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Bild zu Muriels Hochzeit jetzt bei ARTHAUS+: Freundschaft über alles

Muriels Hochzeit jetzt bei ARTHAUS+: Freundschaft über alles

Die vermeintliche Romcom mit Toni Collette und Rachel Griffiths gibt es akutell bei ARTHAUS+. Der Film sabotiert aufs Schönste alle piefigen Erwartungen, die man mit dem Genre verbindet. Dem australischen Regisseur P.J. Hogan gelang Mitte der Neunziger mit Muriels Hochzeit eine Hymne auf die Freundschaft zweier Frauen und ein bunter, Herz wärmender, aber auch tragischer Film, der erstaunlich gut gealtert ist.

Filmgeschichten/Drehmomente 13. Mai 2022

Zwei Hochzeiten gibt es in Muriels Hochzeit – und beide sind nur an der Oberfläche schön anzusehen. Gleich zu Beginn ist Muriel (Toni Collette) eher geduldeter Gast bei Tania, deren Surfer-Dude-Gatte Chook lieber auf dem Klo mit Tanias Freundin Nicole fummelt, als mit seiner Ehefrau oder den Schwiegereltern zu reden. Muriel sieht die beiden, petzt jedoch nicht. Kurz darauf wird Muriel von der Polizei abgeholt, weil sie ihr Leoparden-Kleid in einem Modegeschäft geklaut hatte und die Tante des Bräutigams leider die Kaufhaus-Detektivin war, die sie dabei beobachtet hatte.

Es sind bunte Bilder und schmerzhafte Momente, die man in den ersten Minuten von Muriels Hochzeit zu sehen bekommt. Der Film spielt im fiktiven australischen Küstenstädtchen Porpoise Spit an der im Osten des Landes gelegenen Gold Coast. Die Stadt ist Coolangatta nachempfunden – die Heimat des Regisseurs und Drehbuchautoren P.J. Hogan – und wurde in Teilen auch dort gedreht. Zwischen den Palmen, den Stränden, den mintfarbenen Werbeplakaten und all den bunten Sommerkleidern sieht man nun typischen Kleinstädtern zu, wie sie lügen und betrügen, um dabei um jeden Preis den Schein zu wahren. Muriel selbst flunkert und klaut, aber sie tut das nicht aus Böswilligkeit, sondern weil sie glaubt, sie müsse es "zu etwas bringen", was vor allem bedeutet, wie ihre Freundinnen eine verlogene Ehe anzustreben. Tatsächlich wird sie später oberflächlich glücklich eine riesige Hochzeit, die zweite im Film, feiern – ein Arrangement mit einem südafrikanischen Schwimmprofi, der auf diese Weise australischer Staatsbürger werden will.

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Muriel wird vor allem in der ersten halben Stunde des Films rumgeschubst und gedemütigt. Von ihrer grellen Clique, die sie als den Sündenbock sieht, sie zu dick findet und sie bei einer gemeinsamen Reise auf eine naheliegende Urlaubsinsel auslädt. Aber auch von Muriels Familie – ihren nichtsnutzigen Chauvi-Brüdern, ihrer gehässigen Schwester und vor allem ihrem toxischen, tricksenden, rund um sich rum betrügenden Vater – ein korrupter Kleinstadtpolitiker und Möchtegern-Geschäftsmann. Weil ihre Mutter Muriel einen Blanko-Scheck für einen vermeintlichen Kosmetik-Vertreterinnen-Job ausstellt, räumt Muriel das Konto, um der Clique nachzureisen. Beim Insel-Urlaub kommt es schließlich zu einer Begegnung, die Muriels Leben und diesen Film für immer verändert. Sie trifft Rhonda Epinstall (Rachel Griffiths), eine alte Schulfreundin, die Porpoise Spit hinter sich ließ und nun in Seattle lebt.

