Wer sich die frisch restaurierte Fassung von Die Piratenbraut anschaut, wird nicht lange brauchen, um die dramatische Produktionsgeschichte zu vergessen. Gleich in den ersten Minuten sieht man, wie Geena Davis als Piratenbraut Morgan Adams einen zwielichtigen Lover abserviert, auf ein Pferd springt, einen wundervollen Strand entlang galoppiert, einen am Meer wartenden Piraten verdrischt und wagemutig versucht, ihren Vater aus den Fängen des bösen Captains Dawg Brown (mit viel Freude an der Arbeit gespielt von Frank Langella) zu befreien. Der Film macht von der ersten Minute an einen Heidenspaß – vor allem, wenn man schon lange nicht mehr einen eher klassischen Piratenfilm gesehen hat, und die überwiegend fürchterlichen Fluch der Karibik-Filme wie ein eigener Fluch über dem Genre hängen. Klar, Tiefgang holt man sich woanders, aber als das, was der Film sein wollte – nämlich ein Swashbuckler-Piratinnen-Abenteuer – funktioniert Die Piratenbraut prächtig.
Dennoch gilt der Film bis heute als einer der größten Flops der Kinogeschichte – und zugleich als letzter Sargnagel für das 1976 gegründete Kult-Film-Studio Carolco Pictures. Das Carolco-Logo war vor allem in den 80ern und den frühen 90ern allgegenwärtig: Man produzierte oder finanzierte Filme wie Shōgun, die Rambo-Reihe, Carpenter’s Sie Leben!, Total Recall, The Doors, Terminator 2: Judgement Day, Basic Instinct, Showgirls und eben als letzten Film Die Piratenbraut – im Orginal Cutthroat Island. Wie passend. Renny Harlins Film, mit seiner damaligen Ehefrau Davis in der Hauptrolle und Matthew Modine als "Love Interest" William Shaw, kam am 22. Dezember 1995 in die US-Kinos – wo er in direkter Konkurrenz mit Filmen wie Jumanji, Ein Geschenk des Himmels - Der Vater der Braut, Heat und James Bonds GoldenEye stand.
Die Bilanz von Die Piratenbraut war am Ende verheerend. Den finalen Produktionskosten von rund 100 Millionen Dollar standen klägliche Einnahmen von 10 Millionen Dollar gegenüber. Das Guinness Buch der Rekorde zählt Die Piratenbraut deshalb zu den größten Flops aller Zeiten. Trotzdem: Carolco pfiff schon vorher aus dem letzten Loch. Die Piratenbraut startete deshalb ohne großes Marketingbudget und hatte gegen die namhafte Konkurrenz von Anfang an nicht den Hauch einer Chance. Der Absturz von Carolco war schließlich nicht mehr aufzuhalten: Schon Paul Verhoevens Showgirls, der wenige Monate zuvor ins Kino kam, war ein finanzieller Misserfolg, und da Carolco alles, was noch ging, auf Die Piratenbraut setzte (und dafür ein Projekt von Verhoeven mit Arnold Schwarzenegger absagte – was nach dem fürchterlichen Showgirls auch verständlich war), war klar, dass man Konkurs anmelden musste.
Im Herbst letzten Jahres antwortete Geena Davis in einem Interview mit dem New Yorker auf eine Frage zu Die Piratenbraut: "Zunächst möchte ich klarstellen, dass der Film Carolco nicht zu Fall gebracht hat, denn das Unternehmen stand bereits vor dem Konkurs, bevor wir mit den Dreharbeiten begannen. Das Unternehmen war so gut wie am Ende. Wir waren ihre letzte Produktion. Wir waren von Anfang an dem Untergang geweiht, leider. Als der Film herauskam, gab es kein Geld, um ihn zu promoten, also war klar, dass er nicht erfolgreich sein würde. Irgendwie waren die Leute darauf fixiert, wie viel er kostete."
