saint-Clair, der während eines Telefonats mitsamt Telefonzelle von einem Hubschrauber entführt wird. Die Zelle wird schließlich in Küstennähe über dem Meer abgeworfen und sinkt auf den Grund – direkt neben einem Haifisch im Käfig. Noch bevor sich der Agent befreien kann, kommen zwei Taucher und installieren eine Art Verbindungskäfig zwischen Zelle und Hai. Der tut, was er tun soll, und frisst sich in den Bauch des Agenten. Diese herrlich überzeichnete Szene mag war Satire sein, aber irgendwie denkt man sich dabei doch: Vieles, was man bei Bond oder bei Mission Impossible gesehen hat, ist im Grunde ähnlich drüber.
In der gerade in 4K restaurierten Version des Films, der im Original Le Magnifique heißt, gibt es im Bonusmaterial eine sehr charmante Einführung von Michel Gondry. Dass er Fan von Belmondo und von diesem Film ist, weiß man schon eine ganze Weile. Gondry führte bereits vor 13 Jahren im Centre Pompidou in Paris aus, dass Der Teufelskerl für seine eigene Kunst sehr wichtig gewesen sei. Vor allem auf The Science Of Sleep habe er großen Einfluss gehabt – was Gondry aber erst Jahre später klar wurde. Wer sich nun fragt, was denn dieser bunte, fantasievolle Film Gondrys mit einer Agentengeschichte zu tun hat, sollte wissen: Der Elite-Agent Bob Saint-Clair ist eine im doppelten Sinne fiktive Figur. Die Handlung von Der Teufelskerl findet nämlich auf zwei Ebenen statt. Was wir in diesen ersten blutigen, überdrehten Szenen sehen, ist die Fantasiewelt des Groschen-Roman-Autors François Merlin. Er schreibt in einer schäbigen Pariser Wohnung dutzende Schundhefte über Bob Saint-Clair, ist ständig knapp bei Kasse und wird von seinem diktatorischen Verleger Georges Charron getriezt. Der einzige Lichtblick für François: Die junge, belesene Engländerin Christine, die in seinem Haus wohnt, aber Trivial-Literatur verachtet.
So sieht es aus, wenn François über sein Agenten-Alter-Ego schreibt. © STUDIOCANAL - Nicolas Lebovici - Oceania Produzioni Internazionali Cinematografiche S.R.L.
Michel Gondry sagt über Der Teufelskerl, der Film zeige "ein faszinierendes Spiel mit der Fiktion, die immer vom vermeintlich realen Leben beeinflusst wird. Das hat meine Art zu erzählen sehr beeinflusst." Philippe de Broca springt nun immer zwischen den zwei Welten umher und wir merken schnell, dass nicht nur Saint-Clair das übersteigerte Macho-Alter-Ego von François ist. Die charismatische, tödliche, wunderschöne Agentin Tatiana, mit der Saint-Clair umherzieht, ist Christine nachempfunden und der böse und ziemlich lächerliche Diktator Oberst Karpov dem Verleger Charron. Während für François nach und nach alles schief läuft, wird die eh schon wilde Handlung im Saint-Clair-Kosmos immer absurder und blutiger. Als Charron mit seinen intellektuellen Künstlerfreunden schließlich bei Christine auftaucht und sie sich mit allerlei Drogen benebeln wollen, läuft die Geschichte völlig aus dem Ruder. Aus Angst, Charron würde sie ihm ausspannen – nicht, dass er vorher Chance gehabt hätte – schreibt François ein Finale, das im Rückblick in Teilen nicht so gut gealtert ist. Satire hin oder her, die Art und Weise, wie hier eine Gruppenvergewaltigung und andere traumatische Demütigungen gezeigt werden – das würde man heute zum Glück so nicht mehr bringen. Und auch der Twist, wie Saint-Clair schließlich Tatiana abserviert, setzt auf einen Humor, der nicht gut gealtert ist.
Am Ende wird auch der vermeintlich coole Macho-Agent Bob Saint-Clair zu einem lächerlichen Irren. © STUDIOCANAL - Nicolas Lebovici - Oceania Produzioni Internazionali Cinematografiche S.R.L.
Michel Gondry sagt in seiner Einführung, dass wohl nur ein Belmondo diese Rollen so hätte spielen können. Man kauft ihm sogar ein wenig den Verlierer ab, obwohl Belmondo mit fleckigem Unterhemd in einer versifften Wohnung natürlich immer noch genauso sexy ist wie ein damaliger James Bond. De Broca und Belmondo hatten dabei natürlich Sean Connery im Sinn, der zuletzt 1971 im Dienste seiner Majestät im Einsatz war. Gondry sagt dazu: "Belmondo ist natürlich selbst ein ziemlicher Frauenheld und Macho. Aber er nahm sich selbst nie so ernst. Deshalb konnte man so einen Film mit ihm machen. Er war schon immer ein charmanter Mistkerl und das passt hier sehr gut." Tatsächlich ist es eine große Freude, wie Belmondo eben noch mit perfekt sitzender Tolle an geifernden Schönheiten vorbeischwebt, um wenig später grumpy über der Schreibmaschine zu brüten.
In einem Making-of, das Teil dieser Edition ist, sitzt Jean-Paul Belmondo schäkernd und lachend neben Jacqueline Bisset auf einem Sofa und antwortet breit grinsend auf die Frage eines Reporters, was er über den Regisseur und die Dreharbeiten sagen könne: "Wissen Sie: Das Gute an der Sache ist, dass Philippe de Broca hier einen Film dreht, der Spaß machen soll. Deshalb hat er sich mit Leuten umgeben, mit denen man Spaß haben kann. So haben wir immer etwas zum Lachen." Auch, wenn wir diese Aussage so unterschreiben würden, ist Der Teufelskerl bei all dem wilden Spaß, eben doch auch noch ein wenig mehr: In seiner Überzeichnung legt er die beiläufig gezeigte, aber exzessive Gewalt und die macho-hafte, übergriffige Pseudo-Erotik vieler Agentenfilme offen. Und Der Teufelskerl hat noch eine andere Botschaft: Wenn man all seinen Selbsthass und seinen sexuellen Frust in seiner Kunst abarbeitet, kommt am Ende nicht unbedingt eine heilsame oder gar spannende Geschichte raus.
DK