Jean Sebergs Karriere als Filmschauspielerin begann mit einem Unglück. Bei den Dreharbeiten zu Otto Premingers Die heilige Johanna erlitt sie während der Scheiterhaufen-Szene Brandwunden, deren Narben ihr ein Leben lang erhalten blieben. Preminger nutzte diese Aufnahmen letztlich sogar für den fertigen Film. Auch ansonsten muss das Verhältnis zwischen Seberg und ihm schmerzhaft für die US-Amerikanerin gewesen sein, die zur Zeit der Produktion gerade mal um die18 Jahre alt war. Man kann sich das wohl so ähnlich wie die Beziehung Björk/ Lars von Trier bei Dancer In The Dark vorstellen, vielleicht aber auch nicht, schließlich wirkte Seberg danach noch in Premingers Bonjour Tristesse mit. Ein weiterer Schritt zum Ruhm, bevor sie 1961 für immer und ewig zur Ikone der Nouvelle Vague wurde – als Patricia Franchini in Jean-Luc Godards Außer Atem an der Seite von Jean-Paul Belmondo. Unvergessen sind nicht nur die letzten Worte, die jener in der Rolle des Michel Poiccard an sie richtet, sondern auch die Art und Weise, wie sie sich zuvor als beinahe knabenhafte femme fatale durch die Schnitte Godards bewegt. Nämlich so als würde man einen Modekatalog umblättern, dessen Protagonistin sich Seite für Seite von ihrem Kontext emanzipiert, um plötzlich die Hauptfigur in einem Thriller um einen Killer in Paris zu spielen. Das Abenteuer ihres Lebens, dessen Ende sie selbst bestimmt.
Jean Seberg führte allerdings auch abseits der Leinwand eine abenteuerliche Existenz. Der Australier Benedict Andrews hat dieses Leben nun mit Kristen Stewart in der Hauptrolle verfilmt – und für Against All Enemies Fakten und Fiktion bewusst vermischt. Fest steht, dass Seberg in den 1960er Jahren in den Fokus des FBI geriet, da sie mit militanten Vertretern der Bürgerrechtsbewegung verkehrte und sich öffentlich gegen die Diskriminierung von Afroamerikaner*innen einsetzte. Die im Film sehr präsente Figur des Agenten Jack Salomon ist jedoch nicht historisch verbrieft.
Andrews erklärt im Gespräch, dass er bereits als 16-jähriger in Adelaide durch eine Lehrerin in Kontakt mit dem französischen Film kam – und wie sehr er Jean Seberg in Außer Atem bewunderte. Je mehr er über ihr Leben erfuhr, desto stärker reizte es ihn später, ihre Geschichte zu verfilmen und die Kunstfigur mit der realen Person in Verbindung zu bringen. Seberg habe wie Patricia aus Godards Klassiker das Zeug zum Symbol für die Freiheit gehabt, so Andrews. Das sei ihm klar geworden, als er den Spuren der Aktivistin folgte. Es sei fast so, als habe sie sich ihre Narben bei der Berührung mit der Gesellschaft zugezogen, nicht durch ein Malheur an einem Filmset. Noch heute ist unklar, ob Seberg auch dieses Abenteuer, ihr wahres Leben, von eigener Hand beendete. Die Umstände ihre Todes im Jahr 1979 sind nicht geklärt. Schicksalhaft wirkt nur der Ort, an dem sie verstarb: Paris.
Benedict Andrews betont die Aktualität des Themas Rassismus, das er mit Against All Enemies ebenso wie feministische Positionen aufgreift, die ebenfalls immer wieder neu auf die Tagesordnung gesetzt werden müssten. Und er schwärmt von der Zusammenarbeit mit Kristen Stewart. Sie habe es von der ersten Sekunde an geschafft, Jean Seberg auf ganz eigene Art und Weise für seinen Film wieder zum Leben zu erwecken. Tatsächlich ist es so, dass weite Teile des Biopics von Stewarts Hingabe an die Rolle getragen werden. Man darf davon ausgehen, dass auch sie Außer Atem mehr als einmal gesehen hat und noch dazu weiß, wie es sich anfühlt, wenn man den alltäglichen Provokationen und von der Gesellschaft verursachten Verletzungen etwas entgegensetzen möchte.
WF