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Kennen Sie den schon?: Der Dialog

Francis Ford Coppolas preisgekrönter Thriller aus dem Jahr 1974 ist einer seiner besten Filme, wenn man den Regisseur selbst fragt – und zugleich eines seiner weniger bekannten Werke…

05. August 2024

Dialoge sind nicht die Stärke von Harry Caul – und doch hat er aus ihnen einen Beruf gemacht. Wenn er sich unterhalten muss, neigt der Eigenbrötler zur Einsilbigkeit, als Abhörspezialist ist er ein echter Crack. Dies rührt auch daher, dass er die Inhalte der von ihm belauschten Konversationen nicht an sich heranlässt. Caul ist lediglich an einer guten Tonqualität und an der vollständigen Wiedergabe der Gespräche gelegen, um seine Kunden zufriedenzustellen. Der perfekte Dienstleister.

Woher die Kaltblütigkeit? Bald kommt heraus, dass er sich schuldig fühlt. Seine Tätigkeit hat bereits Menschenleben gekostet – also will er über die Hintergründe der Aufträge lieber nicht mehr allzu viel wissen. Und was ihn dennoch belastet, beichtet er einem Geistlichen. Die Anonymität des Beichtstuhls ist genau sein Ding, denn er ist äußerst paranoisch veranlagt und vermeidet persönliche Beziehungen.

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Nach der großartigen Anfangssequenz von Der Dialog, die so außerordentlich choreografiert und gefilmt ist, dass sie wie ein Film im Film funktioniert – und im weiteren Verlauf auch immer wieder herbeizitiert wird, da hier die Schlüsselszene enthalten ist – setzt Regisseur Francis Ford Coppola gleich feine Nadelstiche in das sich abzeichnende Psychogramm eines einsamen Mannes. Harry Caul ist entweder a) aus lauter Verfolgungswahn dazu übergegangen, andere auszuspionieren oder hat b) auf Grund der eigenen Spitzeltätigkeit irgendwann das Vertrauen in die Menschheit verloren. Das Leben ist da nicht gerade die beste Medizin.

In seiner Wohnung erwartet ihn überraschend ein Geburtstagsgeschenk der Vermieterin, die offensichtlich ein- und ausgehen kann, wie sie möchte und Cauls Post geöffnet hat, um an Informationen über ihn heranzukommen. Am Abend stellt dann jene Frau plötzlich unangenehme Fragen und unterschwellige Ultimaten, mit der er bislang ein loses sexuelles Verhältnis gepflegt hatte. Schließlich läuft ihm der jüngste Job nach. Das junge Paar, das scheinbar von Cauls Auftraggeber umgebracht werden soll. Bei aller selbstverordneten Leidenschaftslosigkeit lässt er sich doch dazu hinreißen, der Sache nachzugehen.

Dargestellt wird Harry Caul von Gene Hackman, der als famoser Charakterdarsteller im Aufflackern einer gewissen inneren Unruhe dieser doch eher blutleeren Figur zu jener Spur Menschlichkeit verhilft, die ihr Tun nachvollziehbar macht. Die Umstände spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Politische Intrigen, gesellschaftliche Auseinandersetzungen, staatliche Restriktionen und der wachsende Einfluss technischer Medien sorgten in den 1970er Jahren für ein Klima der Paranoia, nicht nur in den USA.

Guck mal, wer da horcht © 1974 Paramount Pictures Corporation. All Rights Reserved.

Guck mal, wer da horcht © 1974 Paramount Pictures Corporation. All Rights Reserved.

Caul ist also ein Kind seiner Zeit – und Coppola nutzt diese Atmosphäre durchgehend für seine Charakterstudie und die damit einhergehende Filmhandlung. Auf einer Messe für Überwachungstechnologie fällt Caul auf, dass er selbst verfolgt wird, Kollegen bespitzeln ihn, um ihm einen Streich zu spielen, den wahren Streich jedoch spielt ihm letztlich seine eigene Wahrnehmung – typisch Paranoiker.

Coppola ließ sich von Michelangelos Antonionis Blow Up sowie von Methoden des durch die Diskurse geisternden "Überwachungsstaats" inspirieren, die dem eigenen Metier des Filmemachens durchaus nahe sind – Stichwort Video- und Tontechnik. Daraus ergeben sich sowohl der Nervenkitzel der Handlung als auch der künstlerische Wert des Films. Ein echter Meilenstein im Werk Coppolas, der trotz einiger wichtiger Auszeichnungen letztlich unter dem Radar blieb, und über den leider selten so anerkennend wie über Der Pate und Apocalypse Now gesprochen wird.

WF

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