Die Hände am Lenkrad, das Fenster geöffnet, den Ellenbogen im Fahrtwind und aus dem Radio ein Lied von Weite und Sehnsucht. So klischeebehaftet dieses Bild auch sein mag, man fällt doch immer wieder zu gerne darauf rein. Egal, ob in der Literatur – mit Homers "Odyssee" und Jack Kerouacs "On The Road" als bekannte Beispiele – oder aber im Film, macht eine Reise oft die besten Geschichten. Und obwohl das Kino schon etliche Stunden auf der Straße verbracht hat und reich ist an poetisch gefilmten Rückspiegeln, melancholischen Fahrtgesichtern und deepen Highway-Gedanken aus dem Off, so sind es doch eben die Geschichten, die neben den Straßen passieren, die diese Filme ausmachen. Sei es die verhängnisvolle Begegnung an der Tankstelle, der auf dem Parkplatz ausgetragene Streit, die Nacht im schummerigen Motel oder das Schicksal, das in einer Transit-Stadt lauert. Roadmovies wecken bei all dem einen vertrauten Impuls - dieses Ins-Auto-steigen-und-einfach-seinen-Problemen-davon-fahren-wollen, das wohl alle kennen. Dass das weder im realen Leben noch in den zahlreichen Filmgeschichten klappt, ahnt man zwar schon wenn man einsteigt, aber wer weiß, was einem auf der Reise so alles widerfahren wird. Bestimmt mehr, als wenn man zuhause bliebe.
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Fangen wir mit einem Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit an. Sebastian Schipper hat ja schon mit den Fahrszenen in Absolute Giganten bewiesen, dass in ihm ein Roadmovie schlummert. Mit Roads (2019) hat er sich schließlich rangetraut und selbst die Dreharbeiten wie ein Roadmovie aufgezogen: Drehbuch, Story, Cast und Crew – alles war permanent in Bewegung, von Marokko ausgehend auf dem Weg nach Europa. Fionn Whitehead und Stéphane Bak spielen die Hauptrollen auf dieser fesselnden, emotionalen und hochgradig politischen Fahrt.
Wim Wenders könnte diese Liste fast alleine füllen, denn natürlich sind auch Paris, Texas, Im Lauf der Zeit und Bis ans Ende der Welt tolle Roadmovies. Wir möchten hier aber vor allem den melancholischen, herzwärmenden Alice in den Städten mit Rüdiger Vogler, Lisa Kreuzer und Yella Rottländer ans Herz legen, der einige der poetischsten Fahrszenen in sich trägt, die jemals auf amerikanischen Straßen gedreht wurden.
Wer den nuschelnden Sexgott Tom Hardy liebt, konnte sich das erst schwer vorstellen: Ein Film, bei dem man Hardy fast nur am Steuer eines Autos sieht, wo das Lenkrad seinen Oberkörper verdeckt? Ein Film, der aus der Situation "Mann in Auto mit Freisprechanlage auf der Fahrt zu seiner Familie" ein fesselndes Drama über Stress, Betrug, Liebe, Treue und Verrat macht? Ein Film, der einer Idee, bei der man zuerst an ein gutes Hörspiel denkt, mit einer visuell aufregenden und oft innovativen Dynamik und Kameraführung begegnet? Kritik und Publikum waren sich am Ende jedoch einig: Das Experiment von Drehbuchautor und Regisseur Steven Knight ist mehr als geglückt – und ein Roadmovie der etwas anderen Art.
Das wohl langsamste Roadmovie der Welt und der straighteste Film, den David Lynch jemals gedreht hat. Erzählt wird die sehr einfache und auf einer wahren Begebenheit beruhende Geschichte des 73-jährigen Amerikaners Alvin Straight (Richard Farnsworth), der sich dazu entschließt, nach zehn Jahren Funkstille seinen Bruder Lyle (Harry Dean Stanton) im benachbarten Bundesstaat zu besuchen, nachdem dieser einen Schlaganfall erlitten hat – eine über 400 Kilometer lange Fahrt, die Alvin auf seinem fahrbaren Rasenmäher zurücklegt, da er weder einen Führerschein, noch ein Auto, noch Bock hat, kutschiert zu werden.
Wenn sich Luis Buñuel dem Genre widmet, kann man halt auch mal ein paar Dinge anders machen. Wer sagt denn zum Beispiel, dass in einem Roadmovie gefahren werden muss? Genau. Strenggenommen ist die Idee des Pilgerns ja auch ein historischer Vorläufer der Roadmovies. In Die Milchstraße schickt Buñuel die Pariser Clochards Pierre und Jean auf den Jakobsweg, wo Wegesrand und Zeitenlauf verschwimmen und den beiden zum Beispiel Jesus höchstselbst, der Leibhaftige und dessen eifrigster literarischer Schüler Marquis de Sade begegnen.