Piratin Morgan (Geena Davis) und William Shaw (Matthew Modine, nachdem Michael Douglas abgesagt hatte) sind mal wieder mit viel Freude auf der Flucht. © Arthaus / Studiocanal
Dieser Punkt ist allerdings nicht von der Hand zu weisen: Die Piratenbraut kostete viel mehr, als er hätte kosten sollen – und das lag vor allem an ihrem Ehemann Renny Harlin. Er trieb die Kosten an vielen Fronten in die Höhe. So ließ Harlin bei jedem Shoot drei Kameras mitlaufen, was damals sehr kostenintensiv war. Außerdem ließ man zu horrenden Preisen "V8"-Gemüse-Säfte einfliegen, die Harlin und Davis vorbehalten waren. Schon der Anfang des Drehs verlief alles andere als rund: Harlin verkrachte sich mit dem Chief Camera Operator und setzte ihn vor die Tür – was zwölf weitere Crewmitglieder dazu brachte auch zu kündigen. Harlin bestand außerdem darauf, dass die Schauspieler:innen einen Großteil ihrer Stunts selbst durchführten, was zu diversen Verletzungen führte, die den Dreh weiter verzögerten. Und dann war da noch die Sache mit der männlichen Hauptrolle, die eigentlich an Michael Douglas hätte gehen sollen. Der hatte allerdings nicht so viel Zeit, wie es für den Dreh und das erforderliche Fechttraining brauchte – und er bestand vertraglich drauf, dass seine Rolle ebenso viel Screentime wie Geena Davis bekam. Diese Klausel nutzte er schließlich, um sich aus dem Projekt zurückzuziehen, nachdem er schon zugesagt hatte. Die Suche nach dem männlichen Lead hielt Regisseur Renny Harlin von diversen Set-Besuchen bei den Drehvorbereitungen ab. Er schaffte in dieser Zeit es ebenso wenig, den Set-Designern seine Wünsche mitzuteilen. Was weitere Mehrkosten verursachte: Als Harlin nämlich sah, was das Team da gebaut hatte, verwarf er einen großen Teil und ließ vieles neu designen und errichten. Schäden an den Wassertanks für die Schwimmszenen und zahlreiche Umschreibungen im Drehbuch taten dann ihr übriges. Da half es schließlich auch nicht mehr, dass Renny Harlin, der zuvor mit Filmen wie Cliffhanger und Die Hard 2 gut verdient hatte, eine Million aus seinem Privatvermögen zusteuerte. Und trotzdem muss man immer wieder betonen: Carolco hatten schon Ende der 80er in Sachen Finanzen einen miserablen Ruf: Die Gründer Mario Kassar und Andrew G. Vajna lebten auf großem Fuße, schmissen extravagante Partys, gönnten sich Privatjets, verteilten generöse Dividenden, unterhielten einen Firmen-Fuhrpark an Stretch Limos und warfen viel Geld auf große Namen wie James Cameron, Paul Verhoeven und Oliver Stone, die für Carolco an neuen Projekten arbeiteten. Schon damals berichtete Entertainment Weekly, dass man im Hause Carolco ganz offensichtlich viel mehr ausgab, als man einnahm.
Piratenbraut Morgan im Eifer des Gefechts. © Studiocanal GmbH
Deshalb ist es schlichtweg unfair, Die Piratenbraut als einzigen Grund des Carolco-Untergangs zu benennen. Aber diese Erzählung hatte für viele, vor allem männliche Kinofans und Kritiker einen gewissen Appeal. Statt zu erzählen, wie zwei Business Dudes der eigene Erfolg zu Kopf gestiegen war und sie schließlich ihre Firma vor die Wand fuhren, nutzte man Die Piratenbraut lieber als Beleg für die chauvinistische These, dass eine Frau in der Hauptrolle eines Piratenfilms direkt in den finanziellen Ruin führt. Dabei ist es eine große Freude, Geena Davis als Piratenbraut zu erleben. Renny Harlin hätte sich ein paar dieser "Schaut mal, EINE FRAU kann das auch!"-Momente sparen können, vor allem die in Zeitlupe gezeigten, aber Davis‘ Morgan Adams hat ein schelmisches Charisma, das sicher einige Menschen mehr überzeugt hätte, wenn diese gewusst hätten, dass der Film in den Kinos läuft. Im New Yorker-Interview gibt Davis zu, wie sehr es sie traf, dass ihr guter Lauf nach Filmen wie Beetlejuice und Thelma & Louise ein so abruptes Ende fand: "Es hat mich ziemlich geschockt. Ich glaube nicht, dass der Film der einzige Grund war – ich wurde kurz darauf 40 und das hat als Frau in Hollywood auch massive Auswirkungen auf deine Karriere. Aber dass meine ganze Arbeit auf einmal in Frage gestellt wurde. Wow, das war einfach unfair."
Frank Langella liebt die Rolle des Bösewichts Dawg Brown bis heute. © Arthaus / Studiocanal
Renny Harlin, dessen Ehe mit Geena Davis bereits 1997 ein Ende fand, ist übrigens bis heute stolz auf Die Piratenbraut. Und er hat ja durchaus Grund dazu – selbst, wenn man ihm wünschen würde, ein wenig mehr Einsicht in Sachen "Budgetsprengung" zu zeigen. Aber er sagte dem Guardian vor zwei Jahren in einem Interview: "Ich denke, es ist ein guter Film. Ich habe das Gefühl wir hatten einfach Pech, vor allem, wenn man sieht, wie gut Fluch der Karibik ein paar Jahre später lief. Mein Film hatte nicht wirklich eine Chance bei unserem Vertrieb. Es ist nicht so, dass die Leute ihn gehasst hätten, sie wussten nur nicht, dass er draußen war. Aber er ist genau das geworden, was ich wollte: ein verwegener Film für Kinder und Erwachsene, die sich noch gut erinnern, wie es war, ein Kind zu sein. Es gibt sicherlich einige Filme, die ich gemacht habe, bei denen es nicht so gut gelaufen ist - aber auf diesen bin ich stolz."
Daniel Koch