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Es ist die große Stärke von Muriels Hochzeit, dass dieser Film wie eine bunte Falle funktioniert. In einer Zeit, in der latent sexistische, romantisch überhöhte Romcoms das Ideal der heterosexuellen Ehe zelebrierten, und sich alle der Suche nach Mr. Right und dem Happy End unterzuordnen hatten, konzentrierte sich P.J. Hogan auf andere Dinge: die Freundschaft zwischen Außenseiterin Muriel und der offenen Lebefrau Rhonda, die Verlogenheit des Kleinstadtlebens, die Schicksale der Menschen, die inmitten einer Postkartenidylle wohnen aber oft mit wenig auskommen müssen. Auch der Tonfall ist für eine Romcom bisweilen erstaunlich düster: Zwischen den Gags und den wundervollen Szenen, sieht man zum Beispiel wie Muriels Mutter langsam als gebrochene, ungeliebte Frau zu Grunde geht. Betty Heslop spielt das mit einer Intensität, für die sie wenig Worte braucht. Muriels Vater hingegen ist ein Riesenarschloch – und trotzdem tut er einem leid und zeigt am Ende gar, dass er doch mal bereit ist, Verantwortung für sich und seine Familie zu übernehmen.

Betty Heslop als Muriels Mutter © STUDIOCANAL GmbH

Betty Heslop als Muriels Mutter © STUDIOCANAL GmbH

Es ist übrigens kein Zufall, dass Hogan diese Charaktere mit all ihren Macken so liebevoll portraitiert. Muriel sei in Teilen von seiner jüngeren Schwester inspiriert gewesen, der Vorfall mit dem Blanko-Scheck ist tatsächlich passiert. Über seinen Vater sagte Hogan dem Magazin "Variety": "Mein Vater war ein Tyrann, schlimmer sogar als der im Film." Auch die Idee, in seiner Heimatstadt zu drehen, resultierte daraus, dass er "diese Stadt authentisch zeigen wollte."

Für Toni Colette war Muriels Hochzeit der Durchbruch. Der Film entwickelte sich nicht nur in Australien zum Publikumshit. Colette sagte in einem Interview zum 25. Jubiläum von Muriels Hochzeit: "Ich glaube der Film kam so gut an, weil sich wohl jeder mal wie ein Außenseiter oder eine Außenseiterin gefühlt hat. Das ist Teil des Lebens. Unsicherheit ist eine Hürde, die es zu nehmen gilt, um ein glücklicher Mensch zu werden. Mir wurde oft erzählt, dass Muriel dir ein gutes Gefühl gibt, weil man sich bei ihr mit seinen Selbstzweifeln weniger allein fühlt und spürt, dass es OK ist, verletzlich, unperfekt und von den Ansprüchen der Gesellschaft überfordert zu sein."

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Rachel Griffiths findet, Muriels Hochzeit sei "seiner Zeit weit voraus" gewesen. "Damals war es fast schon radikal, eine klauende, lügende Heldin zu haben. Heute wollen alle mehrdimensionale Frauen-Charaktere voller Leben, damals war das noch nicht so." An ihre Rolle habe ihr gefallen, dass Rhonda "ganz selbstverständlich sexuell befreit wirkte. Ihre wundervolle, ungebremste Lebenslust war Teil ihrer Persönlichkeit." Auch die Männer im Film sind bisweilen ungewöhnlich gezeichnet. Sie sind verunsichert, einfühlsam, immer für Überraschungen gut. Selbst der Kurzzeit-Ehemann von Muriel, dieser hübsche Sonnyboy, der erst die Nase rümpft, als er Muriel sieht, zeigt sich am Ende als loyaler, verständnisvoller Partner, der auch gerne weiter mit ihr gelebt hätte.

Aus all diesen Gründen ist es auch heute noch immer eine große Freude, diesen Film zu sehen und immer wieder über Lobeshymnen auf Muriels Hochzeit zu stolpern. Der Guardian nannte den Film zum 25. Jubiläum im letzten Jahr ein "feministisches Meisterwerk". Und die feministische Website jezebel.com schrieb vor einigen Jahren: "Du hast Muriels Hochzeit hoffentlich schon mal gesehen, oder? Wenn du eine Frau bist, Frauen kennst oder irgendwann in deinem Leben schon mal mit einem Menschen zu tun gehabt hast, dann solltest du Muriels Hochzeit gesehen haben. Ohne hier jetzt Patschuli-Düfte oder Hippie Vibes zu verströmen, aber das Beste an diesem Film ist die unbestreitbare, fehlerhafte, unbeholfene, liebenswerte, wunderschöne, Menschlichkeit der Protagonistin." Das können wir so unterschreiben.

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