Es ist völlig klar, dass man alle Filme von Wim Wenders zumindest einmal im Leben gesehen haben sollte. Ebenso klar ist es, dass sein facettenreiches Oeuvre jeden und jede zu einer ganz persönlichen, emotionalen Entdeckungsreise einlädt. Deshalb sollte diese Liste bitte nur als kleine Inspiration verstanden werden, mit den besten Grüßen aus unserer Redaktion …
Mit diesem Film hat Wenders das Road Movie als Genre entdeckt, sagte er später und nannte Alice in den Städten, eigentlich sein vierter Film, stets seinen "ersten". Teilweise in den USA gedreht, begleiten wir den wortkargen Journalisten Phillip Winter (Rüdiger Vogler) auf seiner Reise, die er plötzlich mit der kleinen Alice (Yella Rotländer) verbringen muss, die von ihrer Mutter bei ihm zurückgelassen wird. Die knorrigen Dialoge, die wunderschönen, grobkörnigen Bilder, die grandiosen Darsteller und der melancholische Flow dieses Films – hier passt einfach alles. Alice in den Städten eröffnete Wenders' Road Movies Trilogie, die später von Falsche Bewegung und Im Lauf der Zeit komplettiert wurde.
Wim Wenders ist einer jener Künstler, die keinen Hehl daraus machen, dass es Vorbilder und Idole braucht, um das eigene Werk zu formen. Nicholas Ray, Regisseur von Klassikern wie … denn sie wissen nicht, was sie tun und Ein einsamer Ort, ist eines davon – und wurde später ein guter Freund von Wenders. Dieser intime, traurige, halb-dokumentarische Film, bei dem Wenders und Ray quasi gemeinsam Regie führten, begleitet Ray in seinen letzten Lebenswochen, bevor er am 16. Juni 1979 verstarb. Wenders erklärte dazu: "Nick hat mir von seiner Krebserkrankung erzählt. Er wusste, dass er unheilbar krank war. Er wollte arbeitend sterben. Unser gemeinsamer Film war ein Versuch, dem Krebs etwas entgegen zu setzen, eine Sterbebegleitung, bei der auch ein Film entstanden ist. Aber wir alle, die diese letzte Reise mit Nick gemeinsam gemacht haben, hätten dies auch ohne Film in der Kamera getan."
Der international gefeierte Klassiker, den man sehen muss – seit der 4K-Restauration im letzten Jahr umso mehr. Denn in diesem Film stimmt einfach alles: das Drehbuch von Sam Shepard, der charismatische Harry Dean Stanton in der Rolle des Travis, das von der ersten Szene mit ihr erstrahlende Spiel der Nastassja Kinski, die nicht minder leuchtenden Farben des Kameramanns Robby Müller, der perfekte Filmscore von Gitarrist Ry Cooder. Dabei ist es ein kleines Kinowunder und Wenders' Improvisationstalent zu verdanken, dass so ein stimmiger Film dabei herausgekommen ist. Schließlich gibt es fast so viele unglaubliche Geschichten über die Entstehung von Paris, Texas wie unvergessliche Szenen im Film. Da gab es illegale Dreharbeiten, erpresserische Gewerkschaftsvertreter, ein verrücktspielender Dollarkurs, der fast ein Drittel des Budgets verbrannte und ein finanzielles Fotofinish, über das Wenders später sagte: "Am letzten Tag waren alle meine Kreditkarten gesperrt, die uns noch über die Zielgerade gerettet hatten."
Ein Wiedersehen mit Phillip Winter (Rüdiger Vogler), der diesmal als Toningenieur durch Lissabon streift, weil er von einem befreundeten Regisseur versetzt wurde. Also beschließt Winter auf eigene Faust die Stadt, die Kultur, die Musik zu erkunden. Lisbon Story ist eine Art Spin-Off seines Films Der Stand der Dinge von 1982, der zumindest teilweise in Lissabon verortet ist. In Der Stand der Dinge geht es um die Dreharbeiten zu einem Science-Fiction-Film namens "The Survivors", der von Patrick Bauchau gespielte Regisseur trägt den sprechenden Namen Friedrich Munro, in Lisbon Story ist gar Friedrich Monroe daraus geworden. So heißt der Regisseur, der Winter eingeladen hatte, dann aber unauffindbar ist. Winter findet jedoch von Monroe gefilmte Schwarz-Weiß-Aufnahmen und reist zu den Orten, die auf den Bildern zu sehen sind. Besonders toll ist die Begegnung mit der portugiesischen Band Madredeus, die Musikfan Wenders hier mit viel Liebe in Szene setzt.
Sam Shepard und Wim Wenders sind einfach eine Kombination, bei der nur Großes entstehen kann. War Shepard bei Paris, Texas noch als Drehbuchautor an Bord, zeigt er hier wie in all seinen Filmen, dass er vor der Kamera ebenso genial ist wie hinter der Schreibmaschine. Hier spielt Shepard den alternden Westernstar Howard Spence, der nicht gerade in Topform ist und plötzlich beschließt auf dem Gaul vom Drehort zu flüchten, um seinem eigenen verkorksten Leben nachzuspüren. Wim Wenders beweist mit Don't Come Knocking wieder einmal seinen liebevollen, aber auch ironischen Blick auf die Widersprüchlichkeiten der amerikanischen Kultur und Filmgeschichte. Und obwohl die Bilder von Kameramann Franz Lustig spektakulär sind und oft mit der melancholischen Leere eines Edward Hoppers verglichen wurde und auch die Musik von Altmeister T-Bone Burnett preiswürdig ist, wachsen einem hier vor allem die Charaktere selbst ans Herz.
Wer jetzt direkt in eine lange Wim Wenders Nacht starten möchte, dem sei die "Wim Wenders – Werkschau" in der ARD-Mediathek ans Herz gelegt (die Sie hier finden können), und für die eigene digitale Videothek findet sich hier jede Menge Input.